Mit „Shaun of the Dead“ und „Hot Fuzz“ schrieben sie Kinogeschichte, mit „Paul – Ein Alien auf der Flucht“ möchten sie ein neues Erfolgskapitel aufschlagen. Die Rede ist von den zurzeit wohl angesagtesten britischen Komikern überhaupt: Simon Pegg und Nick Frost. So unterschiedlich ihre Filme zunächst wirken mögen – der Zombiekomödie „Shaun of the Dead“ folgte der Actionkracher „Hot Fuzz“, während ihr neuestes Werk eine Science-Fiction-Parodie ist -, liegt ihnen eine ganz bestimmte Linie inne. Viel Sinn für originelle Stoffe und natürlich der typisch britische Humor.
„Paul – Ein Alien auf der Flucht“ ist ihr bislang mit Abstand teuerster und ambitioniertester Streifen, der in den USA durchaus respektable Einspielergebnisse erzielen konnte und sich anschickt, auch im Rest der Kinowelt für volle Säle zu sorgen. Indes waren die Kritiken sehr gespalten, was die Frage aufwirft: Haben sich Pegg und Frost mit diesem Film übernommen oder sind die Kritiken zumindest teilweise unberechtigt? Bitte nicht fliehen, sondern diese Rezension lesen – danke!
Immer nur den Nerds nach!
Die britischen Touristen Graeme (Simon Pegg) und Clive (Nick Frost) befinden sich auf der Comic-Con in Kalifornien, wo sie unter anderem auf den berühmten Science-Fiction-Autor Adam Shadowchild (Jeffrey Tambor) treffen. Insgeheim hoffen die beiden Super-Nerds, ihre eigenen Science-Fiction-Werke auf den Markt bringen zu können.
Ausgerechnet auf der Fahrt nach Roswell läuft ihnen das Abenteuer ihres Lebens buchstäblich über den Weg: Der Alien Paul (Originalstimme: Seth Rogen) ist aus der Area 51 ausgebüchst, wo man ihn jahrzehntelang gefangen hielt. Zu Recht befürchtet der freundliche Außerirdische, von der Regierung getötet zu werden, nachdem man ihm sein gesamtes Wissen abgeluchst hat. Für Graeme und Clive ist es Ehrensache, dem ungewöhnlichen Besucher zu helfen, von Angehörigen seiner eigenen Rasse in einem Raumschiff abgeholt und in Sicherheit gebracht zu werden.
Allerdings bleiben ihre Aktivitäten nicht unbeobachtet: Zwei trottelige Sheriffs sowie der eiskalte Regierungsagent Zoil (Jason Bateman) sind ihnen auf den Fersen. Als dann auch noch die hübsche, ihrem strengen Vater abtrünnige Ruth (Kristen Wiig) zum Trio der Ausreißer hinzustößt, wird nicht nur der geliehene Caravan immer enger, auch die Probleme mehren sich …
Simon Pegg und Nick Frost auf amerikanischem Boden
„Paul – Ein Alien auf der Flucht“ ist der erste gemeinsame Film von Nick Frost und Simon Pegg, der außerhalb Englands stattfindet. Der Grund hierfür ist einleuchtend: Wo, wenn nicht in den USA, herrscht eine buntere Science-Fiction-, wie auch Verschwörungskultur? Area 51, Roswell, Greys, UFOs – alles, was das Nerd-Herz begehrt, wird in den USA aufgeboten! Mit dieser reichhaltigen, wenngleich exotischen Randkultur kann das englische Königreich natürlich nicht mithalten.
Leider stand Haus- und Hofregisseur Edgar Wright diesmal nicht zur Verfügung. Dieser weilte zwar in den USA, drehte aber das gefloppte Spektakel „Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt“. Seine Stelle nahm „Superbad“-Regisseur Greg Mottola ein, der erstmals mit Pegg und Frost zusammenarbeitete. Das Ergebnis dieser Kooperation ist mehr als nur zwiespältig. Denn obwohl man annehmen sollte, dass die beiden Starkomiker im Land der unbegrenzten Möglichkeiten ebenso unbegrenzte Gag- und Parodiemöglichkeiten finden sollten, wirkt „Paul – Ein Alien auf der Flucht“ deutlich schaumgebremst.
Während „Shaun of the Dead“ und „Hot Fuzz“ (den grauenhaften deutschen Untertitel „Zwei abgewichste Profis“ wollen wir nur der Vollständigkeit halber erwähnen) jeweils von Beginn weg ein enormes Tempo anschlagen und bis zum Schluss durchhalten, kommt Simon Peggs neuer Streifen nur mühsam auf Touren und will einfach nicht so recht in die Gänge kommen. Der Gründe hierfür gibt es mehrere.
Sympathischer Alien, klischeehafte Menschen
Am heimlichen Hauptdarsteller Paul gibt es wenig zu bekritteln. Der rauchende, fluchende, heimlich masturbierende Alien ist durchaus sympathisch geraten, wenn auch seine übernatürlichen Heilkräfte nicht zufällig an „E.T.“ & Co erinnern und letzten Endes natürlich der Story entscheidenden Impuls verleihen. Das CGI-Wesen überzeugt vor allem mit seiner freundlichen Mimik, die so gar nichts vom düsteren Image der in paranormalen Kreisen oft gesehenen „Greys“ an sich hat. Im Gegenteil: Paul ist ein Genießer, Optimist und Menschenfreund.
Was angesichts seiner menschlichen Mitstreiter etwas verwundert. Denn auch wenn es parodistische Absicht gewesen sein soll: Dermaßen klischeehafte Figuren sind selbst in Science-Fiction-Filmen eher selten zu sehen. Es erstaunt, dass Simon Pegg und Nick Frost, die auch für das Drehbuch verantwortlich zeichneten, sich selbst dermaßen blasse Charaktere auf die Leiber schrieben. Abgesehen von ihrer Begeisterung für Science Fiction und ihrer Nationalität erfährt man so gut wie gar nichts von den beiden Touristen aus England.
Schlimmer noch erwischt es die Nebendarsteller: Vertrottelte Rednecks, eiskalte Agenten, erzkonservative religiöse Fanatiker, die den Papst wie einen Hippie erscheinen lassen – nichts schien Pegg und Frost zu klischeehaft, um es nicht doch hineinzupacken.
Entsprechend dürftig ist die Gagausbeute. Zu lachen gibt es eigentlich nur in den Szenen mit Paul was. Außerhalb seines Wirkungskreises zielen die Gags darauf ab, dass Graeme und Clive unablässig für ein schwules Pärchen gehalten werden. Das ist beim ersten Mal noch witzig, als man ihnen versehentlich im Hotel die Hochzeitssuite zuteilt. Nach der x-ten Wiederholung beginnt dieser Irrtum zu nerven.
Die Handlung selbst wirkt unnötig in die Länge gezogen, da immer wieder Nebenschauplätze eingeschoben werden, etwa ein mehrminütiger Streit darüber, ob die Schöpfungsgeschichte die einzige Wahrheit darstellt oder nicht.
Apropos „Alien“: Sigourney Weaver ergatterte eine winzige Nebenrolle, die mit einem albernen Showdown abrupt endet. Gerade ihr, der Ikone des Science-Fiction-Films, hätte man eine bessere Rolle vergönnt. Ausgerechnet mit Weaver wussten aber Pegg und Frost offenbar nichts anzufangen. Dabei hätte es auf der Hand gelegen, ihre Performance aus den „Alien“-Filmen einer respektvollen Parodie zu unterziehen.
Fazit nach knapp zwei Stunden: Aller guten Dinge sind drei? Von wegen! „Paul – Ein Alien auf der Flucht“ erweist sich im Vergleich mit „Shaun of the Dead“ und „Hot Fuzz“ als eindeutig schwächster Pegg-Frost-Film. Doch seien wir fair: Es wäre zu viel verlangt gewesen, stets ein Meisterwerk von den beiden Briten zu erwarten. Paul möge man bei seinem weiteren Abenteuer alles Gute wünschen und den Hauptdarstellern sowie Drehbuchautoren einen hoffentlich gewohnt kultigen Film beim nächsten Mal!
Diese Filmkritik schrieb unser Redakteur Rainer Innreiter.
Darsteller
- Simon Pegg … Graeme Willy
- Nick Frost … Clive Gollings
- Jeremy Owen … Sword Vendor
- Kristen Wiig … Ruth
- Jeffrey Tambor … Adam Shadowchild
- David House … Wachmann
- Nelson Ascencio … Jorge
- Jane Lynch … Pat Stevens
- David Koechner … Gus
- Jesse Plemons … Jake
- Seth Rogen … Stimme von Paul (im Original)
- Jason Bateman … Agent Zoil
- Sigourney Weaver … Big Guy
- Bill Hader … Haggard
- Joe Lo Truglio … O’Reilly
Regie
Greg Mottola
Produktionsland, Jahr
USA / GB / F / E, 2011
Paul – Ein Alien auf der Flucht Trailer