Kids run Kritik

Ex-Boxer Andi (Jannis Niewöhner) hat es nicht leicht: als Tagelöhner auf dem Bau verdient nicht genug, um über die Runden zu kommen. Das Geld für die Miete und um seine drei bei ihm lebenden Kinder zu versorgen reicht hinten und vorne nicht. Kein Wunder, dass er immer wieder im Clinch mit den Müttern seiner Kinder liegt. Als der Vermieter droht ihn rauszuschmeißen kann Andi nicht anders, als sich das nötige Geld von seiner Ex Sonja (Lena Tronina) zu leihen. Über die Trennung von ihr ist Andi noch nicht hinweg. Das Problem: Sonja hat das Geld von ihrem neuen Freund genommen, ohne ihn darüber zu informieren. Als dieser das Geld zurückverlangt stellt Sonja Andi vor ein Ultimatum: Sie will das Geld in zwei Wochen zurück sonst will sie Andi die Tochter wegnehmen. Um an das Geld zu kommen bleibt ihm nichts anderes übrig, als sich bei einem Amateur-Boxturnier anzumelden.

Bereits mit ihrem Debüt-Kurzfilm „Sunny“ sorgte die Tirschenreuther Regisseurin Barbara Ott 2013 für Aufsehen. Die Produktion startete auf vielen internationalen und deutschen Festivals und erhielt zudem zahlreiche Auszeichnungen. Mit ihrem ersten Langfilm, „Kids run“, durfte sie im vergangenen Jahr auf der Berlinale die Sektion „Perspektive Deutsches Kino“ eröffnen. Gemeinsam mit ihrem prominenten deutschen Cast drehte sie „Kids run“ im Frühjahr 2018 in der Rhein-Metropole Köln und Umgebung.

Schon in den ersten Minuten ihres Sozialdramas etabliert Ott den Realismus und die Dringlichkeit einer Milieu-Doku, wenn sie ihrem Protagonisten mit Handkamera durch seinen tristen Alltag folgt. Und in den Boxring, in dem Andi bei seinem letzten Kampf, bevor er mit dem Sport aufhörte, so richtig verdroschen und blutig geschlagen wird. Jene Kampfszenen sind mitreißend und authentisch gefilmt. Sie stehen metaphorisch für den (Überlebens-) Kampf eines Vaters, der sich die gefährlichen Amateur-Kämpfe nur antut, um mit dem Geld seine Familie über Wasser zu halten.

Diese dokumentarische Unmittelbarkeit, die das Leben eines überforderten, sich selbst als Versager ansehenden Vaters ungeschönt porträtiert, zählt zu den Stärken des Debüts. Ebenso wie die darstellerische Leistung von Jannis Niewöhner, der auf natürliche und sensible Weise die Gefühle seiner leidenden Figur offenlegt und über die komplette Laufzeit einen beachtlichen, unbekümmerten Auftritt hinlegt.

Als weniger gelungen erweisen sich leider viele Storyelemente, inhaltliche Versatzstücke und die Figurenzeichnung, bei der Ott zu viele Allgemeinplätze und Klischees bedient. Und Vorurteile. Schimmel in der viel zu engen Wohnung von Menschen, die in schäbigen Plattenbauten wohnen. Verdreckte Hinterhöfe und heruntergekommene Fassaden. Trostlose, graue Farben, die die Hoffnungslosigkeit im Leben der Menschen visuell widerspiegeln. Oder übellaunige, unsympathische Vermieter, die mit Rauswurf drohen, während sie ihren aggressiven Hund kaum an der Leine halten können. All diese Charakteristika findet man in zu vielen anderen Sozialdramen, als dass sie hier noch für so etwas wie Mitgefühl oder Überraschung sorgen könnten. Schade ist auch, dass man abgesehen von Andi keiner der Nebenfiguren wirklich nahe kommt. Das gilt für Andis Chef und seine Kumpels ebenso wie für seine Ex-Freundinnen.

Fazit: Das virtuoses, uneitle Spiel von Niewöhner und der glaubwürdige dokumentarische Stil stehen einer klischeeüberfrachteten Story und uninteressanten, schlampig ausgearbeiteten Nebenfiguren gegenüber.

Bewertung: 5/10

Diese Filmkritik schrieb unser Redakteur Björn Schneider.

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