Jonathan Kritik

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Während die meisten seiner Freunde studieren, ist der Alltag für den 23-jährigen Jonathan (Jannis Niewöhner) alles andere als einfach. Gemeinsam mit seiner Tante Martha (Barbara Auer) muss er sich um den familieneigenen Bauernhof kümmern. Sein Vater Burghardt (André Hennicke) ist zu schwach: er ist schwer krank und nicht mehr in der Lage, körperliche Arbeit zu verrichten. Als sich Jonathan aufgrund des sich stets verschlechternden Zustands des Vaters nicht mehr allein um ihn kümmern kann, bekommt er unerwartete Unterstützung: die charismatische Anka (Julia Koschitz) soll bei der Pflege von Burghard behilflich sein. Mit ihr kommt endlich ein wenig positive Stimmung in Jonathan bis dahin eher trostloses Leben. Bald entstehen Gefühle für die sympathische junge Frau. Doch die Freude währt nur kurz: als eines Tages Burghards alter Jugendfreund Ron (Thomas Sarbacher) auftaucht, kommen Geheimnisse zum Vorschein, die das Familienleben in ihren Grundfesten erschüttern. Sie betreffen auch Jonathans Mutter, die vor vielen Jahren verstorben ist.

Das gefühlvolle Familiendrama wurde vom aus Warschau stammenden Piotr J. Lewandowski, Regisseur und Drehbuchautor, inszeniert. Schon als 20-jähriger drehte Lewandowski erste Werbe- und Kurzfilme und betätigte sich als Animations-Künstler im 3D-Bereich. 2013 erhielt Lewandowski, der an der Ludwigsburger Filmakademie ausgebildet wurde, beim Hessischen Film- und Kinopreis für „Jonathan“ eine Auszeichnung für das beste Script, obwohl eine Verfilmung damals noch relativ weit weg war. Die Mischung aus Coming-of-Age und Drama um verdrängte Ereignisse und verschwiegene Geheimnisse, überzeugte die Jury, die damit letztlich auch eine Verfilmung ins Rollen brachte. Es sollte nicht die letzte Auszeichnung für den Film gewesen sein: beim diesjährigen Festival des deutschen Films im Ludwigshafen, bekam er eine „Besondere Auszeichnung“ verliehen. Der Weltöffentlichkeit wurde „Jonathan“ bei der Berlinale 2016 im Rahmen der Sektion „Panorama“ präsentiert.

Als ganz universelle Geschichte um Liebe, Krankheit und Sehnsucht will Regisseur Lewandowski seinen Film verstanden wissen, der auf einer wahren Begebenheit beruht. Dabei schneidet der Regisseur darüber hinaus noch ein paar Themen mehr an, z.B. Vergebung, unterdrückte Wünsche und Sexualität oder auch den Kampf mit Wut und Trauer im Angesicht des unausweichlichen Endes. Dass Lewandowski all dies äußerst gelungen unter einen Hut bekommt, ohne den Film dabei zu verfahren oder (inhaltlich) überladen wirken zu lassen, ist große Kunst. Zuvorderst liegt dies an den großartigen Darsteller-Leistungen, die ihren Figuren Glaubwürdigkeit und Würde verleihen. An erste Stelle ist hier der an Krebs im Endstadium leidende Burghard zu sehen, verkörpert vom – physisch wie gewohnt beeindruckenden – André Hennicke.

Mit schockierender Zerbrech- und Gebrechlichkeit stellt Hennicke einen Mann dar, der dem Tode ins Auge sieht und von Tag zu Tag mehr an Kraft einbüßt. Sein zunehmender physischer Verfall ist für den Zuschauer ebenso fast körperlich spürbar, sei es, wenn er am Esstisch seine fehlende Kraft zum Weiterkämpfen zum Ausdruck bringt oder sich auch rein äußerlich immer mehr von Leben verabschiedet. Dies soll Pflegerin Anka, die von Martha engagiert wird, ändern. Martha selbst fällt es schwer, sich um Burghard – der zudem allen Fragen von Jonathan nach der Mutter vehement ausweicht – zu kümmern. Irgendetwas Dramatisches scheint zwischen den Beiden vorgefallen.

Leichtigkeit und positive Energie halten mit dem Auftritt der lebensbejahenden, sympathischen Anka auf dem Hof, Einzug. Eine angenehme, von Glücksgefühlen bestimmte Zeit auch für Jonathan beginnt, der sich in die Frau verliebt. Schon die erste Begegnung der Zwei ist skurril, erfrischend anders und zeichnet quasi den (amourösen) Weg der Beiden untereinander in gewisser Weise vor. In solchen Momenten lässt Lewandowski auch immer wieder Hoffnung und Lebensmut aufkeimen – nur um mit dem Auftreten von Ron wieder Gefühls-Chaos und längst verdrängte, aber nicht verarbeitete Ereignisse aus der Vergangenheit heraufzubeschwören. Eine Achterbahn der Gefühle, eine viel Leidensfähigkeit erfordernde emotionale Tour-de-Force. Sowohl für den Zuschauer als auch die Protagonisten.

Schön ist zudem, dass sich der Film oft auch Zeit nimmt, in langen, ruhigen Einstellungen die umgebende Natur- und Tierwelt – Wald, Bäume, Blätter, eine Spinne – zu filmen, und die Natur Natur sein lässt. Mit all ihren Veränderungen und ihrem regen Treiben. Das sind erhabene, betörende Momente der Melancholie und der Stille. Sie sind z.B. an den Anfang des Films gestellt und können daher gut als Metapher für die Ruhe vor dem verheerenden (Gefühls-)Sturm angesehen werden, der da über die Familie im Laufe des Films noch hereinbrechen wird.

Fazit: Mit einem fabelhaften Cast ausgestattetes, intensiv gespieltes Drama, das sich ruhige Momente gönnt und die Vielfalt an Themen sowie Stimmungen problemlos miteinander kombiniert und in Einklag bringt.

Diese Filmkritik schrieb unser Redakteur Björn Schneider.

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