Er war neben Volker Schlöndorff und Wim Wenders der wichtigste Regisseur der Bewegung „Neues deutsches Kino“ in den 70er-Jahren und gilt bis heute als der produktivste (er drehte bis zu sieben Filme in einem Jahr) deutsche Filmemacher: Rainer Werner Fassbinder, der Anfang der Achtziger mit nur 37 Jahren aufgrund von Überarbeitung und seines jahrlangen, exzessiven Drogen- und Alkoholkonsums verstarb. Viele seiner Filme sind heute Klassiker, darunter Werke wie „Angst essen Seele auf“ (1974), „Die Ehe der Maria Braun“ (1979) oder „Lili Marleen“ von 1981. Spätestens mit seinem TV-Mehrteiler des als unverfilmbar geltenden Döblin-Romans „Berlin Alexanderplatz“ wurde Fassbinder unsterblich.
Obgleich seine inszenatorischen Fähigkeiten seit jeher unbestritten waren, sorgte Fassbinder immer wieder auch für Negativschlagzeilen und viel zu oft interessierten sich Öffentlichkeit und Medien häufiger für sein Privatleben als für seine Filme. Gefürchtet war Fassbinders Umgang mit seinen Schauspielern und sein privater Hang zu einem ausschweifenden, zerstörerischen Lebensstil. Darüber hinaus machte er nie einen Hehl aus seiner Bisexualität, er lebte bis zu seinem Tod im Sommer 1982 abwechselnd mit männlichen und weiblichen Partnern zusammen, darunter der algerische Schauspieler El Hedi ben Salem, die Schauspielerin Ingrid Carven oder seine Cutterin Juliane Lorenz. Die Berliner Regisseurin und Produzentin Annekatrin Hendel („Anderson“) setzt Fassbinder mit ihrer gleichnamigen Doku ein (weiteres) filmisches Denkmal.
70 Jahre wäre Rainer Werner Fassbinder am 31. Mai geworden – für Hendel genau der richtige Zeitpunkt, eine weitere Doku über den exzentrischen Künstler und Lebemann zu drehen. Denn das Problem ist: „Fassbinder“ ist längst nicht die einzige Dokumentation über den Regisseur, weshalb es dem Film auch schwer fällt, erhellend Neues oder Unbekanntes über Fassbinder zu erzählen. Als herausragende, bereits existierende Dokus über Fassbinder sind sicher „Rainer Werner Fassbinder – Der Theatermensch“, Bruno Schneiders Film von 2002, und Rosa von Praunheims „Für mich gab’s nur noch Fassbinder“ (2000) zu nennen, in dem ehemalige Weggefährten wie Michael Ballhaus oder Brigitte Mira über die Arbeit mit dem Regisseur sprechen.
Für Fassbinder-Neulinge und für Fans, die noch nicht alle Filme über ihren Lieblingsregisseur gesehen haben, hat der Film in jedem Fall Interessantes zu bieten. So äußern sich bekannte Fassbinder-Gesichter wie Hanna Schygulla oder Irm Hermann, werden (gut gewählte) Ausschnitte aus den bekanntesten und wichtigsten Filmen Fassbinders gewählt und kommt der Porträtierte in seltenen, bisher nicht gezeigten Archivaufnahmen selbst zu Wort. Der Film macht unmissverständlich deutlich, dass Fassbinder wie kein anderer Regisseur für seine Kunst brannte, so leidenschaftlich wie kein Zweiter zu Werke ging und sich mit ebensolcher Lust und Hingabe in seine unzähligen Affären und Beziehungen stürzte. Alles aufschlussreiche Aspekte und Infos, die aber eben leider nicht allzu neu sind.
Fazit: Mit seltenen Archivaufnahmen ausgestattete, solide Doku über einen der wichtigsten deutschen Filmemacher aller Zeiten, die jedoch kaum neue Infos bietet.
Diese Filmkritik schrieb unser Redakteur Björn Schneider.