Centurion Filmkritik


Fast exakt zehn Jahre nachdem Ridley Scott mit „Gladiator“ die Rückkehr des Historiendramas auf die Leinwand einläutete, lief mit „Centurion“ ein durchaus artverwandtes Geschichtsepos in den Kinos. Krasser hätte der Erfolg der beiden Filme jedoch kaum differieren können: „Gladiator“ spielte alleine an den Kinokassen eine halbe Milliarde Dollar ein, während „Centurion“ in den USA lediglich knapp 100.000 Dollar erlösen könnte. Gewiss: Scott standen ein höheres Produktionsbudget und Schauspielstars wie Russel Crowe und Oliver Reed zur Verfügung. Ganz im Gegensatz zu Neil Marshalls kaum bekannten Darstellern und einem weitaus bescheideneren Budget. Doch woran lag der finanzielle Misserfolg von „Centurion“ schlussendlich? Konnte „The Descent“-Regisseur Neil Marshall die hohen Erwartungen nicht erfüllen?

Ein Blick in die magische Kristallkugel des 21. Jahrhunderts, eurem Monitor, soll diese Fragen klären.

Stumme Verräterin in den eigenen Reihen
Im Jahr 117 sind nur Teile Britanniens von den siegesgewohnten Römern besetzt. Vor allem die Bewohner des schottischen Hochlandes geben den Invasoren Saures und lassen sich auch durch grausame Bestrafungsaktionen nicht unterkriegen. Julius Agricola (Paul Freeman), Statthalter der Provinz, weiß sich nur noch einen Rat gegen die aufsässigen und immer dreister vorgehenden Pikten (Die Bezeichnung der Römer für die schottischen Stämme): Eine Legion soll die Horden des Piktenanführers Gorlacon (Ulrich Thomsen) vernichtend schlagen und auf diese Weise den Widerstand brechen. Die scheinbar treu dienende, stumme Schottin Etain (Olga Kurylenko) führt die Legion durch das unwirtliche Gebiet, das ihr wiederum bestens vertraut ist. Doch die zungenlose Schöne entpuppt sich als gnadenlose Verräterin in den eigenen Reihen und schickt die Legion in eine perfide angelegte Falle. Dem anschließenden Blutbad entkommen nur wenige Männer durch Zufall, darunter Zenturio Quintus Dias (Michael Fassbender).

Mit einer Handvoll Überlebender plant er dennoch einen tolldreisten Überraschungscoup: Der in der Schlacht gefangengenommene General Titus Flavius Virilius (Dominic West) soll aus der Hand der Pikten befreit werden! Das Unternehmen scheitert und zieht den Zorn der auf Rache sinnenden Etain auf sich. Sie hat mit den Römern noch mehr als nur ein einziges Hühnchen zu rupfen und verfolgt die Flüchtenden gnadenlos …

Schotten dicht!
Um auf die eingangs aufgeworfene Frage nach dem Grund für das finanzielle Debakel zurückzukommen, sei eine Dialogzeile aus „Centurion“ erwähnt: „Egal was aus dem Nebel auftaucht: Bleibt zusammen!“
Das erinnert nicht zufälligerweise an Ridley Scotts Meisterwerk („Was auch immer durch die Tore kommt, bleibt zusammen!“, befiehlt Maximus im Kolosseum seinen Mitstreitern) und offenbart eine ganz große Schwäche des Films. Fast verzweifelt versucht Neil Marshall es „Gladiator“ gleichzutun und muss konsequenterweise daran scheitern. Immer wieder werfen Bilder visuelle Referenzen an das oscarprämierte Werk aus dem Jahr 2000 auf. Die Wälder, die Rüstungen, die Feuerkugeln der großen Schlacht, die Kampfszenen, selbst der Soundtrack ist auf „Gladiator“ getrimmt.

An diesem hohen Anspruch würde selbst ein Meisterregisseur zwangsläufig zerbrechen. Denn: Nach durchaus starkem Beginn hängt die Spannungskurve zunehmend weiter durch und der Film schafft es einfach nicht mehr, so richtig in die Gänge zu kommen. Woran es liegt, ist schnell ausgemacht: Es mangelt zum einen an starken Protagonisten, wie auch Antagonisten. Michael Fassbender – kampferprobt aus „300“ – ist nett anzusehen und verfügt über beachtliche Muskelpakete. Einem Russel Crowe reicht er aber höchstens bis zu den Kniekehlen. Allzu viel Charakterisierung hat man ihm jedoch ohnehin nicht zugestanden, weshalb er gleich den meisten anderen Figuren blass bleibt und keinerlei Eindruck hinterlässt. Ausgenommen hiervon ist ausgerechnet Olga Kurylenko. Das ukrainische Ex-Model wurde durch ihre Rolle im James-Bond-Film „Ein Quantum Trost“ weltberühmt und liefert eine überraschend körperbetonte Performance – womit jedoch nicht gemeint ist, dass sie sich auszieht, sondern dass sie den Römern gehörig eins auf den Helm gibt. Die Motive ihrer Rache sind nachvollziehbar. Ironischerweise darf sie kein einziges Wort sprechen. Ein Zugeständnis an die Absurdität, eine Ukrainerin als Schottin auszugeben?

Interessant an „Centurion“ ist Neil Marshalls Obsession mit starken Frauenrollen. Was schon in „The Descent“ offenkundig wurde, setzt sich in diesem Historienepos nahtlos fort: Die Aufhebung der Geschlechtertrennung! Starke Frauen benützen hierbei nicht ihre Verführungskünste um Männer schwach zu machen, sondern plätten sie buchstäblich.

Abgesehen davon dümpelt die knapp 100 Minuten lange Produktion über weite Strecken hinweg auf seichtem Niveau dahin. Daran ändert auch die eine oder andere Splattereinlage wenig. Hinter den Bildern verbirgt sich kaum Substanz, die Story hält kaum interessante Konflikte bereit, keine einzige Szene berührt den Zuschauer. Das Ganze wirkt steril und distanziert, als hätte Marshall nach dem ersten Filmdrittel keine große Lust mehr auf die Produktion des Streifens verspürt. Kurzum: Die Stärken aus „The Descent“, vor allem die ausgezeichneten Figurenzeichnungen und die stets bedrohliche Atmosphäre, gehen in „Centurion“ komplett verloren.

So unspektakulär wie der Film selbst fällt auch die Erklärung für das rätselhafte Verschwinden der berühmten Neunten Legion aus. Nach dem Abspann dürfte sich so mancher Zuschauer fragen, ob das nun alles gewesen sei. Der Showdown wird rasch abgehandelt und nach einem nicht gerade unvorhersehbaren Plottwist der Marke „Liebe ist die stärkste Macht auf Erden“ rollen auch schon die Credits über den Bildschirm.

Fazit: „Centurion“ enttäuscht nach gutem Beginn auf ganzer Linie. Nicht, dass das Historienepos gänzlich ungenießbar wäre. Aber aus diesem Stoff hätte gerade ein Neil Marshall wesentlich mehr machen und dem Zuschauer servieren können. Oder anders ausgedrückt: Auf der Leinwand ist der Film schlichtweg zu klein. Für einen launigen Filmabend, wenn im Fernsehen wieder einmal nur Wiederholungen laufen oder Heidi Klums breites Grinsen droht, bietet „Centurion“ akzeptable Unterhaltung.


Darsteller

  • Michael Fassbender … Zenturio Quintus Dias
  • Andreas Wisniewski … Commander Gratus
  • Olga Kurylenko … Etain
  • Dave Legeno … Vortix
  • Dimitri Leonidas … Leonidas
  • Axelle Carolyn … Aeron
  • Dominic West … General Titus Flavius Virilus
  • Noel Clarke … Macros
  • J Feild … Thax
  • Lee Ross … Septus
  • David Morrissey … Bothos
  • Ulrich Thomsen … Gorlacon
  • Ryan Atkinson … Gorlacons Sohn
  • Paul Freeman … Julius Agricola
  • Jake Maskall … Argos
  • Eoin Macken … Achivir
  • Dermot Keaney … Piktenjäger
  • Liam Cunningham … Brick
  • Riz Ahmed … Tarak
  • Imogen Poots … Arianne
  • Dylan Brown … Römische Wache
  • Rachael Stirling … Druzilla
  • Michael Carter … General Antoninus
  • Tom Mannion … General Tesio
  • Peter Guinness … General Cassius

Regie
Neil Marshall

Produktionsland, Jahr
GB, 2010

Centurion Trailer



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