Ein Quantum Trost

Ein Quantum Trost
James Bond ist mehr als bloß eine Filmfigur: James Bond ist ein Mythos. Und wie jeder richtige Mythos verbirgt auch dieser seine wahre Gestalt wie ein Chamäleon. Sean Connery, Roger Moore, George Lazenby, Timothy Dalton, Pierce Brosnan und Daniel Craig. Sie alle verkörperten die Figur des britischen Geheimagenten, ohne ihr ein exakt definiertes Profil zu verleihen.Und doch war allen Bond-Filmen eines gemeinsam: Die Markenzeichen der Serie, wie etwa schnittige Wagen, schöne Frauen, exotische Schauplätze, fiese Schurken und einiges mehr. Ob das wohl auch wieder so in „Ein Quantum Trost“ ist?

Mit Daniel Craig erfolgte eine Art Relaunch der Bond-Serie. Ob wir uns von Craigs zweitem Bond-Ausflug namens „Ein Quantum Trost“ gerührt fühlen oder uns schütteln sollten, verrät diese Kritik, die sich garantiert nicht von selbst vernichtet.

Ein Quantum Rache
Nach einer wilden, actionreichen Autoverfolgungsjagd gelingt es Bond (Daniel Craig), Mr. White (Jesper Christensen) im italienischen Geheimquartier des MI6 abzuliefern. Doch aus dem geplanten Verhör wird nichts: Ein bislang untadeliger Mitarbeiter des britischen Geheimdienstes zückt plötzlich seine Waffe und beginnt, auf Bond und M (Judi Dench) zu schießen. Zwar gelingt es Bond den Verräter zur Strecke zu bringen, aber Mr. White hat die Verwirrung zur Flucht genutzt.

Dafür gelingt es ihm, sich an die Fersen der titelgebenden Organisation „Quantum“ des skrupellosen Geschäftsmanns Dominic Greene (Mathieu Amalric) zu heften, die er hinter der Ermordung seiner Geliebten Vesper (Eva Green) vermutet. Abseits seiner Rachgelüste stößt er auf ein Komplott, das ganz Bolivien in seinen Grundfesten erschüttern könnte …

Ein Quantum Rost
War bereits Craigs Bond-Debüt „Casino Royal“ (2006) nur mit sehr viel gutem Willen und Zudrücken sämtlicher Körperteile noch halbwegs als James-Bond-Film erkennbar, so löst sich der mittlerweile 22. offizielle Bond-Film komplett von sämtlichen Konventionen der Filmreihe. Zwar mögen diese Konventionen im 21. Jahrhundert zum Teil arg antiquiert und rostig anmuten – etwa das vermittelte Frauenbild oder der schier unfehlbare Held -, doch werden Kenner und Fans der Serie mehr als befremdet auf die Veränderungen reagieren.

Ein Quantum Beliebigkeit
Veränderungen, die leider in die falsche Richtung zielen. Dass Daniel Craig der erste Blond-Bond ist – geschenkt.
Jedoch hat der aus Deutschland stammende Regisseur Marc Forster fast alle Assoziationen mit dem bekannten Bond-Bild aus der Handlung entfernt. Dies beginnt bei Petitessen wie dem Verzicht auf eine bestimmte Automarke, setzt sich über die völlige Humorabsenz fort und endet schließlich bei einem abrupten Schluss ohne obligatorische Andeutung einer weiteren Liebesnacht des Geheimagenten.

Der „neue“ Bond ist kein Filmereignis mehr, dem man ungeduldig entgegenfiebert, sondern – man muss es leider so hart ausdrücken – ein Actionfilm von der Stange, wie sie jedes Jahr zu dutzenden in die Kinos gelangen.

Ein Quantum MTV auf Speed
Bereits die ersten Minuten des Streifens machen klar, was den Zuschauer erwartet. Im Sekundentakt wird geschossen, geblutet und vor allem geschnitten. Was sich auf der Leinwand abspielt, ist im Detail unmöglich zu erkennen. Unentwegt wird das Auge mit Bildern überfrachtet, bis es kapituliert und das Geschehen bloß noch als bunten Actionmix wahrnimmt und keinerlei Beziehung mehr zwischen den einzelnen Szenen herzustellen vermag.

Und um es vorweg zu nehmen: An dieser Methode, dem Zuschauer die Handlung schnitttechnisch mehr oder weniger vorzuenthalten, ändert sich im Laufe der nur rund 100 Filmminuten nichts.

Ein Quantum Ohrensausen
Eine beibehaltene Tradition ist hingegen der Titelsong. Dieser wird zum ersten Mal in Form eines Duetts von Alicia Keys und Jack White abgeliefert und nennt sich „Another Way to die“. Ein Musikstück, das nicht nur aufgrund des Titels an Madonnas „Die another Day“-Titelsong erinnert, sondern vor allem deshalb, weil es ähnlich missraten, unrhythmisch und atonal klingt. Seit Tina Turners „Goldeneye“ leider ebenso Tradition.

Ein Quantum Langeweile
Obwohl „Ein Quantum Trost“ die für einen Bond-Film magere Laufzeit von knapp 100 Minuten aufweist, wollen diese schier nicht enden. Dies liegt vor allem an der banalen Handlung: Fieser Geschäftsmann möchte das Geschäft seines Lebens machen.
Zugegeben: Auch ältere Bond-Streifen zeichneten sich nicht durch anspruchsvolle, extrem clevere Plots aus.
Was „Ein Quantum Trost“ im Gegensatz dazu jedoch fehlt, sind sowohl ein beeindruckendes Bedrohungsszenario, als auch ein würdiger Antagonist. Mathieu Amalric wirkt als Dominic Greene kaum furchteinflößender als ein abgelaufener Schokoriegel.
Und ob man den Plan, Wasser teuer an die Bevölkerung eines kleinen südamerikanischen Landes zu verkaufen, als grandioses Schurkenstück bezeichnen kann, wage ich zu bezweifeln.
Ach hierbei gilt: Kein Vergleich zu drohenden Atomkriegen oder Schurken wie Dr. Blofeld.

Ein Quantum Humorlosigkeit
Wer beim neuen Bond Humor oder feine Ironie sucht, wird ebenfalls nicht fündig werden. Der wortkarge Daniel Craig verkörpert mehr einen impulsiven Schlägertyp, als einen feinsinnigen Gentleman-Agenten.
Einzige – unfreiwillige? – Humoreinlage: Eine Hommage (?) an die mit reinem Gold überzogene Leiche in „Goldfinger“. In „Ein Quantum Trost“ ist es hingegen kein Gold, sondern plumpes Öl, mit der eine von Bonds Bettgespielinnen überzogen wurde.
Anschaulicher kann man den Unterschied zwischen einem Meisterwerk wie „Goldfinger“ und einem öden Actionreißer wie „Ein Quantum Trost“ optisch kaum herausstreichen.

Resultat: Der neue Bond!
Bekanntlich sollte man allem eine gute Seite abgewinnen. Bei einem solchen Machwerk fällt dies jedoch schwer. „Ein Quantum Trost“ ist völlig uninspiriertes, hektisches, belangloses Dauergedröhne ohne Sinn und Verstand.

Den geringsten Vorwurf trifft dabei Daniel Craig: Er verkörpert seine Rolle des eiskalten Killers James Bond perfekt und empfiehlt sich für großes Actionkino.

Überdies hinaus stellt sich die Frage, ob James Bond tatsächlich einen „Neustart“ benötigte, noch dazu einen, der den ganzen Mythos völlig zerfleddert. Vielmehr drängt sich der Verdacht auf, ganze Generationen von Bond-Fans bewusst vor den Kopf zu stoßen, um jüngere Kinogänger-Scharen, die mit Q, Roger Moore & Co. nichts am Hut haben, zu befriedigen.
Finanziell wird sich dieser Schritt zweifellos lohnen. Doch während Bond-Streifen wie „Goldfinger“ zu Recht Kultstatus genießen, wird „Ein Quantum Trost“ genau so wie „Casino Royal“ rasch mehr oder weniger in Vergessenheit geraten.

In diesem Sinne wollen wir ein letztes Mal unser Martini-Glas auf den Mythos Bond erheben, uns ob des Gezeigten schütteln vor Ekel, und Tränen der Rührung beim bloßen Gedanken an Connerys und Moores Bond-Verkörperungen verströmen.


Darsteller

  • Daniel Craig … James Bond
  • Olga Kurylenko … Camille
  • Mathieu Amalric … Dominic Greene
  • Judi Dench … M
  • Giancarlo Giannini … Rene Mathis
  • Gemma Arterton … Strawberry Fields

Regie
Marc Forster

Produktionsland, Jahr
USA / GB 2008

Ein Quantum Trost Trailer

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