Hautnah – Closer

Hautnah - CloserSo erfreulich der Umstand auch sein mag, dass ein Hollywood abseits zwischen Reißbrett und Marktforschung entworfener Blockbuster existiert, rechtfertigt dies jedoch keineswegs die Verletzung der obersten Filmmaxime: Du sollst dein Publikum nicht langweilen! Exakt dies muss man aber der Verfilmung des Theaterstücks Closer vorwerfen, die eher an eine auf Hochglanz polierte, entsetzlich öde Soap Opera mit grauenhaften Dialogen erinnert, denn an eine interessante Charakterstudie, die durchaus möglich gewesen wäre.

Der Plot ist minimalistisch: Die Stripperin Alice (Natalie Portman) verliebt sich in den – natürlich erfolglosen – Schriftsteller Dan (Jude Law), der wiederum in die Fotografin Anna (Julia Roberts) verliebt ist. Als diese den Dermatologen Larry heiratet, beginnt eine Affäre zwischen ihr und Dan, was zu diversen „Bäumchen wechsle dich“-Romanzen führt.

Die Probleme des Films sind augen und -ohrenscheinlich: Überträgt man ein Kammerspiel auf das Medium Film, sollte man in der Ausführung konsequent bleiben. Hervorragende Beispiele sind der deutsche Film „Der Totmacher“ (mit einem exzellenten Götz George), der fast ausschließlich in einem einzigen (!) Zimmer spielt und von den (hervorragenden) Darstellerleistungen lebt, oder der faszinierende holländische Fernsehfilm „Das Interview“ vom 2004 erschossenen, umstrittenen Regisseur Theo van Gogh, der gleichfalls auf lediglich zwei Schauspieler und einen Raum zurückgreift.

So ganz schien Mike Nichols (unter anderem „Die Reifeprüfung“) der konsequenten Adaptierung nicht getraut zu haben, weshalb der Film durch die Platzierung ins London der Gegenwart im Kontext der „realen“ Umgebungen völlig fremd wirkt. Warum? Weil die Dialoge im Minikosmos des Theaters (oder eines isolierten Kammerspiels) durchaus ihre Berechtigung haben, an Schauplätzen wie einem Striptease-Klub oder einem Krankenhaus jedoch absolut lächerlich wirken.

Bereits nach den ersten Dialogzeilen wird man von einer Frage bedrängt: „Wer, bitteschön, redet denn auf diese Weise?“
Geschliffene, pointierte Dialoge begrüße ich; aber in diesem Film vermeint man, das Rascheln von Sandpapier zu vernehmen, wie es wieder und immer wieder 99 Prozent aller Sätze poliert.
Genau so steril und weltfremd präsentieren sich die Protagonisten selbst: Der gescheiterte, smarte Schriftsteller, die provokante Stripperin, die sich im Grunde ihres Herzens nur nach Liebe sehnt, die depressive Fotografin, der perverse Arzt. Und sobald dieses Quartett aus Klischeetopia den Mund öffnet, quillt unerträgliches Pathos-Gesülze hervor.

Die eingestreuten, rhetorischen Obszönitäten können eventuell in den USA für Entsetzen und den Vorwurf der Pornographie (!) sorgen. In hiesigen Breiten lässt sich damit kein Skandälchen mehr entfachen.

Genau so steif und blass wie die Figuren selbst ist die Inszenierung geraten: Die Kamera konzentriert sich auf die Darsteller, was im Sinn der Sache liegt. Trotzdem hätte man die Chance ergreifen können, in einigen Szenen verschiedene Perspektiven oder Kamerafahrten anzubieten. Etwa, wenn sich zwei Protagonisten emotional entfernen oder zueinander finden.
Stattdessen langweilt die extrem konservative Regie genau so wie die Dialoge.

Das i-Tüpfelchen auf der schwachen Inszenierung bildet die plumpe Zeitschiene: Fröhlich werden mal eben ein paar Jahre übersprungen, was von den Figuren beiläufig erläutert wird. Ich bin mir ziemlich sicher, dass man diese Zeitsprünge auf etwas elegantere Art hätte erklären können.

Widmen wir uns deshalb den Darstellern, die mit Preisen überhäuft wurden. Um es kurz zu machen: Nach welchen Kriterien hierbei gemessen wurde, entzieht sich meinem Verstand. Verausgabt hat sich jedenfalls keiner aus der Schauspielerriege. Vermutlich hat Natalie Portman für die Entblößung ihrer Heckansicht, sowie den häufigen Perückenwechseln (höchstens noch übertroffen von Chers Anatomie-Korrekturen) einen „Golden Globe“ gewonnen. Verdient hat sie ihn sich mit der Darstellung selbst wohl kaum, auch, wenn sie noch mit Abstand die beste Performance des Films bietet.

Was nicht wirklich schwierig war. Julia Roberts begnügt sich mit ihrer reduzierten mimischen Ausstrahlung, da es im Film nicht viel zu lachen (respektive „breit lächeln“) gibt.

Jude Law kann es vermutlich besser als in „Hautnah“.

Clive Owen vermutlich nicht, dessen ständiges, sardonisches Grinsen und seine Lektionen in Sachen „Overacting“ bereits nach wenigen Szenen nerven.

Irgendeinen tieferen Sinn konnte ich dem Film nicht entnehmen. Ja, es geht um Entfremdung, um Liebe, um Verlangen.. Doch was nützt dies, wenn ich als Zuschauer beim Anschauen fast einschlafe, weil die Dialoge völlig abstrus sind, ebenso wie die Handlungen der Akteure selbst?
Binnen weniger Sekunden entwickelt sich die große Liebe und ist doch eben so rasch wieder dahin. Das „Warum“ spielt anscheinend keine Rolle.

Vielleicht wäre der Film glaubwürdiger, hätte man ihn nicht völlig mit Sprüchen aus dem Pathos-Lexikon überladen und sich mit einem ungleich kürzeren Zeitraum beschäftigt. In der vorliegenden Fassung handelt es um einen weltfremden, öden Streifen, der jegliches Potenzial, das in den Konflikten steckt, verschenkt.

Darsteller

  • Julia Roberts
  • Jude Law
  • Natalie Portman
  • Clive Owen

Regie
Mike Nichols

Produktionsland, Jahr
USA, 2004

Hautnah/Closer Trailer

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Ein Kommentar

  1. naja… dann schalte lieber RTL am nachmittag ein.
    Ich für meinen Teil haben selten ein tiegründigern film als dieses meisterwerk gehsen

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