Bad Luck banging or Loony Porn Kritik

Bad Luck banging or Loony Porn

Bukarest im Jahr der Corona-Krise: Eigentlich wollten Emi Cilibiu (Katia Pascariu) und ihr Mann nur etwas Spaß haben, als sie ihr kleines privates Sexvideo drehten. Doch der Schreck sitzt tief, als klar wird, dass das gefilmte Schäferstündchen auf einer öffentlich zugänglichen Pornoseite hochgeladen wurde. Und dass die beiden „Hauptdarsteller“ trotz Maske zu erkennen sind. Für Emi könnte es das Ende ihrer beruflichen Karriere als Lehrerin bedeuten. Und tatsächlich landet der Privatporno wenig später auf den Smartphones einiger Schüler. Fortan muss sich Emi mit geschockten Eltern, konservativen Geistlichen und engstirnigen Lehrerkollegen herumschlagen.

„Bad Luck Banging or Loony Porn“ sorgte Anfang des Jahres in der Film- und Medienwelt für gehörig aufsehen, als der rumänische Regisseur Radu Jude mit dem Goldenen Bären den Hauptpreis der diesjährigen, 71. Berlinale gewann. Es war Judes zweite Einladung zu dem renommierten Filmfestival. Judes in drei Teile untergliederter Mix aus Sozialsatire, Gesellschaftskritik, Drama und Komödie entstand an Originalschauplätzen in Bukarest.

Dem Verfasser dieser Zeilen und Rezensenten ist kein Film in Erinnerung, der unserer modernen Gesellschaft so radikal den Spiegel vorhält und unsere Lebensweise so bitterböse und schwarzhumorig hinterfragt. Dabei dient der Plot um den ins Internet gelangten Porno nur als Aufhänger für Judes ätzende, rücksichtlose aber so treffende filmische Kritik.

Ordnung und Struktur erzeugt die Unterteilung in die drei Kapitel, von denen sich vor allem das erste auf nahezu alle Gesellschaften und „westlichen“ Lebensweisen in unserer modernen, technologisch fortschrittlichen Welt übertragen lässt. Und eben nicht nur auf Rumänien und das Leben dort. Ihr Fett weg bekommen schlecht gelaunte und gestresste Großstädter, SVU-Fahrer in ihren viel zu großen Autos, ungeduldige sowie gehetzt wirkende Konsumenten in der Supermarktschlange und von einer Pandemie geplagte Menschen, die es mit den Corona-Regeln nicht allzu genau nehmen – und die Maske auch schon mal unter der Nase tragen. Hinzu kommt die Kritik an der Dauerpräsenz und Macht der sozialen Medien.

Im zweiten Kapitel konzentriert sich Jude dann verstärkt auf die Geschichte und Bevölkerung Rumäniens, in dem er in einer Art Lexikon verschiedene Begriffe, Ereignisse, Personen und Themen von A bis Z präsentiert, die für die Kulturgeschichte, Historie und Entwicklung des Landes von prägender Bedeutung waren und sind. Darunter der langjährige Diktator Ceausescu, der Nationaldichter Eminescu oder auch die rumänische Revolution – jene Abfolge von Kundgebungen und Demos im ganzen Land am Ende des Jahres 1989, die schließlich zur Absetzung des autokratisch und menschenfeindlich regierenden Despoten Ceausescu führten.

Im Stile eines kammerspielartigen „Freiluft“-Gerichtsfilms (die „Anhörung“ muss aufgrund der Covid-Maßnahmen im Schulhof abgehalten werden) setzt Jude Emi dann auf die Anklagebank und kehrt zur Kernhandlung zurück, wenn er sie mit den aufgebrachten Eltern konfrontiert. Auf süffisante und hintersinnige Weise lässt Jude jeden Vater und jede Mutter eine bestimmte Geisteshaltung und weltanschauliche Ansicht stellvertretend darstellen. Oder politische Meinung. Die Eltern fungieren damit als Spiegelbild der rumänischen Gesellschaft.

Fazit: Kluger, vergnüglicher und mit ironischer Leichtigkeit inszenierter Blick auf das Leben im 21. Jahrhundert und eine durch ihre eigene (jüngere) Geschichte traumatisierte Gesellschaft. Ebenso makaber wie pointiert.

Bewertung: 10/10

Diese Filmkritik schrieb unser Redakteur Björn Schneider.

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