High Tension Filmkritik

High Tension Filmkritik
Was in den letzten Jahren aus Frankreich in Sachen Action und Horror auf den Filmmarkt drängte, verdient höchsten Respekt. Auch wenn naturgemäß nicht sämtliche Produktionen zu überzeugen vermögen, zeichnen sich viele davon zumindest durch Mut zur Originalität oder munterem Grenzenüberschreiten aus. Attribute, die Hollywood zunehmen abhanden kommen.

Einer dieser mutigen neuen Franzosen ist der 1978 in Paris geborene Alexandre Aja (ob er sich den Weg selber bahnte oder doch von Ärzten aus dem Mutterleib gezogen wurde, ist mir nicht bekannt; verwundern würde mich bei diesem Mann gar nichts). Sein „High Tension“ war gleichsam die Eintrittskarte für Hollywood, wo er mit dem Remake des Wes-Craven-Klassikers „The Hills Have Eyes“ für Furore sorgte. Dabei verdient auch sein erster großer Erfolg jene gespannte Aufmerksamkeit, die wir ihm nachfolgend widmen wollen.

Wenn nachts ein Fremder klingelt, besser nicht aufmachen
Für die beiden eng befreundeten Studentinnen Alex (Maïwenn Le Besco) und Marie (Cécile De France) stehen stressvolle Prüfungen an. Um in Ruhe lernen zu können, fahren sie zu Alex’ Eltern, die auf dem Land ein altes Bauernhaus gekauft und restauriert haben. Neben ihren Eltern bewohnt auch ihr kleiner Bruder das idyllisch gelegene Anwesen. Nach dem freundlichen Empfang macht es sich Marie im Bett gemütlich.

Spät abends wird sie durch energisches Klingeln an der Haustür aufgeschreckt. Alex’ Vater (Andrei Finti) öffnet einem Fremden die Tür – ein schlimmer Fehler! Denn der korpulente Mann erweist sich als handfester Psychopath und schlägt den Hausherrn nieder. Wenig später köpft er ihn sogar und widmet sich fortan den weiteren Familienmitgliedern. Er trennt Alex’ Mutter (Oana Pellea) die Halsschlagader durch, erschießt den kleinen Tom und fesselt und knebelt Alex. Nur Marie entkommt ihm, da sie sich geschickt versteckt, und verspricht ihrer Freundin, sie zu befreien.

Doch der Killer hat längst andere Pläne gefasst und verfrachtet die hilflose Alex in den Laderaum seines Kleintransporters, weshalb sich Marie notgedrungen ins Gefährt hineinschmuggeln muss. An einer Tankstelle füllt der Psychopath den Tank auf, was Marie nutzt, um den Tankstellenangestellten um Hilfe zu bitten. Leider betritt genau in diesem Moment der Mörder das Gebäude …

„High Tension“: Hochspannung für Hartgesottene!
Alexandre Ajas Film wiegt den Zuschauer zu Beginn in Sicherheit, indem er harmloses Geplänkel zwischen den beiden Freundinnen und die Ankunft auf dem ehemaligen Bauernhof von Alex’ Eltern schildert. Zwar folgen zwei etwas verstörende Szenen, doch so richtig geht die Post erst mit dem Eintreffen des mysteriösen Killers ab. Dieser hält mit seinen abartigen Neigungen nicht lange hinterm Berg, sondern massakriert fast die gesamte Familie. Nur Alex verschont er, aus Gründen, die vorerst unklar bleiben, später jedoch erklärt werden.

Da sich die Anzahl der Getöteten in überschaubaren Grenzen hält, schockiert nicht die Quantität, sondern die Qualität der Morde. Beispielsweise wird in der vielleicht ekelhaftesten Szene des ganzen Films eine Axt in einen Brustkorb getrieben. Dem nicht genug bewegt der Mörder das Mordwerkzeug auf und ab, was zum deutlich hörbaren Krachen der Knochen führt. Eine geradezu Schmerzen verursachende Tötungsszene, die noch dazu ansatzlos erfolgt.

Ein leitendes Motiv bildet das Starren toter Augen. Immer wieder wird Marie mit diesem schrecklichen Anblick konfrontiert, was im Zuschauer ambivalente Gefühle auslöst. Einerseits fühlt man mit der jungen Frau mit; andererseits stellt sich die – moralinsaure – Frage, ob sie das Entsetzliche nicht hätte verhindern können.

Egal: „High Tension“ macht seinem Namen alle Ehre und legt nach betulichem Beginn enormes Tempo vor. Erfreulicherweise kann der Splatterstreifen diese Geschwindigkeit mühelos halten, verlangt dem Betrachter jedoch Magenstärke ab. Zart besaiteten Gemütern sei vor dem Konsum von „High Tension“ tunlichst abgeraten. Selbst Hartgesottene könnten in der einen oder anderen Szene an ihre persönlichen Ekelgrenzen stoßen.

Fragwürdiger Plottwist
Wenn „High Tension“ eine Schwäche besitzt, dann ist es der Plottwist. Dieser erweist sich als schwer zu schlucken bzw. zu akzeptieren. Jeglicher Hinweis darauf verbietet sich, um den Filmgenuss nicht zu verderben. Deshalb nur so viel: Nach Filmende ergeben sich einige Fragen, die nur mit sehr viel Phantasie zu beantworten sein dürften. Positiv zu vermerken ist aber, dass andererseits manche Szenen rückblickend plötzlich eine völlig neue Deutungsebene gewinnen, wie es etwa „Memento“ höchst kunstvoll zelebrierte.

Lobende Worte verdient auf jeden Fall der ausgezeichnete Score, der unter anderem von „Muse“ stamm. Nicht unterschlagen werden dürfen die darstellerischen Leistungen. Vor allem Cécile De France liefert in ihrer Rolle als Marie eine ungemein packende Performance ab und erinnert mit ihrem burschikosen Auftreten ein bisschen an eine junge Michelle Rodriguez.

Über die Spezialeffekte muss man hingegen keine großen Worte verlieren. Außergewöhnliche Kreativität war bei den Splatterszenen nicht gefragt. Etwas Zurückhaltung beim Einsatz des Kunstblutes wäre hingegen kein Fehler gewesen. Wenn etwa aus einem Armstumpf schier endlos Blut strömt, leidet die Glaubwürdigkeit des Filmes unter derlei Klischees.

Fazit: „High Tension“ ist ein Hochgeschwindigkeitszug des Horrors und Splatter. Einfach wunderbar, wie wenig sich Alexandre Aja – der während des Drehs erst 25 Jahre alt war! – um irgendwelche Tabuverstöße kümmerte und sein Konzept eines modernen Horrorthrillers konsequent verfolgte. Das Ergebnis stößt mit Sicherheit vielen sauer auf. Doch so abgedroschen es auch klingen mag: Zum Glück ist dem so! Lieber Filme mit Ecken und Kanten, als geschmeidige Ware vom Fließband, die niemandem weh tut.


Darsteller

  • Cécile De France … Marie
  • Maïwenn Le Besco … Alex
  • Philippe Nahon … Killer
  • Franck Khalfoun … Jimmy
  • Andrei Finti … Alex’ Vater
  • Oana Pellea … Alex’ Mutter
  • Marco Claudiu Pascu … Tom
  • Jean-Claude de Goros … Polizist
  • Bogdan Uritescu … Polizist
  • Gabriel Spahiu … Autofahrer

Regie
Alexandre Aja

Produktionsland, Jahr
Frankreich, 2003

High Tension Trailer



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