Humor ist ja bekanntlich Geschmackssache. Auf wohl wenige Komiker trifft das noch stärker zu als auf den Kandier Tom Green. Sein Repertoire bewegt sich stets auf dem schmalen Grat zwischen Genialität und peinlicher Darbietung. Immerhin schaffte er es auf dieser Weise zu seiner eigenen MTV-Show und einigen Filmauftritten, wobei sein leider viel zu kleiner Part in „Road Trip“ zum Höhepunkt seines filmischen Schaffens zu zählen ist.
Wie er sich in „Freddy Got Fingered“ erfährt man hier
Mit vorliegendem Epos, bei dem er sogar Regie führte, gelang ihm immerhin der Gewinn von nicht weniger als fünf „Goldenen Himbeeren“ – die er höchstpersönlich abholte und sich in seiner „Dankesrede“ zutiefst gerührt zeigte. Schon daran kann man ermessen, dass diesem Mann wahrlich nichts zu peinlich oder zu unangenehm ist, um es nicht durch den Kakao zu ziehen.
Aber hat es dieser Film, der von CNN als „The worst movie ever released by a major studio in Hollywood history“ bewertet wurde, tatsächlich verdient, ausschließlich Ablehnung zu erfahren?
Zugegeben: Plottechnisch gibt der Film im Grunde wenig her. Tom spielt den Cartoonisten Gord, dessen Cartoons völlig zusammenhanglos sind und keinen Sinn ergeben, der aber dennoch in Hollywood groß rauskommen möchte.
Gord lebt noch bei seinen Eltern, verkörpert von Rip Torn als strengem Vater und Julie Hagerty als liebevoller Mutter. Leider ist Gord null Erfolg beschieden – was auch daran liegt, dass sein Vater ihn für einen totalen Versager hält und seinem Bruder Freddy (daraus leitet sich auch der Titel ab) den Vorzug gibt, der ein typisch korrekter, fader Bankangestellter ist.
Zwischendurch verliebt sich Gord in die hübsche Betty und schafft durch puren Zufall den Durchbruch in Hollywood. Plötzlich ist er ein anerkannter Cartoonist mit einem Scheck über eine Million Dollar in der Hand! Und mit Hilfe des Geldes rächt er sich an seinem tyrannischen Vater…
Um es abermals zu betonen: Man muss Tom Greens Humor mögen, um diesen Streifen genießen zu können. In bemerkenswerter Manier schafft es Green, jeglichen guten Geschmack in knapp anderthalb Stunden zu unterminieren.
Da werden Tiere sozusagen „per guter, alter Handarbeit“ befriedigt, es wird an menschlichen Wunden geleckt oder Babys höchst unkonventionell entbunden und die Nabelschnur kurzerhand durchgebissen. Und dies sind nicht einmal die ekelhaftesten Stellen des Films.
Geradezu legendär könnte jene Szene werden, in der Gord auf der Straße einen platt gefahrenen Hirsch findet und sich des Rats eines Studio-Bosses entsinnt: „Du musst deine Figuren zu Leben erwecken … Du musst in sie hineinschlüpfen!“.
Gord nimmt das wörtlich, weidet den Kadaver aus und schlüpft in die Haut des Tieres. Und wird wenig später von einem Truck erfasst.
Ungewöhnlich auch die obligatorische Romanze: In einem Krankenhaus lernt Gord die mehr als hübsche Betty kennen. Zu seiner größten Verblüffung nimmt sie sein Rendezvous-Angebot an. Plötzlich stellt sich heraus, dass sie in einem Rollstuhl sitzt, da sie querschnittsgelähmt ist. Da ist er dann doch, der hintersinnige Witz, der sich über das Schönheitsideal in typischen Filmproduktionen lustig macht.
Genauso wenig schert sich Tom Green um irgendeine Grenzlinie zwischen gutem und schlechtem Geschmack – bei ihm kriegt jeder sein Fett ab.
Und vielleicht liegt darin die Ablehnung begründet, die der Film erfuhr: Dermaßen schonungslos darf anscheinend kein Film gegen „political correctness“ verstoßen und eherne Gesetze der Filmwelt aufweichen.
Schade, denn gerade beispielsweise die Romanze zwischen Cord und Betty ist um vieles ehrlicher, als Tränendrüsen penetrierende Kost à la „Pretty Woman“.
Es bleibt zu hoffen, dass sich Tom Green von diesem Flop nicht entmutigen lässt und auch weiterhin munter durch alle gesellschaftlichen Fettnäpfchen hüpft.
Darsteller
- Tom Green (Gord Brody)
- Rip Torn (Jim Brody)
- Marisa Coughlan (Betty)
Regie
Tom Green
Produktionsland, Jahr
USA, 2001
Freddy Got Fingered Trailer