The Secret Man Kritik

The Secret Man Kritik

Bob Woodward und Carl Bernstein von der renommierten Washington Post, enthüllten mit ihren investigativen Artikeln die „Watergate“-Affäre – und damit die illegalen Machenschaften des US-Präsidenten Richard Nixon. „Watergate“ löste die größte Verfassungskrise in der US-Geschichte aus, die mit dem Rücktritt von Nixon endete. Woodwards und Bernsteins Artikel beruhten dabei zum Großteil auf den geheimen Informationen von FBI-Agent Mark Felt (Liam Neeson), der den Journalisten die brisanten Ermittlungsakten der Bundespolizei zuspielte. Als Geheiminformant „Deep Throat“ ging er in die Geschichte ein. Dabei musste der zweite Mann im FBI hinter Patrick Gray (Marton Csokas) lange mit sich ringen, bis er sich zur Weitergabe der Informationen entschied. Denn er musste sich entscheiden: zwischen der Loyalität gegenüber seinem langjährigen Arbeitgeber oder der Pflicht, die Öffentlichkeit über Nixons Lauschangriff zu informieren.

Der ab Mai 2016 vorwiegend in Atlanta gedrehte Film stellt erstmals den Mann ins Zentrum, ohne den die Enthüllungs-Berichterstattung der beiden Washington-Post-Journalisten nicht möglich gewesen wäre. Mark Felt gab sich der Öffentlichkeit erst 2005 als Informant „Deep Throat“ zu erkennen. Gedreht wurde „The Secret Man“ vom US-amerikanischen Roman-Autor und Filmemacher Peter Landesman, der auch als Journalist (für das „New York Magazine“) tätig ist. Sein Debüt als Regisseur feierte er 2013 mit dem Historien-Drama „Parkland“, das er u.a. mit Zac Efron und Marcia Gay Harden besetzte. Nachdem Hauptdarsteller Neeson viele Jahre vor allem in Actionfilmen zu sehen war („Taken“, „Run all night“), kann „The Secret Man“ auch als seine Rückkehr in Charakterfach gelten.


Es ist eine spannende, interessante Perspektive, die der Film dem Zuschauer eröffnet. Denn hier stehen – im Gegenzug etwa zum Klassiker „Die Unbestechlichen“ (1976) – nicht die beiden Journalisten Bernstein und Woodward im Mittelpunkt, sondern ihr Geheiminformant. Allein dieser Umstand ist einen Blick wert. Zumal der Film mit Liam Neeson über einen bärenstärken Hauptdarsteller verfügt, der Felts innere Konflikte sowie Seelenqualen glaubhaft nach außen kehrt. Zu Beginn tritt er als dem FBI stets loyaler und treu ergebener, stolzer US-Amerikaner auf, der seit 30 Jahren für die Bundespolizei arbeitet. Ein Mann, für den der FBI-Gründer und langjährige Präsident der Behörde, J. Edgar Hoover, ein verehrenswerter Patriot ist.

Sein Weltbild und vor allem sein Selbstverständnis geraten jedoch ins Wanken, als auf Befehl des US-Justizministeriums die „Watergate“-Ermittlungen eingestellt werden sollen. Die Politik will jegliche weitere Untersuchung unterbinden, um einem möglichen Riesenskandal zuvorzukommen. Und der neue, von Nixon höchstpersönlich eingesetzte FBI-Direktor Gray leitet diesen Befehl an seine Ermittler sowie an Felt weiter. Für den Zuschauer, der sich bereits intensiv mit der Thematik um den „Watergate“-Skandals befasste, wird vieles davon nicht neu sein. Doch für den Kinobesucher, der bisher lediglich die journalistische Sichtweise kennt (vor allem durch „Die Unbestechlichen“), bietet „The Secret Man“ durchaus neue Erkenntnisse und erhellende Einblicke in die Machtapparate von Politik und Bundespolizei.

Die wichtigste Frage beantwortet auch „The Secret Man“ nicht: handelte Felt vermutlich aus Rachegefühlen? Denn nach Hoovers Tod galt Felt eigentlich als der künftige erste und wichtigste Mann der Bundespolizei. Doch Nixon schanzte seinem eigenen Gefolgsmann diese Position zu. War also der Wunsch, Rache an Präsident Nixon zu nehmen, die eigentliche Triebfeder hinter Felts Tun und Handeln? Oder reichte er die Ermittlungsakten an Bernstein und Woodward weiter, um die Glaubwürdig- und Unabhängigkeit seines Arbeitgebers nicht gefährden? Da diese Frage bis heute nicht eindeutig geklärt ist und wohl nie vollständig zur Auflösung kommt (Felt verstarb 2008), tut Regisseur Landesmann gut daran, den Verschwörungstheorien nicht noch mehr Nahrung zu geben.

Stattdessen inszeniert er seinen dialog- und wortlastigen, 107-minütigen Film karg, kühl und auf eine gewisse Art fast klinisch steril (dies untermauert noch der inflationäre Gebrauch des Blaufilters). Zu weiten Teilen sieht man gut gekleidete, mächtige und äußerst dominant auftretende Männer, die sich angeregt unterhalten. Das klingt zunächst vermutlich nicht sonderlich spannend, angesichts der Gesprächsinhalte und der politischen Dimension der Affäre, kommt hier jedoch keine Langeweile auf.

Schade sind zwei Dinge: Felts Privatleben sowie das Verhältnis zu seiner Frau (gespielt von Diane Lane) hätten mehr (tiefgründige) Beachtung verdient gehabt. Auch, um den Menschen hinter dem Informanten noch greifbarer und seine Motivationen noch nachvollziehbarer zu machen. Und: der Nebenstrang um Felts ausgebüchste Tochter, die sich aus Wut über die Politik der US-Regierung einer Kommune angeschlossen hat, hat null Mehrwert für den Film und lenkt nur von den eigentlichen, wichtigen Inhalten und Fragestellungen, ab.

Fazit: „The Secret Man“ gewährt spannende, filmisch bis heute sträflich vernachlässigte Einblicke in die Watergate-Affäre aus ungewohnter Perspektive. Die Darsteller sind großartig, die reduzierte, distanziert-kühle Inszenierung passt zur Thematik und den handelnden Figuren. Schade ist, dass Felts Privatleben etwas unter den Tisch gekehrt wird und der Film sich teils in unwichtigen Nebenhandlungen verirrt.


Bewertung: 7/10
Diese Filmkritik schrieb unser Redakteur Björn Schneider.

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