Good time Kritik

Good Time Kritik

Connie (Robert Pattinson) und Nick (Ben Safdie) sind Brüder. Connie fühlt sich für Nick verantwortlich, auch weil dieser geistig behindert ist. Die einzige Familie, die sie haben, ist ihre Großmutter. Ihre Situation verschlimmert sich, als ein Banküberfall der Zwei aus dem Ruder läuft und in der erbeuteten Tasche eine Farbgranate explodiert. Während Connie noch gerade so die Flucht gelingt, wird sein Bruder von der Polizei geschnappt. Auf Rikers Island erlebt er im Anschluss die Gefängnis-Hölle auf Erden. Unterdessen weiß Connie, dass ihm die Zeit davonläuft. Nick ist vor allem aufgrund seiner Behinderung ein leichtes Opfer für die brutalen Knast-Schläger. Da Connie aber nicht über die fehlenden 10.000 Dollar für den Kautionsagenten verfügt, bleibt ihm nichts anderes übrig, als sich in die düstere, gefährliche New Yorker Unterwelt zu begeben. Irgendwann kommt er auf die Idee, Nick einfach aus dem Krankenhaus zu entführen.

Das Neo-Noir-Gangster-Drama zeigt den ehemaligen Teenie-Liebling und „Twilight“-Star Robert Pattinson in einer ungewohnt finsteren Rolle, in der er kaum wiederzuerkennen ist: ausgestattet mit Zottelbart, blonden Haaren und Trainingsjacke, hätte er sich optisch nicht weiter von seiner Figur des makellosen, charismatischen Vampir Edward entfernen können. Inszeniert wurde „Good time“ von den Regie-Brüdern Joshua und Ben Safdie, denen mit „Heaven knows what“ bereits ein filmischer Achtungserfolg gelang. Einen Überraschungserfolg verbuchten die Macher und ihr neuestes Werk auch bei den diesjährigen Filmfestspielen in Cannes: die Safdie-Brüder wurden für die Goldene Palme nominiert, die Leistung von Pattinson mit stehenden Ovationen beklatscht. Gedreht wurde „Good time“ an Originalschauplätzen in New York.


„Good time“ atmet klar den Geist dreckiger, atmosphärischer New-York-Thriller, die gerade in den 70er-Jahren für einige Höhepunkte des amerikanischen Kinos sorgten. Diese Filme visualisierten, ebenso wie „Good time“ hier, den Big Apple als Metropole der Armen, Mittellosen und Kriminellen. Eine Stadt, auf deren Straßen heruntergekommene, zwielichtige Gestalten wandeln, Illegalität, Gewalt und Korruption an allen Straßenecken lauern und jeder um sein eigenes Überleben kämpft. Und so werden beim Betrachten der Vorgänge in „Good time“, automatisch Erinnerungen an Meisterwerke wie „French Connection“ und „Serpico“ oder auch Martin Scorseses New-York-Filme „Hexenkessel“ oder „Taxi Driver“, wach. Und zwar in erster Linie ab dem Zeitpunkt, ab dem Connie in die Unterwelt des Großstadt-Molochs hinabsteigt und geradewegs in einen Strudel aus Gewalt gerät.

Darüber hinaus befasst sich der Film aber auch noch mit einem anderen Thema, das die Safdies mit großem Gespür und genauem Blick für die flüchtigen Momente des Alltags, einfangen: einem Leben in sozial schwierigen, prekären Verhältnissen. Ein hartes Leben, durch das sich auch Connie und Nick in „Good time“ kämpfen. Sie führen ein Dasein im (sozialen) Abseits, am Rande der Gesellschaft. Die Safdies zeichnen ihre Filmfiguren (allen voran Connie) dabei glücklicherweise sorgfältig und legen sie vielschichtig an. Dies hat zur Folge, dass Mitgefühl beim Zuschauer entsteht. Und: teilweise Verständnis für die Protagonisten und ihre (illegalen) Taten. Wollen Connie und Nick doch in erster Linie nur eins: Überleben.

Dennoch und obwohl Hauptfigur Connie erwähnte Tiefgründigkeit aufweist, wäre es wünschenswerten gewesen, hätten die Safdies dem Zuschauer dann vielleicht doch noch die ein oder andere drängende Frage seine Person betreffend, beantwortet. So weiß man z.B. nicht genau, was Connie innerlich so antreibt (außer dass er seinen Bruder nach dem misslungenen Banküberfall im Stich gelassen hat) oder was in seinem früheren Leben passiert ist.

Schade ist auch, dass den Frauenfiguren im Film (z.B. der Großmutter oder Connies Freundin), nicht mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird. Sie dienen nur als Stück- bzw. Beiwerk und sobald sie ihre Pflichten als Stichwortgeber erfüllt haben, kommt ihnen dramaturgisch nur noch eine untergeordnete bis gar keine Rolle mehr zu. Zumal es jene Charaktere sind, die unter den immer neuen Taten und Einfällen von Connie, seinen Bruder doch noch irgendwie aus der misslichen Lage zu befreien, mit am meisten zu leiden haben. Für diese Schwächen entschädigen jedoch drei gewichtige Pluspunkte des Films: die Vielfalt der Lichtgestaltung und Ausleuchtung, die aufwendige Montage und der rasante Schnitt. Gerade die Energie der durch den Schnitt erzeugten impulsiven Bilderfolgen, verleiht dem Werk eine beklemmende, druckvolle Eigendynamik.

Fazit: Musik, Schnitt und Montage erzeugen bei diesem fiebrigen Trip in die New Yorker Unterwelt eine mitreißend-stürmische, ganz eigene Dynamik und Energie. Gelungen sind auch die realistischen Einblicke in die Lebensrealitäten der Hauptfiguren. Schade hingegen sind die Vernachlässigung der weiblichen Charaktere und die fehlenden Informationen zum Hauptprotagonisten.


Bewertung: 6/10

Diese Filmkritik schrieb unser Redakteur Björn Schneider.

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