Einst galten die Japaner als Großmeister des Kopierens westlicher Technologie. In den letzten Jahren indes etablierte sich Hollywood als wahre Kopieranstalt erfolgreicher ausländischer Filme. Kaum ein nicht-amerikanischer Kassenschlager, der nicht wenig später für den US-Markt adaptiert worden wäre. Es nimmt deshalb wenig Wunder, dass mit „The Ring“ ein weiteres Remake, diesmal jenes eines japanischen Kultfilms, ins Rennen um den höchsten Profit geworfen wurde.
„Before you die, you see the ring“ – Bevor du stirbst, siehst du den Ring. So lautete der Untertitel von „The Ring“. Ob dieser hoffnungslos übertreibt oder sein Versprechen einlösen kann, wollen wir im Folgenden ergründen, ohne uns mit dem Umb-ringen drohen zu lassen …
One ring to kill them all
Irgendwo in einem ganz normalen amerikanischen Haus: Zwei Teenie-Mädchen albern herum, bis eines der beiden mit einer gruseligen Geschichte aufwartet. Sie habe ein Furcht einflößendes Video gesehen, das den Betrachter sieben Tage später eines schrecklichen Todes sterben lasse, nachdem man einen mysteriösen Telefonanruf erhalten habe. Tatsächlich wird das Teenie-Mädchen wenig später von ihrer Freundin tot aufgefunden.
Die leidlich erfolgreiche Reporterin Rachel Keller (Naomi Watts) beschließt herauszufinden, was es mit dem unheimlichen Video auf sich habe, zumal sich bizarre Todesfälle unter Jugendlichen zu häufen scheinen. Allesamt haben sie das Video gesehen, von welchem Rachel eine Kopie in Besitz bringen kann. Ihr ehemaliger Freund Noah (Martin Henderson) glaubt zunächst nicht an irgendwelche übernatürlichen Kräfte, die mit dem Video verbunden seien. Doch als ihr gemeinsamer Sohn Aidan (David Dorfman) aus Neugier das Video ansieht und wenig später das Telefon klingelt, sagt er Rachel jegliche Hilfe zu, um den Jungen zu beschützen. Was keiner von ihnen weiß: Das Rätsel, das hinter dem Video steckt, ist weitaus komplexer und schrecklicher, als zunächst angenommen …
Play it again, Gore!
Es ist durchaus streitbar, ob es sich um besonderen Mut oder nur Einfallslosigkeit handelte, mit „The Ring“ ein Remake des bis dato erfolgreichsten japanischen Filmes überhaupt zu produzieren. Zudem wurden dem damals wenig bekannten Gore Verbinski („Fluch der Karibik“) die Regie anvertraut und die Hauptrolle mit Naomi Watts besetzt, die keinesfalls dem typischen Erscheinungsbild einer Teenie-Slasher-Protagonistin entsprach. Konnte das gut gehen?
Die Anzahl der gelungenen oder zumindest nicht völlig missglückten Remakes von Horrorfilmen lässt sich vermutlich an einer Hand abzählen. Und „The Ring“ zählt zu diesen höchst seltenen Ausnahmen geglückter Remakes! Dies liegt an mehreren Faktoren.
Zum einen weiß das Drehbuch vollends zu überzeugen. Befürchtet man zu Beginn des Filmes noch, einem überraschungslosen, vorhersehbaren Teenie-Slasher-Szenario aufgesessen zu sein, nimmt der Film bereits nach wenigen Minuten eine dramatische Wendung. Zwar handelt es sich um eine Schlüsselszene, die Rachel Kellers Nachforschungen erst in Gang bringen. Doch auf die üblichen Verdächtigen in solchen Filmen – Dreißigjährige, die High-School-Schülerinnen spielen, hirnverbrannte Mordmotive, unfähige Cops – verzichtet „The Ring“ dankbarerweise komplett und setzt stattdessen auf einen hypnotischen Spannungsbogen, der den Zuschauer gefangen nimmt und bis zum Schluss nicht mehr loslässt.
Statt Bächen an Blut oder in Innereien wühlenden Kannibalen serviert Verbinski klug gesetzte, nur wenige und dadurch umso effektivere Schockmomente, die den Zuschauer mitunter völlig unerwartet treffen. Die in namenlosem Grauen verzerrten Fratzen der vom Video-Fluch Ermordeten erinnern wohl nicht zufällig an Edvard Munchs berühmtes Gemälde „Der Schrei“: Ihre Todesqualen klingen lautlos, aber vibrierend in der Gegenwart nach. Und exakt diese Vibrationen sind es, die die Story im Laufen halten.
Watts up?
Star des Filmes ist ganz klar die charismatische Naomi Watts. Trotz ihrer Attraktivität wirkt sie in ihrer Rolle als gestresste Mutter, die Karriere, geschiedene Ehe und hypersensiblen Sohn unter einen Hut bringen muss, in jeder Sekunde glaubwürdig. Das Drehbuch vermeidet es klugerweise auch, aus ihr eine plötzlich mit übermenschlichen Kräften ausgestattete Superfrau zu machen, wie es leider in allzu vielen Horrorfilmen mittlerweile der Fall geworden ist. Völlig zu Recht gilt Naomi Watts als eine der besten Schauspielerinnen der Gegenwart.
Ebenso glaubwürdig agiert auch Martin Henderson als Ex-Mann Noah, der sich redlich bemüht, seinem Sohn trotz der Trennung von Rachel ein guter Vater zu sein.
Einzig David Dorfman vermag als Rachels und Noahs Sohn Aidan nicht gänzlich zu überzeugen: Zu kühl und abgeklärt wirkt er als vom Bösen bedrohtes Kind.
Das Grauen trägt Blau
Verbinskis extrem flüssige Kameraführung wird durch die Farbgebung atmosphärisch unterstützt. Blautöne dominieren die Szenen und tragen somit zum düsteren und kalten Ambiente bei, was sogar stärker wirkt, als die in Horrorfilmen beliebten Nachtszenerien. Manche Einstellungen gemahnen gar an Gemälde, dermaßen ausdrucksstark fokussiert Verbinski das Element des Unheimlichen, etwa, wenn er den Archetyp des abgelegenen Farmhauses mit Gewitterwolken unterstreicht.
Der titelgebende Ring ist zwar das zentrale Motiv, das sich durch den gesamten Film zieht, ist aber nicht wortwörtlich zu verstehen, wie etwa im „Herr der Ringe“. Die Überraschung, was es mit dem Ring auf sich hat, entfaltet schlussendlich ihre ganze Wirkung, ebenso wie die starke Schlusspointe, die den Zuschauer noch lange nach dem Film beschäftigen wird.
Kurzum: „The Ring“ ist ein Meilenstein des Genres, den jeder Horrorfilm-Fan nicht nur gesehen haben sollte, sondern auch muss!
Darsteller
- Naomi Watts … Rachel Keller
- Martin Henderson … Noah Clay
- David Dorfman … Aidan Keller
- Daveigh Chase … Samara Morgan
- Brian Cox … Richard Morgan
- Shannon Cochran … Anna Morgan
Regie
Gore Verbinski
Produktionsland, Jahr
USA, 2002
The Ring Trailer
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