Horrorgeschichten genießen in den USA seit Jahrzehnten einen weitaus höheren Stellenwert, als dies in hiesigen Breiten der Fall ist. Ob in Literatur, Musik, Kino oder Fernsehen: Fiese, mitunter garstige und bluttriefende Gruselstorys erfreuen sich im Land des unbegrenzten Schreckens enormer Beliebtheit und Verbreitung. Kein Wunder also, dass Hollywood immer wieder Ambitionen hegt, aus dieser Tatsache Gewinn herauszuschlagen.
Der 1990 produzierte Episodenfilm „Geschichten aus der Schattenwelt“ kann sogar mit bekannten Darstellernamen wie Debbie Harry (Ex-Sängerin der übrigens sehr zu empfehlenden New-Wave-Band „Blondie“), Steve Buscemi oder Christian Slater sowie einer Geschichte aus der Feder des umtriebigen Stephen King aufwarten. Ob sich der Eintritt in die Schattenwelt lohnt, erfahrt ihr in nachfolgender, Horrorgeschichte, äh, Kritik!
Sie liebt Kinder über alles
Die Hausfrau Betty (Deborah Harry) wirkt auf den ersten Blick wie eine ganz normale Mitbürgerin. Sie erledigt noch rasch die nötigen Einkäufe für eine Dinnerparty in ihrem hübsch eingerichteten, sauberen Haus und bereitet alles für das Festessen her. Nur die Zubereitung des Hauptgangs fehlt noch. Dieser befindet sich aber nicht in den Einkaufstüten oder dem Kühlschrank, sondern im Käfig in der Abstellkammer und hört auf den Namen ‚Timmy’ (Matthew Lawrence). Um Zeit herauszuschlagen, bietet er Betty das Erzählen von Gruselgeschichten an.
In der ersten Geschichte mit dem Titel „Lot 249“ rächt sich der Archäologiestudent Bellingham (Steve Buscemi) an einem verhassten Widersacher, indem er eine tausende Jahre alte Mumie dank einer auf Pergament verewigten Beschwörungsformel zu neuem Leben erweckt. Doch ausgerechnet sein Freund Andy (Christian Slater) setzt alles daran, dessen dunkle Pläne zu durchkreuzen …
Rache bildet auch das Motiv der zweiten Story mit dem schlichten Titel „Die Katze“. Profikiller Halston (David Johansen) wird vom reichen, an den Rollstuhl gefesselten Industriellen Drogan (William Hickey) mit einem Mordauftrag betraut. Das Opfer: Eine Katze! Allerdings keine gewöhnliche Mieze, denn das kleine schwarze Monster hat laut Drogan drei Menschenleben auf dem Gewissen. Was nach dem einfachsten Auftrag seiner Laufbahn klingt, erweist sich für Halston als Kampf auf Leben und Tod …
Auch in der abschließenden Geschichte „Der Schwur der Liebenden“ liegen die Dinge anders, als sie zunächst scheinen. Mit dem jungen Künstler Preston (James Remar) geht es steil bergab. Seine Karriere liegt schier hoffnungslos am Boden, als ihn eine schicksalhafte Begegnung mit dem Übernatürlichen ereilt. Der steinerne Wasserspeier eines Gebäudes erwacht plötzlich zu Leben, tötet einen Passanten und schickt sich an, auch Preston den Garaus zu machen. Verzweifelt fleht der Künstler um sein Leben und erweicht das Herz des geflügelten Ungeheuers: Dieses nimmt ihm den Schwur ab, niemals irgendjemandem von ihrer Begegnung zu berichten.
Dann verschwindet das Monster in die Nacht und von diesem Moment an beginnt sich Prestons Leben von Grund auf zu verbessern: Er läuft der hübschen und klugen Carola (Rae Dawn Chong) über den Weg, heiratet sie, wird zweifacher Vater und erfolgreicher Maler. Alles könnte so schön sein, würde ihn nicht die Erinnerung an die Begegnung mit dem Scheusal immer noch quälen …
Mogelpackung mit zugkräftigem Namen
Was bei der Vermarktung des in den USA solide Einspielergebnisse erzielenden „Geschichten aus der Schattenwelt“ auffällt, ist natürlich die spezielle Erwähnung des Namen Stephen King. Der liebevoll „King of Horror“ titulierte Bestsellerautor lieferte zwar die Vorlage zu einer der drei Geschichten. Dabei wird jedoch der Eindruck vermittelt, als hätte King sämtliche Storys verfasst, welche von Zombie-Legende George A. Romero in Filmform gegossen wurden.
Auch wenn es gängige Praxis darstellt, einen prominenten Namen dergestalt hervorzuheben: Der Schreiber dieser Zeilen ärgert sich über diesen Marketingtrick, da er die Leistungen anderer Beteiligter zumeist schmälert, wie auch in diesem Fall. Denn George Romeros Beitrag bestand darin, Kings Kurzgeschichte in ein Drehbuch zu verwandeln. Dass eine der Storys immerhin von Sir Arthur Conan Doyle (berühmteste literarische Erfindung: Sherlock Holmes) stammt, fällt beinahe schon unter den Tisch.
Stark schwankende Qualität der einzelnen Episoden
„Lot 249“, die erste Story des Episodenfilms, basiert denn auch auf einer modernisierten Fassung einer seiner Kurzgeschichten. Die mit späteren Stars wie Christian Slater, Steve Buscemi und Julianne Moore prominent besetzte Rachegeschichte kann über weite Strecken hinweg nicht so recht überzeugen. Viel zu glatt und vorhersehbar verläuft die Handlung, um für Spannung zu sorgen. Auch die (zumindest in der ungeschnittenen Version vorhandenen) Splattereffekte vermögen den Genrefan nicht vom Hocker zu reißen. Das Beste an dieser Eröffnungsgeschichte ist dann auch ausgerechnet der Schluss, der mit einem netten Twist endet und somit zumindest versöhnt.
Die ganz große Überraschung liefert Stephen Kings Beitrag „Die Katze“. Allerdings im negativen Sinne: Was sich auf Papier noch halbwegs annehmbar liest (hierbei sei das Buch zum Film ausdrücklich empfohlen), gerät in der Verfilmung zum unfreiwillig komischen Horrorslapstick. Der Kampf einer älteren Frau gegen eine Katze, die wie der Facehugger aus „Alien“ ihr Gesicht bedeckt, lädt zum Lachen ein, was mit Sicherheit nicht beabsichtigt war. Auch der Showdown zwischen dem Killer und dem Vierpfoter reizt die Lachmuskeln, statt für atemlose Spannung zu sorgen. Weshalb ausgerechnet diese King-Geschichte Eingang in den Film fand, stellt ein Rätsel dar.
Die mit Abstand beste Story hob sich der vornehmlich durch TV-Produktionen bekannte John Harrison für den Schluss auf. „Der Schwur der Liebenden“ stellt eines der letzten Werke des viel zu früh verstorbenen Drehbuchautors Michael McDowell (unter anderem „Beetlejuice“) dar und gehört zu den unbestreitbar besten Horrorepisoden, die je über die Leinwand flimmerten. Von Beginn weg sorgt die Geschichte für ungeheure Spannung und stellt zwei für den Protagonisten schicksalhafte Begegnungen in den Mittelpunkt, deren eine ihn mit Grauen, die andere mit Liebe füllt. Trotz des oberflächlich klischeehaften Monsters berührt „Der Schwur der Liebenden“ selbst hartgesottene Genreliebhaber und zieht ihnen am Schluss quasi den Boden unter den Füßen weg: Der radikale Twist sorgt für eine wunderbar melancholische Atmosphäre, die dazu einlädt, die Episode ein zweites oder drittes Mal zu gucken.
Eingebettet sind diese drei Geschichten in eine makabre Rahmenhandlung, die natürlich an „Hänsel und Gretel“ denken lässt, auch, wenn das Ganze in einer kleinen amerikanischen Vorstadt spielt, die Hexe blond und attraktiv ist und einen schicken Wagen fährt. Der Abschluss der Rahmenhandlung – der auch den Film insgesamt abrundet – lässt zwar nicht die Kinnlade nach unten sausen, zaubert aber zumindest ein zufriedenes Lächeln ob der fiesen Pointe aufs Gesicht des Zuschauers.
Fazit nach rund 90 Minuten: Der Episodenfilm „Geschichten aus der Schattenwelt“ ist ein Muss für jeden Freund gepflegten Gruselns. Alleine die witzige Rahmenhandlung und die dritte Geschichte lohnen bereits das Angucken. Meisterwerke sehen zwar anders aus. Doch für den von Gurken wie „Captivity“ oder „Wrong Turn 3“ gepeinigten Horrorfan sollte dieser Film reinstes Labsal sein.
Darsteller
- Deborah Harry … Betty
- Matthew Lawrence … Timmy
- Christian Slater … Andy (Geschichte „Lot 249“)
- Robert Sedgwick … Lee (Geschichte „Lot 249“)
- Steve Buscemi … Bellingham (Geschichte „Lot 249“)
- Julianne Moore … Susan (Geschichte „Lot 249“)
- Donald Van Horn … Möbelpacker (Geschichte „Lot 249“)
- Michael Deak … Die Mumie (Geschichte „Lot 249“)
- George Guidall … Museumsdirektor (Geschichte „Lot 249“)
- Kathleen Chalfant … Dean (Geschichte „Lot 249“)
- Ralph Marrero … Cabbie (Geschichte „Lot 249“)
- David Johansen … Halston (Geschichte „Die Katze“)
- William Hickey … Drogan (Geschichte „Die Katze“)
- Paul Greeno … Cabbie (Geschichte „Die Katze“)
- Alice Drummond … Carolyn (Geschichte „Die Katze“)
- Dolores Sutton … Amanda (Geschichte „Die Katze“)
- Mark Margolis … Gage (Geschichte „Die Katze“)
- James Remar … Preston (Geschichte „Der Schwur der Liebenden“)
- Rae Dawn Chong … Carola (Geschichte „Der Schwur der Liebenden“)
- Robert Klein … Wyatt (Geschichte „Der Schwur der Liebenden“)
- Ashton Wise … Jer (Geschichte „Der Schwur der Liebenden“)
Regie
John Harrison
Produktionsland, Jahr
USA, 1990
Geschichten aus der Schattenwelt Trailer