The house that Jack built Kritik

The house that Jack built Kritik

Im Zentrum von „The house that Jack built“ steht der überdurchschnittlich intelligente Jack (Matt Dillon), ein gemeingefährlicher Psychopath. In den letzten zwölf Jahren hat er mehr als 60 Morde begangen. Dabei begann Jacks beispiellose Tötungsserie einst eher unfreiwillig, als er nämlich eine Mitfahrerin (Uma Thurman) nur durch Zufall ins Jenseits beförderte. Doch Jack fand Gefallen am Töten und begann, seine Morde mehr und mehr als Kunstwerke zu inszenieren. Über seine Taten und philosophische Themen tauscht er sich in seinen Gedanken mit einem geheimnisvollen Mann namens Verge (Bruno Ganz) aus. Doch Jack ist mit seinem „Werk“ noch nicht zufrieden, ihm steht seine absolute Meisterleistung erst noch bevor: Ein Haus, das er – ein studierter Ingenieur der zeitlebens lieber Architekt geworden wäre – selbst erschaffen hat. Und während Jack auf sein Opus Magnum zusteuert, hat die Polizei die Spur des brutalen Killers aufgenommen.

Fünf Jahre nach seinem epischen, zweiteiligen Drama „Nymphomaniac“ kehrt der Agent Provocateur des europäischen Kinos, Lars von Trier, auf die große Leinwand zurück. Mit Ausnahme einer kleinen Nebenrolle in der Komödie „Abgang mit Stil“ von 2017, war auch Hauptdarsteller Matt Dillon lange nicht mehr in einer Kinoproduktion zu sehen. Zuletzt trat er vor allem in TV-Serien („Wayward Pines“) sowie Direct-to-DVD-Produktionen auf. „The house that Jack built“ entstand im Frühjahr 2017 in Schweden und Dänemark für ein Budget von knapp neun Millionen US-Dollar. Die Weltpremiere fand im Mai 2018 in Cannes statt, Deutschland-Premiere war im September auf dem Filmfest Hamburg.


Mit seinem jüngsten Werk hat es Lars von Trier wieder einmal geschafft, zu provozieren und zu polarisieren. Gut ein Drittel aller Zuschauer verließ während des Screenings in Cannes den Saal vorzeitig. Für den streitbaren dänischen Filmemacher ein gutes Zeichen, denn es zeige dass der Film „etwas bewegt und den Zuschauern zu denken gibt“, so sein Kommentar in Cannes. In Sachen Gewaltdarstellungen geht der Regisseur in „The house that Jack built“ so weit wie in keinem seiner bisherigen Filme und streift dabei sogar des Öfteren das Subgenre des „Torture Porn“. Hauptfigur Jack (von Matt Dillon mit virtuoser nonverbaler Schauspielkunst und eisiger Gefühlskälte verkörpert) ist ein zutiefst masochistisch veranlagter Zeitgenosse der allerübelsten Sorte. Einen derart erbarmungslos vorgehenden, verrohten Serienkiller sah man zuletzt in „American Beauty“ (Christian Bale als Patrick Bateman).

Jack tötet mit Fleischermessern, Schusswaffen, Äxten und Werkzeugen wie Wagenhebern, je nachdem, was sich ihm als Mordwaffe anbietet. Er schlachtet seine Opfer (vorzugsweise Frauen) regelrecht ab. Bis es soweit ist, quält er sie gerne. Einer Frau schneidet er die Brüste ab, er verunstaltet die Miene eines getöteten Jungen weil ihm dessen Gesichtsausdruck nicht passt, schleift ein Opfer mit dem Wagen kilometerweit durch die Einöde und treibt eine Familie wie bei einer Jagd mit dem Gewehr vor sich her. Bei all diesen schonungslosen Szenen muss der Zuschauer hart im Nehmen sein. Da mag man sich durchaus fragen: Worin besteht der erzählerische und dramaturgische Sinn in all diesen barbarischen und blutigen Taten, die von Trier zudem noch genüsslich und in teils langen Einstellungen zeigt?

Diese Frage lässt sich wie so oft bei von Trier nicht ganz so leicht beantworten. Schon immer ließ sich in seine Geschichten, Figuren und in die Ereignisse seiner Filme allerlei hineininterpretieren. Und seit jeher sind seine Werke in Teilen autobiografisch eingefärbt. Der Verdacht liegt nahe, dass es sich bei „The house that Jack built“ ebenso verhält. Dafür sprechen zum Beispiel einige Doku-Schnipsel, Fotos und Schwarz-Weiß-Aufnahmen, die der Filmemacher mitten hinein in seinen Film bzw. dessen Handlung montiert hat. Szenen, die vordergründig nichts mit der eigentlichen Geschichte zu tun haben und deshalb wie eine Art Fremdkörper erscheinen: Wir sehen u.a. Impressionen aus dem KZ Buchenwald, NS-Aufmärsche bei den Reichsparteitagen in Nürnberg (von Trier befasst sich seit seinem Studium immer wieder mit dem „Dritten Reich“), alte Filmaufnahmen des Pianisten Glenn Gould (seit jeher ein großes Idol des Dänen) oder auch akademische Abhandlungen über die Statik gotischer Sakralbauten (ein weiteres Interessensgebiet des Regisseurs).

Und ein mögliches Indiz dafür, dass ebenso Jack voller Selbstbezüge steckt: In „The house that Jack built“ erscheinen die weiblichen Charaktere zumeist als unterbelichtet oder äußerst tollpatschig, zudem gewährt ihnen Jack (bzw. von Trier) nur eine kurze Screen-Time. Zufall oder ein (nicht allzu subtiler) Verweis auf von Triers allseits bekanntes, zwiespältiges Verhältnis zum weiblichen Geschlecht? Letztlich verhält es sich bei „The house that Jack built“ also ähnlich wie bei „Antichrist“ oder „Nymphomaniac“: Nur wer sich voll und ganz auf den Film einlässt und bereit ist, hinter der vordergründigen Gewalt und Perversion die Symbolik und versteckten Botschaften von Triers ausfindig zu machen, wird daran Gefallen finden.

Fazit: Drastisch, wütend, ultrabrutal: Lars von Triers provokantes, in Teilen erneut einmal autobiografisch angelegtes Serienkiller-Porträt dient dem umstrittenen Filmemacher als Ventil, seinen Hass auf sich selbst und auf sein Umfeld in radikale Bilderwelten zu transformieren.


Bewertung: 6/10

Diese Filmkritik schrieb unser Redakteur Björn Schneider.

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