Die totale Transparenz durch den gläsernen Bürger: das ist die Zukunftsvision des Firmen-Moguls Eamon Bailey (Tom Hanks). Er ist Gründer des Internet-Konzerns „Circle“, der alle Menschen auf der Welt miteinander verbinden und ihre Aktivitäten in der realen Welt, digital verknüpfen will. So sollen neue Web-Identitäten von jedem Menschen entstehen, wobei Kameras jede Sekunde im Leben aufzeichnen. Als die idealistische Mae (Emma Watson) einen Job bei dem weltweit führenden Internet-Unternehmen ergattert, kann sie ihr Glück kaum fassen. Sie ist begeistert von Baileys Vision und angetan von den modernen Arbeitsbedingungen und Möglichkeiten, die ihr der Job bietet. Inklusive einer 24-Stunden-Überwachung, auf die sie sich einlässt. Bedenken aus ihrem Umfeld, etwa von ihrem Ex-Freund (Ellar Coltrane), schlägt sie in den Wind. Doch da gibt es noch den mysteriösen Kalden (John Boyega), der angibt, auch für den „Circle“ zu arbeiten. Auch er warnt Mae vor den Gefahren der allumfassenden Überwachung und Transparenz. Sagt er die Wahrheit?
„The Circle“ beruht auf dem gleichnamigen Romanvon Autor Dave Eggers, der 2013 erschien. Die Drehbuchadaption übernahm James Ponsoldt, der den Film auch inszenierte. Ponsoldts letzter Film war das Drama „The End of the Tour“ (2015) mit Jesse Eisenberg. „The Circle“ ist mit Tom Hanks – der auch als Produzent verantwortlich zeichnete – sowie Emma Watson („Harry Potter“) und John Boyega („Star Wars“), äußerst prominent besetzt. Ursprünglich sollte Alicia Vikander („Ex-Machina“) die Rolle der Mae übernehmen. Die Umsetzung kostete die Macher nur rund 20 Millionen Dollar – für Hollywood-Verhältnisse ein echtes Schnäppchen. Die Filmmusik lieferte Tim-Burton-Stammkomponist Danny Elfman.
Die handwerklich eigentlich tadellose Verfilmung des Beststeller-Romans hat ein großes Problem: die Unglaubwürdigkeit der Figuren. Dies hat nicht nur zur Folge, dass man sich schwer in die Protagonisten hineinversetzen kann. Dieser Umstand erzeugt darüber hinaus beim Betrachter auch unzählige Male Unverständnis aufgrund der unreflektierten, naiven Handlungen und Gedankengänge der Figuren. Wenig wahrhaftig mutet da in erster Linie das Verhalten von Hauptfigur Mae an. Eigentlich handelt es sich bei ihr um eine intelligente junge Frau mit Weitsicht und guter Bildung. Wieso sie sich aber – weitestgehend sorgenfrei und bedenkenlos – auf die totale Überwachung und den Verlust der Intimsphäre einlässt, bleibt eines der großen Rätsel des Films.
Die Macher hatten im Vorfeld die enorme Herausforderung zu bewältigen, ein alles in allem allerhöchstens durchwachsenes Buch, auf die Leinwand zu übertragen. Und zu den größten Schwächen des Romans zählen leider die erwähnten blassen, am Reißbrett entworfenen Figuren, die anstandslos einem (zugegebenermaßen charismatischen) Medien-Mogul und Social-Media-Guru folgen. Dazu gehört auch Mae. Bei der Charakterzeichnung wäre daher mehr Tiefe und Vielschichtigkeit wünschenswert gewesen, auch wenn sich Regisseur Ponsoldt damit erneut von der Vorlage entfernt hätte. Denn das tut er auch an anderen, entscheidenden Stellen des Romans: etwa beim unbefriedigenden Schluss, der nicht wenige Zuschauer ratlos zurücklassen könnte.
Doch nicht alles ist Schlecht am „Circle“. Zu den großen Stärken gehört die überzeugende Leistung von Tom Hanks, der hier konsequent gegen sein Image als gutherziger, liebenswerter „Charming Man“ und netter Nachbar von nebenan, anspielt. Mit Erfolg. Denn Hanks gelingt es, den machtbesessenen Kontrollfreak, optisch als Mischung aus Steve Jobs und eines um 20 Jahre gealterten Marc Zuckerberg angelegt, glaubhaft zu verkörpern. Es hat etwas zutiefst verstörendes, wenn Hanks als Eamon Bailey oben auf der Bühne steht und seine Verheißungen sowie die Vorteile einer digital voll verknüpften Welt aus tiefster Überzeugung predigt. Ähnlich, wie die Apple-Bosse die Vorteile eines neuen, kurz vor der Markteinführung stehenden Apple-Produkts ankündigen. Und vor ihnen sitzt die Masse an gleichförmigen, Technologie-verblendeten Web-2.0-Jüngern, die ihnen an den Lippen kleben. Bei „Circle“-Chef Bailey lässt sich die Masse von dessen Charisma und Überzeugungskraft täuschen, wenn er von der totalen Selbstaufgabe als Wissensgewinn, spricht.
Letztlich ist das Thema, das „The Circle“ aufgreift, ein spannendes und interessantes. Zu weiten Teilen sind einige Aspekte und angesprochene Ängste ja auch bereits schon Realität. Facebook, Google, What‘s App und Co. sei Dank. Allerdings behandeln Film und Buch die mit einer 24-Stunden-Kontrolle von Online-Identitäten einhergehenden Gefahren, letztlich doch zu oberflächlich.
Fazit: Die Verfilmung des Bestsellers „The Circle“ leidet an einer wenig tiefschürfenden und komplexen Ausgestaltung einer düsteren Online-Zukunftsvision, die teils auch schon Realität geworden ist. Ebenso oberflächlich, konturenlos und ohne charakterliche Tiefe, kommt ein Großteil der Figuren daher. Immerhin: Tom Hanks überzeugt als machtbesessener Kontrollfreak und mächtiger Social-Media-Mogul, der die vollkommene Aufgabe der Privatsphäre predigt.
Bewertung: 4/10
Diese Filmkritik schrieb unser Redakteur Björn Schneider.
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