Raum Kritik

raum filmkritik

Als junges Mädchen wurde die damals zehnjährige Joy (Brie Larson) von Nick (Sean Bridgers) entführt, der sie seitdem in einem kleinen Schuppen im Garten gefangen hält. Joy ist mittlerweile 17 und hat sich scheinbar mit ihrem Schicksal abgefunden. Zumal sie nicht allein im Schuppen ist: sie zieht dort ihren Sohn Jack (Jacob Temblay) auf, das Ergebnis der unzähligen Vergewaltigungen durch ihren Entführer. Trotz aller dramatischen Umstände empfindet sie Liebe für ihren Sohn und möchte ihm die Zeit in dem engen Raum so angenehm wie möglich gestalten. Um den Schein der heilen Welt zu wahren, erzählt sie Jack, dass alles außerhalb des Schuppens nicht wirklich existiere. Real sei nur die Welt darin. Sie erzählt ihm Geschichten wie „Alice im Wunderland“ und tut alles, dass er die Wahrheit nicht erfährt. Im Laufe der Zeit jedoch gelingt es Joy immer weniger, diese brüchige Fassade aufrecht zu erhalten. Sie denkt an Flucht und hat auch schon eine Idee, wie dies funktionieren könnte.

„Raum“ zählt zu den größten Überraschungshits des Kinos der jüngeren Vergangenheit. Das mit einem Mini-Budget von ca. 13 Millionen Dollar in gerade einmal fünf Wochen gedrehte Indie-Drama gewann bis heute unzählige Preise. Vor allem Darstellerin Brie Larson wurde für ihre exzellente Leistung geehrte, u.a. mit dem Golden Globe und dem Oscar als beste Hauptdarstellerin. Dabei ist Larson keine Unerfahrene im Filmgeschäft, sie spielte in den vergangenen Jahren bereits in vielen Hollywood-Blockbustern wie „Don Jon“ oder „21 Jump Street“. Der Film basiert auf dem erfolgreichen Roman der kanadischen Schriftstellerin Emma Donoghue, die durch den realen, erschütternden Fall „Fritzl“ auf die Idee zu ihrem Buch kam. „Raum“ wurde inszeniert von Lenny Abrahamson, der 2014 mit der Tragikomödie „Frank“ für Aufsehen sorgte.

Regisseur Abrahamson erreicht mit minimalen, reduzierten Mitteln in seinem Film das Maximum an Emotionen, was ein großes Kunststück ist. Allein die Szenen im engen Raum – seit sieben Jahren die „Heimat“ von Joy und der Ort, an dem sie ihren Sohn großzieht – sind voller Gefühlsirrungen und –wirrungen, eine brutale Achterbahnfahrt der Emotionen, sowohl für die beiden Eingesperrten als auch für den Zuschauer. Da gibt es Liebe, Zuneigung und auch Freude, die Joy und Jack z.B. beim gemeinsamen Spielen oder Lieder singen miteinander empfinden – gefolgt von Momenten tiefster Verzweiflung und Ausweglosigkeit, die die starke Joy an den Rand des Wahnsinns und Durchdrehens bringen. Und schließlich schwebt die ständig lauernde Gefahr, dass ihr Peiniger und Entführer Nick wieder vorbeischaut, wie ein böser, dunkler Geist über dem Geschehen in dem nur wenige Quadratmeter großen Raum.

Große Spannung kommt vor allem beim Fluchtversuch auf. Der Zuschauer bangt mit Jack, der als erster fliehen soll, um – nach geglückter Flucht – die Polizei zu informieren. Die Sekunden, die Jack im eingerollten Teppich auf der Laderampe von Nicks Pick-Up zeigen, sind nervenzerfetzend spannend und kurz darauf kommt es zu einem der eindringlichsten, nachhaltigsten Augenblicke des Films: zum ersten Mal erblickt der kleine Junge den Himmel, die Sonne, Vögel, Bäume und nimmt etwas anderes wahr als die Enge der bedrückenden Gartenlaube. Regisseur Abrahamson nimmt sich darüber hinaus auch Zeit, um die Phase der Wiedereingliederung von Joy in ihr normales Familienleben zu zeigen und welche Probleme damit einhergehen. Überraschenderweise ist nicht sie es, die sich kurz darauf den „Raum“ wieder zurückwünscht einschließlich der Sicherheit und des Schutzes, den er trotz aller Enge und Beschränktheit bot.

Das größte Plus des Films sind aber seine exzellenten Darsteller. Brie Larson gewann für ihre atemberaubende Leistung als willensstarkes Entführungs- und Vergewaltigungsopfer zu Recht den wichtigsten Filmpreis der Welt als beste Hauptdarstellerin. Und der neunjährige Jacob Temblay legt trotz seines jungen Alters eine derart (vor allem mimisch und emotional) ausgefeilte, facettenreiche Darbietung an den Tag, dass es fast schon unheimlich ist.

Fazit: Glaubhaftes, exzellent gespieltes und extrem packendes Drama um das tragische Martyrium einer jungen Frau, das an die wahren Fällen um Natascha Kampusch und Josef Fritzl erinnert.

Diese Filmkritik schrieb unser Redakteur Björn Schneider.

Das könnte dir auch gefallen:

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.