In guten Händen Kritik

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Stress, Erschöpfung, Melancholie – mit diesen Problemen hatten Frauen unabhängig von Jahrhundert und Epoche schon immer zu kämpfen und so auch im viktorianischen England des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Was heute zu den gängigen „Folgeerscheinungen“ eines schnelllebigen, durch Beruf und Familie geprägten Alltags zählt, galt damals als ernstzunehmende Erkrankung, die allgemein unter dem Namen „Hysterie“ bekannt war. Frauen, die darunter litten, bedurften in dieser Zeit einer ganz speziellen Methode, um von ihren Leiden erlöst zu werden: Da ein „überreizter Uterus“ für diese Krankheit verantwortlich gemacht wurde, begannen die Ärzte, die Damen mit einer Intimmassage zu behandeln – mit großem Erfolg: Die Symptome gingen zurück und die Frauen standen in den Arztpraxen Schlange. Im Laufe der Zeit gipfelte diese besondere Behandlungsmethode schließlich in der Erfindung eines bis heute äußerst beliebten Sexspielzeugs: dem Vibrator. Die Geschichte dieser kuriosen Vorfälle erzählt nun die amerikanische Regisseurin Tanya Wexler in ihrer amüsanten, prächtig ausgestatteten Komödie „In guten Händen“.

Regisseurin Wexler legte großen Wert darauf, ihren Film authentisch und realistisch aussehen zu lassen. Daher fielen bereits in den Trailern im Vorfeld des Kinostarts die üppigen Kulissen, prächtigen Kostüme sowie die realitätsgetreue Optik auf, die den Zuschauer ins England des Jahres 1880 zurückversetzen. Auch bei der Wahl der Darsteller war man um größtmögliche Authentizität bemüht und besetzte einen Großteil der Rollen mit renommierten britischen Schauspielern: Von Hugh Dancy („King Arthur“, „Elizabeth I.“) über Rupert Everett („Shakespeare in Love“, „Der Sternwanderer“) bis hin zu Jonathan Pryce („Brazil“, „Zeit der Unschuld“). Einzig die weibliche Hauptdarstellerin fällt hier aus dem Rahmen: In die Rolle der emanzipierten und unverklemmten Frauenrechtlerin Charlotte Dalrymple schlüpfte die US-amerikanische Charakterdarstellerin Maggie Gyllenhaal, die hier eine ihrer stärksten Leistungen der vergangenen Jahre zeigt.

Zum Inhalt: Die ungewöhnliche Geschichte beginnt mit der Schar an verzweifelten Frauen aus der Oberschicht, die sich in der feinen Londoner Praxis von Dr. Robert Dalrymple (Jonathan Pryce) zusammenfinden. Die Frauen leiden an einer allgemein als „Hysterie“ bekannten Krankheit, die sich u.a. in Form von Schlaflosigkeit und Gereiztheit äußert. Und Dalrymples ungewöhnliche Methoden kommen bei den Patientinnen gut an: Der Arzt verpasst den Damen eine wohltuende, ölige und bis zur Verkrampfung führende Intimmassage. Sein Heilverfahren spricht sich schnell herum und da er den Ansturm alleine bald nicht mehr bewältigen kann, stellt er den ehrgeizigen jungen Arzt Mortimer Granville (Hugh Dancy) ein. Künftig ist es Mortimers Aufgabe, täglich dutzende „hysterische“ Frauen zu „behandeln“. Die älteren Damen sind genauso von ihm und seiner „Fingerfertigkeit“ angetan wie Emily (Felicity Jones), die jüngste Tochter von Dr. Dalrymple. Doch weder die Verlobung mit ihr noch der zu Handkrämpfen führende neue Job machen ihn auf Dauer glücklich – gäbe es da nicht seinen alten Freund und Wissenschaftler Edmund St. John-Smythe (Rupert Everett) und Emilys emanzipierte Schwester Charlotte (Maggie Gyllenhaal), die Mortimer bei der Umsetzung einer bahnbrechenden Idee helfen…

Tanya Wexlers Film kommt als beschwingte und locker-leichte Gesellschaftskomödie daher, die auf satirische Weise aufzeigt, welch prüde Zustände und konservative Anschauungen noch vor gar nicht allzu langer Zeit auch in Europa vorherrschten. Wexler nahm sich für ihren Film eine ebenso unterhaltsame wie ernstzunehmende Thematik (weibliche Sexualität und Emanzipation in einer durch Konservatismus und Prüderie geprägten Zeit) vor, die sowohl Männer als auch Frauen in ihren Bann ziehen dürfte. Mit treffsicheren Dialogen und pointiertem Wortwitz sorgt „In guten Händen“ für einige echte Lacher und nimmt sich selbst und seine Geschichte nicht zu ernst.

Ein weiteres Plus sind die detailgetreue Ausstattung sowie die authentischen Schauplätze und Kostüme, die dennoch nicht zu übertrieben und ausladend daherkommen. „In guten Händen“ versteht sich daher nicht als opulenter Kostümfilm, sondern lediglich als ein Film der vor eben jenem zeitgeschichtlichen Hintergrund spielt und das gekonnt aber nicht ausufernd transportiert. Im Zentrum steht hier weniger der historische Ansatz als vielmehr die Satire und die vielen witzigen Momente, die in dieser – auf wahren Begebenheiten beruhenden – Story stecken. Der Zuschauer braucht also keine altbackene Geschichtslehrstunde befürchten. Auch darstellerisch punktet der Film, der bis in die Nebenrollen prominent und gut besetzt ist. Allen voran Maggie Gyllenhaal und Jonathan Pryce als Dr. Dalrymple verleihen dem Film schauspielerische Klasse.

Regisseurin Wexler ist mit „In guten Händen“ eine locker-leichte Komödie mit üppiger Ausstattung und sehr guter Besetzung gelungen. Die ironisch-bissigen Dialoge und der lakonische Wortwitz machen den Film darüber hinaus sehenswert.

Diese Filmkritik schrieb unser Redakteur Björn Schneider.


Darsteller:

  • Felicity Jones
  • Maggie Gyllenhaal
  • Hugh Dancy
  • Rupert Everett
  • Jonathan Pryce
  • Anna Chancellor
  • Gemma Jones
  • Tobias Menzies
  • Sheridan Smith
  • Kate Linder
  • David Ryall
  • Dominic Borrelli

Regie:
Tanya Wexler

Erscheinungsjahr:
2011

In guten Händen Trailer



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