
Der Schneepflugfahrer Nels Coxman (Liam Neeson) führt ein beschauliches Leben mit seiner Familie. In dem verschneiten Kleinstädtchen Kehoe, gelegen in den Bergen der Rocky Mountains, sind der Stress und die Hektik der Großstadt weit weg. Die Idylle findet jedoch ein jähes Ende, als Nels Sohn vom örtlichen Drogenboss Viking (Tom Bateman) ermordet wird. Für Nel und seine Frau bricht eine Welt zusammen. Während seine Frau noch trauert, beschließt Nel, Rache zu üben: Brutal mordet er sich durch Vikings Drogenkartell und lenkt den Verdacht so auch noch auf Vikings früheren Erzrivalen White Bull (Tom Jackson). Denn niemand würde dem bis dahin unscheinbaren und unauffälligen Schneepflugfahrer solch brutale Morde zutrauen. Es dauert nicht lange und das verschlafene Nest versinkt im Krieg zwischen Vikings und White Bulls Banden. Mittendrin: Nel, der die Gangster gnadenlos gegeneinander ausspielt.
2014 sorgte der knochentrockene, zynische Action-Thriller „Einer nach dem Anderen“ auf der Berlinale für Furore. Die norwegische Produktion wurde für den Goldenen Bären nominiert und in der Folge auf zahlreichen weiteren, internationalen Festivals gezeigt. „Hard Powder“ ist das Remake dieses Films – und zeigt Liam Neeson erneut in seiner Paraderolle als unberechenbare Ein-Mann-Armee, die den Tod eines geliebten Menschen rächt. Eine ähnliche Rolle spielte der Ire bereits in den Filmen der „Taken“-Reihe. „Hard Powder“ entstand im Frühjahr 2017 an verschiedenen Drehorten in Kanada (u.a. in British Columbia).
„Hard Powder“ richtet sich eindeutig an ein Publikum, dass das Original nicht kennt. Denn wer „Einer nach dem Anderen“ gesehen hat, wird vom Hollywood-Remake möglicherweise enttäuscht sein. Der Grund ist, dass Regisseur Hans Petter Moland, der bereits das Original inszeniert hatte, hier quasi eine Eins-zu-Eins-Neuverfilmung abliefert. Die Story und Dramaturgie: identisch. Die abgründigen (Neben-)Figuren: identisch. Der bitterböse, absurde Humor: identisch. Das ist schade, da Moland auf diese Weise jegliche Überraschungs-momente oder Innovationen schuldig bleibt und sich ganz und gar auf die altbewährte Erfolgsformel verlässt.
Hinzu kommt – und das ist vermutlich die größte Überraschung – dass Neeson nicht an die Brillanz des von Stellan Skarsgård im Original mit stoischer Miene und einer gehörigen Portion Verbitterung gespielten Rächers heranreicht. Neeson ist mittlerweile freilich geübt in dieser Art von Rolle, doch kann man sich immer wieder des Eindrucks nicht erwehren, dass er einige seiner Szenen etwas lieblos und gelangweilt herunterspielt. Das betrifft weniger die Actioneinlagen (von denen es reichlich gibt) als vielmehr die Dialogszenen sowie die stillen Sequenzen, in denen Neeson als nachdenklicher, schwermütiger und um seinen Sohn trauernden Vater zu sehen ist. Und eben nicht als ruppig zur Sache gehender Berserker.
Neben den prächtigen Landschaftaufnahmen der mächtigen Bergwelten überzeugen die Action und der groteske Humor. Überhaupt wirkt „Hard Powder“ stellenweise ohnehin mehr wie eine Mischung aus schwarzer Komödie/Farce und extravagantem Krimi-Drama á la „Fargo“. Es gibt geschliffen scharfe One-Liner, übersteigerte Ironie und derbe Situationskomik. Einige der witzigsten Szenen gehen auf das Konto von William Forsythe, eigentlich ein ausgebildeter Tänzer ist. In „Hard Powder“ tritt er jedoch als höchst skurriler, eigensinniger (Looser-)Bruder von Nels auf: Ein in die Jahre gekommener Ex-Gangster, der das Herz am rechten Fleck und stets einen trockenen Spruch auf den Lippen hat.
Auch wer auf lakonische, abseitige Action-, Kampf- und Gewaltdarstellungen steht, sollte auf seine Kosten kommen. Nels greift auf einige alles andere als gewöhnliche Mordmethoden zurück, um seinem Frust freien Lauf zu lassen und sich „abzureagieren“. Nicht selten kommen dabei schwere Vehikel aller Art zum Einsatz (Lastwagen, Rodungsmaschinen, Schneepflüge und andere Schneeräumungsgeräte), die mal eben so zweckentfremdet werden. Und eine der wahrscheinlich schrägsten und wahnwitzigsten Gewaltszenen der jüngeren Kinogeschichte liefert der Film übrigens auch noch – einen ersten „zarten“ Verweis darauf liefert bereits das Filmplakat.
Fazit: Mit derbem, allerschwärzestem Humor gewürzter Rache-Thriller, der trotz der gelungenen, zünftigen Actioneinlagen nicht an das Original heranreicht – auch, weil schlicht das Überraschungsmoment fehlt.
Bewertung: 6/10
Diese Filmkritik schrieb unser Redakteur Björn Schneider.