Unknown Identity Filmkritik

Liam Neeson forciert in diesem Verschwörungsthriller klassischer Machart seinen Imagewechsel weiter. Neeson, seit Jahrzehnten durch Filme wie „Schindlers Liste“ und „Michael Collins“ als Charaktermime etabliert, machte in der Vergangenheit zumeist in actionreichen Rollen von sich reden. „Das A-Team“ und zuletzt „96 Hours“ zeigen den mittlerweile fast 60-jährigen als charismatischen Actionhelden, der an rasanten Verfolgungsjagden, Solo-Rachefeldzügen und atemberaubenden Kampfsequenzen seine reine Freude hat. Getreu dem Motto: Action-Karriere statt Ruhestand! Nun ist er mit „Unknown Identity“ erneut in einem Action-Thriller mit Blockbuster-Garantie zu sehen.

Dabei wird bereits nach wenigen Minuten deutlich, welche Filme den spanischen Regisseur Jaume Collett-Serra („House of wax“) beeinflusst haben und Pate standen. In „Unknown Identity“ ist Neeson als Arzt mit Gedächtnisverlust auf der Suche nach der eigenen Identität. Er ist einem streng gehütetem Geheimnis auf der Spur, umgeben von Killern, Intrigen und Verschwörungen. Dabei bedient sich der Film bei klassischen Hitchcock-Motiven wie Angst, Verlust der Identität und einer unschuldigen Hauptfigur. So fühlt man sich bei „Unknown Identity“ sofort an „Der unsichtbare Dritte“ erinnert, Hitchocks Thriller-Meisterwerk mit Cary Grant in der Hauptrolle. Die verzweifelte Suche des an Amnesie leidenden Neeson nach der Wahrheit erinnert zudem an den kühnen Thriller „Memento“ und die Anfangsminuten lassen sich als Hommage an Polanskis Thriller „Frantic“ verstehen. Darin spielt Harrison Ford einen amerikanischen Arzt, dessen Frau kurz nach der Ankunft in Paris spurlos verschwindet. Hier spielt Liam Neeson die Hauptrolle, Handlungsort ist nicht Paris sondern Berlin.

Dr. Martin Harris (Liam Neeson) kann es nicht fassen: ein anderer hat seine Identität angenommen.

Zum Inhalt: Der renommierte Biotechnologe Dr. Martin Harris reist gemeinsam mit seiner Frau Gina (January Jones, bekannt geworden durch die Fernsehserie „Mad Men“) nach Berlin, um auf einem internationalen Kongress einen Vortrag zu halten. Das wohlhabende Paar checkt gerade im Berliner Edel-Hotel Adlon an, als Harris bemerkt, dass am Flughafen einer seiner Aktenkoffer zurückgeblieben ist. Auf dem Rückweg wird das Taxi, das Harris zurück zum Hotel bringen soll, in einen schweren Unfall verwickelt. Diesen überlebt er nur dank des Einsatzes der jungen Taxifahrerin (Diane Kruger). Vier Tage später: Harris erwacht im Krankenhaus aus dem künstlichen Koma und kann sich an nichts außer seinen Namen, seinen Job und seine Frau erinnern, seine gesamten Papiere sind verloren gegangen. Zu allem Überfluss will ihn nun auch seine eigene Frau nicht mehr erkennen und präsentiert stattdessen einen fremden Mann als „echten“ Dr. Martin Harris (Aidan Quinn). Gemeinsam mit der geheimnisvollen Taxifahrerin und dem ehemaligen Stasi-Agenten Jürgen (Bruno Ganz) macht Harris sich auf die Suche nach seiner wahren Identität.

Noch ist alles in Ordnung: Das Ehepaar Harris (Liam Neeson & January Jones) bei ihrer Ankunft in Berlin.

Nichts ist wie es scheint in „Unknown Identity“. Der Zuschauer muss Geduld mitbringen, wenn sich erst nach und nach Puzzleteil für Puzzleteil der Wahrheit offenbart und man immer wieder in die Irre geführt wird. Es ist der konsequenten und geradlinigen Regie von Jaume Collet-Serra zu verdanken, dass die Spannung in jeder Minute bis zum Schluss erhalten bleibt. Ohne viel Computereffekte und sonstigen Schnick-Schanck bietet „Unknown Identity“ solide, handgemachte Action und einen blendend aufgelegten Hauptdarsteller. Dass Neeson auch die Rolle eines Mannes ohne Identität im Rahmen einer actionreichen Handlung mühelos tragen kann, ist keine Überraschung.

Der Film lebt von der eindringlichen Darstellung Liam Neesons, der in „Unknow Identity“ mal als risikofreudiger Action-Held (wenn er sich wilde Verfolgungsjagden und Prügeleien liefert), mal als Charakter-Mime glänzt (wenn er als angesehener Wissenschaftler an seinem Verstand zweifelt). Neeson ist nun endgültig auch im Action-Kino zu Hause. Schwächer ist da schon die schauspielerische Leistung der übrigen Protagonisten zu bewerten. Diane Kruger bleibt als illegal in Deutschland lebende bosnische Taxifahrerin erschreckend blass, ihre Rolle entwickelt keine Tiefe und wirkt zudem völlig unnötig. Unfreiwillig komisch gerät darüber hinaus ihr Akzent, der für so manche Erheiterung sorgt. Aidan Quinn verkörpert den „falschen“ Dr. Harris als undurchsichtigen, mysteriösen Bösewicht ineffektiv, ohne Emotion und viel zu harmlos. Einzig Bruno Ganz vermag zu überzeugen, der als süffisanter ehemaliger Stasi-Agent zwar so manch deutsches Klischees bedient aber in seiner kleinen Nebenrolle voll aufgeht und mit Ironie und Wortwitz punktet.

Unknown Identity Dr. Martin Harris (Liam Neeson)

Der große Star des Films – neben Liam Neeson – ist ganz eindeutig Berlin, Drehort und Schauplatz des Films. Auf Drängen von Regisseur Collet-Serra hin, wurden die Dreharbeiten von Paris nach Berlin verlegt (die Handlung der Romanvorlage von Didier van Cauwelaert spielt in der französischen Hauptstadt). Und das tut dem Film sichtlich gut. Berlin wirkt als Handlungsort der actionreichen Schnitzeljagd weniger verbraucht und frischer als Paris. „Unknown Identity“ zeigt ein Berlin, wie man es vorher im Kino nur selten zu Gesicht bekommen hat. Collet-Serra und sein Kameramann Flavio Labiano setzen die deutsche Metropole optisch und tricktechnisch wirkungsvoll und unterhaltsam in Szene. Vor allem den deutschen Zuschauern wird es Freude bereiten den Film in vertrauter Umgebung zu sehen, da zumeist an zentralen und populären Schauplätzen (Hauptbahnhof, Pariser Platz u.a.) gedreht wurde.

Fazit: Klar, die Geschichte vom Mann ohne Identität ist nicht wirklich neu und mittlerweile etwas verbraucht (siehe die „Bourne“-Reihe). Auch wenn das Ende bemüht wirkt und am Schluss doch einige Logiklöcher bleiben, macht „Unknown Identity“ doch einiges richtig: Als spannender, actionreicher Verschwörungs-Thriller mit internationaler Starbesetzung unterhält er für knapp zwei Stunden blendend und macht viel Freude – vorausgesetzt, man nimmt das alles nicht zu ernst. Wer bei „Unknown Identity“ aber anspruchsvolle Kinokunst á la Hitchcock erwartet, ist jedoch im falschen Film.

Diese Filmkritik schrieb unser Redakteur Björn Schneider


Darsteller

  • Liam Neeson
  • Diane Kruger
  • January Jones
  • Aidan Quinn
  • Frank Langella
  • Bruno Ganz
  • Karl Markovics
  • Sebastian Koch
  • Stipe Erceg
  • u.v.a.

Regie: Jaume Collet-Serra

Unknown Identity Trailer

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