Die neuseeländisch-amerikanische Produktion „District 9“ hätte ohne kräftige Unterstützung des neuen Regie-Wunderkinds Peter Jackson vielleicht weder das Licht der Leinwand erblickt, noch hätte es für jenes große Aufsehen gesorgt, das ihm zuteil wurde. Auf den ersten Blick wirkt der Plot rund um ein gigantisches außerirdisches Raumschiff über einer Großstadt sattsam bekannt und abgeschmackt. Ob dem Südafrikaner Neill Blomkamp mit seinem Debütfilm tatsächlich jenes Meisterwerk gelungen ist, als das es von einigen Kritikern abgefeiert wird, oder das SF-Spektakel bloß heiße Luft versprüht, erfahrt ihr hier, im Film-District.
Gimme Hope, Jo’anna!
1982 taucht ein riesiges Alien-Raumschiff in die irdische Atmosphäre ein, ohne jedoch zu landen. Mitten über der südafrikanischen Metropole Johannesburg verharrt es und bewegt sich danach keinen Millimeter weiter. Da keinerlei Kommunikationsversuche seitens der Ankömmlinge erfolgen, wird eine Expedition an Bord des Raumschiffs entsendet. Als das Team sich Zugang verschaffen hat, folgt der Schock: Zwar wimmelt es in dem Raumgefährt von Aliens, aber diese haben wenig Ähnlichkeit mit Menschen und vegetieren offenbar plan- und ziellos dahin.
Um den Außerirdischen ein Überleben zu ermöglichen, werden sie außerhalb der Stadt in einem eigenen Bereich angesiedelt, dem titelgebenden „District 9“. Doch auch an dem neuen Ort, von den Behörden mit dem Allernötigsten versorgt, fristen sie ein erbärmliches Dasein. Der District verwandelt sich in Folge in ein typisches Slumgebiet mit allem, was dazugehört: Gangstern, Waffenhändlern, Süchtigen.
Viele Jahre später entschließt sich das zweitgrößte Waffenunternehmen der Welt, die MNU, zur Zwangsumsiedlung der ihnen unterstellten Aliens. Ein schwieriges Unterfangen, da deren Anzahl bereits auf fast zwei Millionen angewachsen ist. Der Leiter des Plans, ein schmächtiger Bürokrat namens Wikus van de Merwe (Sharlto Copley), möchte die Umsiedlung friedlich vonstatten gehen lassen. Dummerweise geschieht ein Zwischenfall, der ihn in Kontakt mit einer einzigartigen Flüssigkeit bringt, deren wahren Wert er erst viel später erkennt.
Derweil hat Wikus nämlich an ganz anderen Problemen zu knabbern: Sein linker Arm verwandelt sich in eine Alien-Extremität, was ihn wiederum zum wertvollen Forschungsobjekt der MNU macht. Als sein ganzer Körper zu mutieren beginnt, entschließt sich die MNU schließlich, ihren wertvollen „Besitz“ komplett auszuschlachten. Doch Wikus gelingt die Flucht, die ihn ausgerechnet in den District 9 führt, wo er plötzlich auf die Hilfe der Aliens angewiesen ist …
Die Aliens sind wir!
Auch wenn er bei „District 9“ nicht Regie führte, sondern lediglich als Produzent tätig war, überschattete Peter Jacksons großer Name natürlich das Projekt, sobald seine Mitarbeit ruchbar wurde. Nach den gigantischen „Herr der Ringe“- sowie „King Kong“-Projekten samt ebenso monströsen Einspielergebnissen, war die Spannung klarerweise besonders groß, wie es mit Jacksons filmischem Schaffen weitergehen würde.
Gerade mal 30 Millionen Dollar kostete die Produktion von „District 9“, der alleine in den USA das Mehrfache der Kosten einspielte. Und wieder einmal gelang es dem neuseeländischen Exzentriker und Friseur-Alptraum Jackson sowohl Publikum, als auch Kritiker zu überraschen. Immerhin hatte er dieses Kunststück bereits mit dem (zu Recht) hymnisch gefeierten „Heavenly Creatures“ nach einer Reihe spaßiger Horror-Trashfilmchen perfektioniert.
So konventionell der Beginn auch anmuten möge, entwickelt der Film doch rasch einen originären Plot, der auf diese Weise wohl noch nie auf der Leinwand bewundert werden durfte. Ausnahmsweise entpuppen sich die Aliens nicht als aggressive Invasoren, die mit McGyver-mäßigen Gimmicks ausgetrickst werden können, sondern als führungslose Flüchtlinge von wo auch immer.
Die völlige Fremdartigkeit der Ankömmlinge verhindert eine aus vielen SF-Filmen bekannte Eingliederung in die menschliche Gesellschaft, weshalb sie von Anfang an ausgegrenzt und von den menschlichen Siedlungen abgeschottet werden. In diesem Punkt spielt der Film ungemein clever mit diversen – leider realistischen – menschlichen Schwächen: Die Fremden werden verstoßen, gnadenlos ausgebeutet und sogar als Objekte betrachtet, mit denen abscheuliche Experimente durchgeführt werden. Waffenhändler erwerben für ein Butterbrot bzw. ein paar Katzenfutterdosen, nach denen die „Shrimps“ süchtig sind wie manche Menschen nach Rauschgift, mächtige Alien-Waffen und unternehmen auch sonst alles Mögliche und mitunter Bizarre, um die ahnungslosen Fremden abzuzocken. Parallelen zu realen Ereignissen sind wohl beabsichtigt.
Anders als in vielen anderen SF-Filmen werden die Außerirdischen weder glorifiziert, noch dämonisiert. Es handelt sich lediglich um eine Lebensform mit all ihren Stärken und Schwächen wie die Menschheit auch, wenngleich sich die Menschen als die wahren Monster entpuppen.
Alien Inside
Enormen Schwung und Spannung gewinnt die Handlung durch den Kniff, den menschlichen Protagonisten allmählich zu einem der „Anderen“ mutieren zu lassen. Zwar keine gänzlich neue Idee – SF-Genie Philip K. Dick hatte eine entsprechende Geschichte vor rund einem halben Jahrhundert konsequent (und gewohnt ironisch) umgesetzt -, doch für einen Film dieser Größenordnung und eingedenk der Erwartungshaltung vieler SF-Fans überrascht der unkonventionelle Plot doch gewaltig!
Monumentale Raumschlachten oder ekelhafte, Menschen förmlich zerreißende Schleim-Aliens sucht man in „District 9“ vergebens: Stattdessen überzeugt der Plot mit einer durchaus realistischen – sofern man einen Film mit Außerirdischen im Mittelpunkt als „realistisch“ betrachten kann – Betrachtungsweise und Ausführung. Wie auch im alltäglichen Erdengeschehen werden mitunter grausame Anordnungen von Bürokraten befohlen und ausgeführt. Wikus ist einer von ihnen: Ein anfangs etwas tollpatschig wirkender Prinzipienreiter, dem das Gesetz alles gilt und der sich vor dem Chaos fürchtet.
Ironischerweise muss er mit fortschreitender Verwandlung völlig außerhalb des Gesetzes agieren, um überleben zu können. Das System, dem er sich angehörig und verpflichtet fühlte, betrachtet ihn von einer Sekunde auf die andere als feindlichen Organismus, der vernichtet werden muss. Es sind keine gefühllosen Computer, von denen die oft unmenschlichen Befehle erteilt und ausgeführt werden, sondern Menschen, etwa Wikus’ eigener Schwiegervater, die in dem System auf ihren eigenen Vorteil bedacht handeln. Gefühle sind da nur eine unverzeihliche Schwäche.
Doku-SFoap
Um dem Geschehen quasi hautnah auf den Fersen zu bleiben, setzt „District 9“ auf einen in letzter Zeit verstärkt in Mode kommenden Pseudo-dokumentarischen Kamerastil. Anders als in „Cloverfield“ führt dieser jedoch nicht zu heftigen Kopfschmerzen. Im Gegenteil: Die in Form von Rückblenden erzählte Geschichte entfaltet sich dank dieser Technik erst so richtig in ihrer ganzen epischen Breite. Denn trotz des episodenhaften Charakters der Handlung wird eine enorme Palette an Hintergrundgeschichten erzählt, wie auch wichtige Informationen mitgeteilt.
Apropos Charakter: „District 9“ gelingt es, sogar einem der fremdartigen Lebewesen durchaus nachvollziehbare Handlungsweisen einzuhauchen. Die Nähe zu Wilkus stellt ohnehin kein Problem dar: Sein glatter, naiv-gutmütiger Bürokrat ist ein Typus Mensch, den jeder von uns in der einen oder anderen Form bereits kennengelernt hat. Nett, aufrichtig, darauf versessen, alles richtig zu machen, ohne jedoch zu hinterfragen, was denn das „Richtige“ sei.
Übrigens wurden sämtliche Figuren mit zumindest außerhalb Südafrikas unbekannten Darstellern besetzt, was dem Film weitere Tiefe verleiht. Dabei spielen diese ihre Rollen überzeugend gut und tragen somit zum Erfolg des Streifens bei.
Manche Kritiker empörten sich am „Rassismus“ von „District 9“, etwa, wenn sämtliche Nigerianer als menschenverachtende Waffenhändler dargestellt werden. Dass deren Rollen in der bewussten Überzeichnung im Kontext des Filmes zu betrachten sind, wird dabei meiner Ansicht nach ignoriert.
Tricktechnisch gibt es an dem Streifen natürlich nichts zu bekritteln: Wie bei einer Peter-Jackson-Produktion gewohnt sind die Spezialeffekte grandios und stellen manch weitaus kostspieligeres Hollywood-Fabrikat weit in den Schatten.
Alles in allem ist „District 9“ zweifellos einer der besten SF-Beiträge der letzten Jahre und ist nicht nur für Genre-Fans ein unbedingtes Muss: Der Film funktioniert nämlich auch als Parabel auf die immer mächtiger werdenden Mühlen der Bürokratie, in denen Gefühle und Menschlichkeit unerbittlich zermahlen werden, um das System am Laufen zu halten. Eine ohne den berüchtigten Holzhammer verabreichte Botschaft, die mal mehr, mal weniger subtil zwischen den Zeilen des Zweistünders transportiert wird.
Nach öden Gurken wie „Transformers 2: CGI und Megan Fox’ Möpse“ endlich wieder ein SF-Film, den man guten Gewissens weiterempfehlen kann!
Darsteller
- Sharlto Copley … Wikus van de Merwe
- Jason Cope … Grey Bradnam/Christopher Johnson
- David James … Colonel Koobus Venter
- Vanessa Haywood … Tania van de Merwe
- Louis Minnaar … Piet Smit
- Mandla Gaduka … Fundiswa Mhlanga
- Kenneth Nkosi … Thomas
- Robert Hobbs … Ross Pienaar
- Nathalie Boltt … Sarah Livingstone
- Sylvaine Strike … Dr. Katrina McKenzie
- William Allen Young …: Dirk Michaels
- Greg Melvill-Smith … Interviewer
- Nick Blake … Francois Moraneu, CIV-Ingenieur-Team
- Jed Brophy… James Hope
- Mampho Brescia… Reporter
Regie
Neill Blomkamp
Produktionsland, Jahr
USA, Neuseeland 2009
District 9 Trailer
Was zur Hölle ist an diesem Stumpfsinn Streifen empfehlenswert? Die Logiklöcher, die selten dämliche Story oder das zum Kotzen schlechte Transformers Finale? Ein Schlag ins Gesicht jeden Scifi Fans.