A Ghost Story Kritik

A Ghost Story Kritik

Eigentlich sind der Musiker C (Casey Affleck) und seine Frau M (Rooney Mara) ein ganz gewöhnliches Paar, das eine harmonische Beziehung miteinander führt. Nur ab und zu kommt ein wenig Unmut auf, weil er gerne in dem beschaulichen Haus auf dem Land bleiben, sie aber lieber wegziehen würde. Ein tragischer Verkehrsunfall beendet ihr kleines Liebesglück. Und auch das Leben von C, der kurz darauf in der Leichenhalle von M identifiziert werden muss. Plötzlich erwacht C von den Toten, erhebt sich und folgt seiner Ex-Frau als Gespenst – mitsamt Bettlaken über dem Körper – in die gemeinsame Wohnung. In der Folge wird er ein stummer Zeuge von M’s Trauer und Verzweiflung. Denn M kann ich ihn weder sehen noch sonst wahrnehmen. Unerträglich wird die Situation zudem für den umher spukenden C, der still und tatenlos mit ansehen muss, wie M nach einigen Monaten einen neuen Mann kennenlernt und schließlich wegzieht. C jedoch bleibt an das Haus gebunden.

„A Ghost Story“ wurde innerhalb von nicht einmal 20 Tagen in Dallas sowie der texanischen Kleinstadt Irving, abgedreht. Inszeniert wurde der prominent besetzte aber nur 100 000 Dollar teure Film von David Lowery. Lowery, der ebenfalls das Drehbuch schrieb, verantwortete zuletzt den 65-Millionen-Dollar-Blockbuster „Elliott, der Drache“, wollte nach eigener Aussage danach aber einen „kleinen, spontanen Film“ drehen. Die Hauptdarsteller Casey Affleck und Rooney Mara, wirkten bereits in Lowery Debütfilm von 2013, „Ain’t them bodies saints“, mit. „A Ghost Story“ feierte Anfang 2017 seine Premiere auf dem Filmfest in Sundance.


„A Ghost Story“ ist ein außergewöhnlicher, sehr nachdenklich stimmender und melancholischer Film, der die Zuschauer ziemlich sicher in zwei Lager aufspalten wird: die einen werden sich ganz auf das eindringliche, zarte Schaupiel von Affleck (der immer wieder in Rückblenden zu sehen ist) und Mara einlassen, denen es gelingt, ohne viele Worte Stimmungen zu erzeugen. Und die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass diese Zuschauer, die sich ganz auf die tieftraurige Geschichte einlassen und bewegt den Kinosaal verlassen, auch mit den philosophischen Fragestellungen und der Spiritualität etwas anfangen können.

Denn: der Film wirft u.a. universelle, vielschichtige Fragen auf, die sich die meisten von uns schon mal gestellt. Aber auf die es keine Antwort gibt. Es geht daher nicht zuletzt um metaphysische, transzendentale Inhalte und Elemente. Diese Fragen werden im Film im Rahmen einer Rede ganz offen angesprochen und damit auch indirekt dem Zuschauer gestellt: Was passiert mit uns nach dem Tod? Wer wird sich an uns erinnern, wenn wir nicht mehr sind? Und was bleibt am Ende von unserer Existenz und unserer Lebensleistung?

Dann aber wird es die andere Fraktion von Zuschauern geben, die vermutlich ihre Probleme mit der minimalistischen Inszenierung haben werden. Doch nicht nur damit. Zudem mit den ruhigen, langen Kameraeinstellungen und den wenigen Dialogen. Mit dem im Prinzip fehlenden Spannungsbogen, da zu keiner Zeit auch nur irgendeine wirkliche Gefahr von dem Geist ausgeht, auch als nach dem Auszug von M eine neue Familie einzieht – mal abgesehen von ein paar Tassen und Tellern, die er zu Bruch gehen lässt.

Und auch die lediglich beobachtende Perspektive, die der Kinobesucher gemeinsam mit C einnimmt, ist zunächst gewöhnungsbedürftig. Lange Zeit geschieht nämlich nicht viel mehr, als dass der alles andere als bewegungsfreudige Geist seine Ex-Frau bei der Trauerarbeit beobachtet. Nach einiger Zeit verschwimmen die Zeitebenen und der ohnehin nicht chronologisch erzählte, mit Flashbacks versehene Film, legt an Komplexität noch eins oben drauf. Dies alles macht klar: bei „A Ghost Story“ handelt es sich mit Nichten um einen klassischen Geister-Grusler mit den gewohnten Schockeffekten. Vielmehr ist „A Ghost Story“ eine schwere fassbare und vertrackte, aber ungemein intensive und alles andere als gängige filmische Erfahrung, die lange im Gedächtnis bleibt. Dabei spielt es keine Rolle, ob man sich zu den Personen zählt, die den Film schätzen oder zu jenen, denen er zu affektiert, esoterisch oder verkopft erscheint.

Eine zentrale Stellung in „A Ghost Story“ nimmt übrigens die Musik von Daniel Hart ein, der mit Lowery schon für „Elliot, der Drache“ zusammenarbeitete. Die sanften Klänge, die in vielen Szenen die Stimmung entscheidend verstärken, stehen dabei stellvertretend für die verbale Kommunikation, die in auf ein Minimum reduziert ist. In einem der eindringlichsten Momente des Films, blicken sich C und ein anderer Geist, der im gegenüberliegenden Haus am Fenster steht, regungslos an. Nach rund 30 Sekunden beginnen sie, mit Hilfe einfacher Gesten zu kommunizieren. Bald wird klar, dass die Geister langsam aber sicher vergessen, wieso sie in ihre früheren Häuser zurückgekehrt sind. Ihre Erinnerungen verblassen allmählich und sie wandeln auf ewig als stille Beobachter auf Erden umher. Keine besonders schöne Aussicht darauf, was uns nach dem Tod erwarten könnte.

Fazit: Esoterisch und spirituell angehauchtes, komplexes filmisches Experiment. „A Ghost Story“ wirft universelle Fragen auf und wird mit seiner reduzierten Inszenierung sowie dem sanften Spiel der Darsteller, entweder verstören oder begeistern und unendlich faszinieren.


Bewertung: 9/10

Diese Filmkritik schrieb unser Redakteur Björn Schneider.

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