The Town Filmkritik

the-townDer Bankraub als filmisches Thema ist wahrscheinlich genauso alt wie Filme über Gangster und Kriminelle, die im Spannungsfeld zwischen Loyalität und Liebe die Entscheidung treffen müssen, auf welcher Seite sie denn nun stehen. Genau dieser Motive und Handlungsebenen bedient sich Ben Affleck in seiner zweiten Regiearbeit „The Town – Stadt ohne Gnade“ und versucht, einen auf Action und Spannung setzenden Ganoventhriller mit den Zutaten eines emotionalen Liebesdramas zu kombinieren. Die Kombination dieser beiden Genres zu einem großen Ganzen förderte in der Filmgeschichte eine stattliche Anzahl an gelungenen Vorbildern zu Tage, von „Hundstage“ (1973) und „Gefährliche Brandung“ (1991) über „Heat“ (1995) als wohl bestem Gangsterfilm der 1990er-Jahre, bis hin zu „Inside Man“ aus dem Jahre 2006. Und in diese Tradition will sich Affleck mit „The Town“ nun einreihen. Und es gelingt ihm überraschend gut: Trotz altbekannter Muster und einer simplen und wenig spektakulär anmutenden Story gelingt Affleck eine vielschichtige und spannende Gangsterparabel der altmodischen Sorte. Doch bis zu seiner Arbeit als Regisseur war es ein weiter Weg.

Kaum ein anderer Hollywood-Darsteller verzeichnet eine ähnlich kurvenreiche Laufbahn voller Hoch- und Tiefpunkte. Dabei fing alles märchenhaft an. 1997 gewann Affleck gemeinsam mit seinem Busenfreund Matt Damon den Oscar für das Drehbuch zu „Good Will Hunting“, dem grandiosen Filmdrama über ein verkanntes Genie. Wie Affleck selbst? Der Oscar eröffnete Affleck zunächst alle Möglichkeiten. In der Folge war für einige Jahre einer der gefragtesten und bestbezahlten Jungschauspieler Hollywoods, der in Kassenerfolgen und Popcorn-Movies wie „Armageddon“, „Pearl Harbor“ und „Der Anschlag“ mitwirkte. Mit der Karriere ging es abwärts, als Affleck durch seine Beziehung mit Jennifer Lopez häufiger in den Boulevardmedien als in Filmen zu sehen war. In die Zeit der Beziehung fallen demzufolge auch seichte Filme wie „Gigli“, „Paycheck“ oder „Jersey Girl“, die sowohl künstlerisch als auch kommerziell enttäuschten. Kein anderer Schauspieler wurde in seiner Karriere häufiger für die Goldene Himbeere, den Anti-Oscar, für besonders schlechte schauspielerische Leistungen nominiert. Mit „Gone baby gone“ sorgte Affleck 2007 dann für eine handfeste Überraschung, als er für einen Film zum ersten mal hinter der Kamera stand und einen überzeugenden, soliden Kriminalthriller vorlegte der von der Kritik durchweg positiv aufgefasst wurde. Auf etlichen Festivals erhielt Affleck Debütpreise als bester Newcomerregisseur.

Überließ er in „Gone baby gone“ noch seinem Bruder Casey Affleck die Hauptrolle, schlüpft er in „The Town“ wieder selbst in die Rolle der Hauptperson. Wieder adaptiert Affleck mit Chuck Hogans Vorlage einen Roman über ein zwielichtiges Milieu und macht erneut Boston zum Schauplatz der Handlung. Die titelgebende „Town“ in Afflecks Film ist Boston, eine zur Bankräuber-Metropole verkommenden Stadt. Die meisten der bösen Jungs und Verbrecher stammen aus dem Viertel Charlestown, dort lebt auch der clevere Kleingauner Doug McRay (Ben Affleck). Ganz in der Tradition seines Vaters, gehört auch Doug zum kriminellen Untergrund und hat sich im Laufe der Jahre zu einem erfolgreichem Bankräuber entwickelt. Gemeinsam mit seinem Jugendfreund Jem (Jeremy Renner), einem unberechenbaren, übermotivierten Hitzkopf und zweier anderer Freunde, erleichtert Doug die Tresore der Stadt. Dabei geht die Bande stets schnell und sauber vor, Verletzte oder gar Tote gab es noch nie – bis jetzt. Beim jüngsten Bankraub tickt Jem aus, verletzt einen Angestellten schwer und nimmt die Bankmanagerin Claire (Rebecca Hall) als Geisel. Nach geglückter Flucht, lässt die Bande Claire wieder laufen. Später erfahren sie, dass Claire in demselben Viertel wohnt wie ihre Entführer. Um herauszufinden ob Claire bei dem Überfall etwas gehört oder gesehen hat und ihre Entführer möglicherweise identifizieren kann, nähert sich Doug der jungen Frau, horcht sie unauffällig aus und verbringt mehr und mehr Zeit mit ihr. Verständlich, das Jem das gar nicht gerne sieht, möchte er Claire doch am liebsten schnellstmöglich aus dem Weg räumen. Die Beziehung der beiden Freunde bekommt erste Risse. In der Zwischenzeit ist die Viererbande längst in den Fokus einer Spezialeinheit um den FBI-Agenten Adam Frawley (Jon Hamm) geraten…

Guter Cop gegen raffinierten Dieb – Eine Konstellation, wie sie als filmische Rahmenhandlung unzähliger Ermittlungsthriller hinlänglich bekannt ist und man schon oft gesehen hat. Auch in „The Town“ spielt das Duell Gut gegen Böse, die Jagd des FBI-Mannes auf die Bankräuber eine wichtige, aber längst nicht die tragende und entscheidende Rolle. Affleck geht an dieser Stelle schlau vor und versucht erst gar nicht, in die großen Fußstapfen von „Heat“ zu treten, in dem das Duell Al Pacino (Cop) vs. Robert DeNiro (Gangster) klar im Zentrum steht. „The Town“ rückt vielmehr das Beziehungsgeflecht der drei Hauptpersonen (Doug-Claire-Jem) in den Mittelpunkt sowie die damit einhergehenden Gewissenskonflikte, die in Doug entstehen. Letztlich dreht sich alles um die Frage, für was – oder besser für wen -sich Doug entscheidet. So steuert der Film unaufhaltsam auf ein großes emotionales Finale zu. „The Town“ ist in diesem Sinne mehr spannendes Kriminaldrama als actionreicher Gangsterthriller. Es sind nicht die Actionszenen (die solide und handwerklich einwandfrei umgesetzt sind) die „The Town“ ausmachen sondern die sorgfältig herausgearbeitete Charakterzeichnung der Protagonisten sowie deren Entwicklung im Verlauf der Handlung.

Neben einem hervorragenden Cast (Jeremy Renner überzeugt als brutaler Jugendfreund Jem ebenso wie Rebecca Hall als verstörte Bankangestellte) sowie dem intensiven Spiel von Affleck selbst, überzeugen vor allem die starken Bilder eines heruntergekommenen Stadtteils von Boston, in dem die soziale Unterschicht ein trostloses Dasein fristet und zu einem Großteil in kriminelle Machenschaften verstrickt ist. So kann man „The Town“ fast als eine Art Liebesbekenntnis an Bostons düsterste Ecken verstehen, die in stilvollen und einprägsamen Bildern eingefangen werden.

Trotz einer wenig innovativen Story ohne große Überraschungen, überzeugt „The Town“ dennoch dank ausgezeichneter schauspielerischer Leistungen und einer exzellenten Charakterführung als stimmige Mischung aus Thriller, Drama und Romanze, die zudem noch blendend unterhält.

Diese Filmkritik schrieb unser Redakteur Björn Schneider


Darsteller

  • Ben Affleck
  • Rebecca Hall
  • Jon Hamm
  • Blake Lively

Produktionsjahr:
2010

The Town Trailer


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