2012

2012Deutsche haben es in Hollywood traditionell eher schwer und können sich nur selten durchsetzen. Zumindest im Regiebereich weist Deutschland aber zwei Giganten ihrer Zunft auf: Wolfgang Petersen und vor allem Roland Emmerich. Mit „Independence Day“ gelang ihm ein Actionkracher, der noch heute von vielen als Meilenstein der Science Fiction betrachtet wird.

Knapp zwei Jahre nach seinem von der Kritik verrissenen „10.000 B.C.“ feiert Emmerich dank „2012“ ein triumphales Comeback. Wenig verwunderlich: Statt lediglich die Menschheit der Bedrohung durch Außerirdische oder eine Klimakatastrophe („The Day After Tomorrow“) auszusetzen, geht es diesmal dem gesamten Planeten an den Kragen. Ob das Weltuntergansspektakel den hohen Erwartungen entspricht, könnt ihr in nachfolgender Rezension lesen. Diese haben die Maya garantiert nicht vorhergesehen …

Die Wetteraussichten: Heftige Neutrinostrahlungen die Erde vernichten!

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Wissenschaftler Dr. Helmsley (Chiwetel Ejiofor) wird 2009 von seinem indischen Kollegen und Freund Tsurutani von beunruhigenden Vorgängen unterrichtet: Der Erdkern heizt sich auf Grund heftiger Neutrinostrahlung auf, was zur Folge haben werde, dass die Erdkruste im Jahr 2012 schmelze. Dies werde zum Auseinanderbrechen der tektonischen Platten und somit dem Ende der Menschheit führen. Geschockt beschließen die Regierungschefs der größten Länder die Errichtung von Archen, um das Überleben der Menschheit zu ermöglichen. Allerdings können diese nur wenigen Menschen Platz bieten …

Drei Jahre später: Viel Erfolg in seinem Leben hatte der erfolglose Romanautor Jackson Curtis (John Cusack) bislang nicht. Seine Bücher verkaufen sich kaum, weshalb er gezwungen ist, als Chauffeur für den undurchschaubaren russischen Milliardär Karpov zu arbeiten. Außerdem ist seine Ehe mit Kate (Amanda Peet) gescheitert, die inzwischen glücklich mit Gordon (Thomas McCarthy) liiert ist. Deprimiert holt Jackson seine beiden Kinder Noah (Liam James) und Lilly (Morgan Lily) von Kate ab, um mit ihnen den Yellowstone Nationalpark zu erkunden.

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Dort werden er und seine Kinder zunächst vom US-Militär angehalten und über den Grund ihres Aufenthalts befragt. Nach ihrer Freilassung laufen die Drei dem anscheinend paranoiden Verschwörungstheoretiker Charlie Frost (Woody Harrelson) über den Weg, der Ungeheures via Äther verbreitet: Die Erde werden schon bald untergehen! Zunächst hält ihn Jackson für einen Verrückten. Doch allmählich begreift er, dass Charlies Recherchen ernst zu nehmen sind und ihm und seiner Familie nur noch wenige Stunden bleiben, um dem Inferno zu entgehen. Ein schwieriges Unterfangen, halten doch nun ihn wiederum alle für verrückt …

Es zischt, es platzt, es kracht – das hat der Emmerich gemacht!
„2012“ ist klassisches Popcorn-Kino: Der Zuschauer wird durch eine letztendlich nebensächliche Rahmenhandlung gehetzt, um durch möglichst bombastische Effekte in Erstaunen versetzt zu werden. Kaum jemand, abgesehen vielleicht von Steven Spielberg oder James Cameron, beherrscht diese Kunst besser als der gebürtige Stuttgarter Roland Emmerich.

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Dabei böte der Aufstieg Emmerichs zu einem der erfolgreichsten Regisseure der Welt Stoff für einen eigenen Streifen: Schon der Abschlussfilm für sein Studium – „Das Arche-Noah-Prinzip“ – wird ungeheuer aufwändig in Szene gesetzt und befasst sich mit dem in Mitteleuropa nach wie belächelten Genre der Science Fiction. Mit „Moon 44“ und „Universal Soldier“ macht er international auf sich aufmerksam, ehe ihm mit „Stargate“ der endgültige Durchbruch gelingt.

Der von so manchen Zeitgenossen als größenwahnsinniger Spinner verspottete Emmerich hat inzwischen die Freiheit, mit ungeheuren Budgets beliebige Stoffe zu verfilmen. Und dies fast immer mit Erfolg: „Independence Day“, „Godzilla“, „The Day After Tomorrow“ und 2009 schließlich „2012“. Dabei bietet er absolut alles auf, was beim jeweiligen Stand der Technik auch nur möglich ist. Während aber sein Vorgängerfilm „10.000 B.C.“ erstmals in Punkto Effekte für Enttäuschung sorgte, merzt der schwäbische Spielberg diese Scharte mit „2012“ aus: Der (buchstäbliche) Untergang Kaliforniens ist unglaublich überzeugend und realistisch animiert und kommt als Effektgewitter atemberaubend hautnah in seiner enormen zerstörerischen Wirkung über die Leinwand.

Von Anfang bis Ende, Krawalle Grande
Zweieinhalb Stunden lang lässt Emmerich den Zuschauer an seiner Vision der Apokalypse teilhaben. Freilich: So großartig sein Krawall-Film optisch funktioniert, so sehr muss man beim Drehbuch selber Abstriche in Kauf nehmen. Wie in allen seinen Filmen zeigt Emmerich Schwächen beim Aufbau einer in sich logischen, gleichwohl straffen Handlung. In diesem Punkt ist er von den eingangs erwähnten Regisseuren noch ein Stückchen weit entfernt. Wenn etwa ein Hobby-Pilot eine ihm völlig unbekannte Maschine durch kollabierende Hochhäuser steuert, ohne dass das Flugzeug auch nur einen Kratzer abbekommt, verlangt ein Film vom Betrachter einiges.

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Ärgerlicher sind allerdings die völlig fehlenden Charakterisierungen und Dialoge haarscharf an der Grenze zur Selbstparodie. John Cusack ist als Loser, der plötzlich zum Helden aufsteigt, hoffnungslos unterfordert. Seine Figur des sympathischen Verlierers, der über sich hinauswächst, um seine Familie zu retten, ist gerade im Katastrophenfilmgenre dermaßen abgedroschen, dass man für jede originelle Idee dankbar wäre. Eine solche Gelegenheit hätte Woody Harrelson als „Verschwörungstheoretiker“ geboten. Leider verschwindet dieser nach wenigen Szenen völlig von der Bildfläche – schade, denn der blendend aufgelegte Harrelson wäre eine erfrischende Abwechslung gewesen! So weit reichte denn der Mut zu Neuem doch nicht.

Politisch korrekt vor Islamisten versteckt
Apropos: Wie schon Ridley Scott mit „Königreich der Himmel“ vermeidet Emmerich jeden potenziellen Reibungspunkt für radikale Moslems. Während der Petersdom und die Jesus-Statue auf dem Zuckerhut Rios spektakulär zerstört werden, darf der Zuschauer keinen Blick auf die Vernichtung der Kaaba in Mekka werfen. Die entsprechende Szene wurde aus Angst vor beleidigten Fanatikern aus dem Film entfernt. Einerseits verständlich, andererseits stellt sich die Frage, ob Kunst bald nur noch unter dem Gesichtspunkt des „nur niemandem auf die Zehen steigen“ entworfen wird.

Politisch unkorrekt, Russen und Chinesen in Schubladen gesteckt
Weniger zimperlich geht „2012“ mit gängigen Klischees um: Der feiste Russe Andropov wird mit einem nervigen Akzent versehen, ist laut, vulgär, geschmacklos und vor allem hinterhältig. Im Gegensatz dazu werden Chinesen als arbeitsames Kollektiv präsentiert.

An den Nerven zerrt auch der bombastische Soundtrack, der sich stets wiederholt – zu passenden wie auch unpassenden Gelegenheiten.

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Fazit: „2012“ ist jenes Werk geworden, das man sich erwarten durfte. Es ist enorm lautes Krawall-Kino der Superlative, das einen zum Hinsehen zwingt, wenn es kracht und donnert. Der Rest sind unlustige Witzversuche, Klischees, redundante Rededuelle bezüglich Moral und größtenteils komplett uninteressante Charaktere. So verschwenderisch Emmerich mit den Ressourcen in technischer Hinsicht umgeht: Es wäre ein erfreulicher Fortschritt die Drehbücher überarbeiten zu lassen, bis sie auch in den leiseren Szenen für Spannung, befreiendes Lachen oder Nachdenklichkeit sorgen können.


Darsteller
John Cusack … Jackson Curtis
Chiwetel Ejiofor … Adrian Helmsley
Amanda Peet … Kate Curtis
Liam James … Noah Curtis
Morgan Lily … Lilly Curtis
Thomas McCarthy … Gordon Silberman
Oliver Platt … Carl Anheuser
Thandie Newton … Laura Wilson
Danny Glover … US-Präsident Wilson
Woody Harrelson … Charlie Frost

Regie
Roland Emmerich

Produktionsland, Jahr
USA, 2009

2012 Trailer


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