
Eines Tages erwacht eine besonders mächtige, einst als Gott verehrte Kreatur nach vielen tausend Jahren aus einem tiefen Schlaf zu neuem Leben: Apocalypse (Oscar Isaac), der erste aller Mutanten. Apocalypse vertritt wie kein Zweiter die vom Naturforscher Darwin aufgestellte Theorie, dass die schwächste Rasse nach dem Prinzip der natürlichen Auslese zum Aussterben verdammt sei. Nun macht der unbesiegbare Mutant dabei aber keine Unterscheidung zwischen seinem größten Feind, den Menschen, und seinesgleichen, den Mutanten. Er ist mehr als unzufrieden mit der Entwicklung der Welt seit seinem Tiefschlaf und damit, dass Mutanten und Menschen weitestgehend friedlich nebeneinander koexistieren. Es gelingt ihm, einige mächtige Mutanten um sich zu scharen, so z.B. Magneto (Michael Fassbender), mit denen er sein Vorhaben einer neuen Gesellschaftsordnung umzusetzen versucht. Prof. Xavier muss ein Team aus jungen Mutanten anführen und sich gegen Apocalypse stellen.
Der Vorgänger von „Apocalypse“ – „Zukunft ist Vergangenheit“ von 2014 – erwies sich mit einem weltweiten Einspielergebnis von 750 Millionen Dollar als bisher erfolgreichster Film der „X-Men“-Reihe. Regie führte Bryan Singer, der nach diesem Megaerfolg auch für „Apocalypse“ als Mann hinter der Kamera verpflichtet wurde. Nachdem bereits der aktuelle Captain-America-Film fast 150 Minuten Lauflänge aufwies, geht der Trend der Marvel Studios, epische Monumental-Blockbuster mit unzähligen Charakteren zu drehen, mit „Apocalypse“ weiter. Mit 144 Minuten Spielzeit ist er der mit Abstand längste Teil des Franchise bisher. Der dritte Film der Prequel-Reihe um James McAvoy und Michael Fassbender bietet eine Vielzahl an versteckten, eingebauten Verweisen auf die Popkultur. So trägt z.B. der Mutant Nightcrawler im Film eine rote Lederjacke – eine Hommage an die Jacke des King of Pop in dessen legendärem „Thriller“-Musikvideo. Mit 250 Millionen Dollar Budget, ist „Apocalypse“ auch der bisher teuerste aller „X-Men“-Werke.
„X-Men – Apocalypse“ krankt letztlich an denselben Dingen, die auch schon „Captain America 3“ qualitativ im Vergleich zu den Vorläufern abfallen ließen: man droht mehr und mehr, an der Vielzahl an unterschiedlichen Figuren, die sich alle durch völlig verschiedene Charaktereigenschaften und Superkräfte unterscheiden, zu ersticken. Ganz zu schweigen, dass man kontinuierlich bei der Sache bleiben muss, um den Überblick nicht zu verlieren. Dazu kommt, dass die Protagonisten aufgrund ihrer Anzahl hinsichtlich ihrer Entwicklung und dargestellten Persönlichkeitstiefe fast ausnahmslos an der Oberfläche bleiben – abgesehen von längst etablierten, dem Zuschauer allseits bekannten Figuren wie Magneto oder Prof. Xavier. Diese durchlaufen im Film eine nachvollziehbare, spannende Wandlung, alle voran Erik Lehnsherr alias Magneto, den ein schwerer persönlicher Schicksalsschlag auf die Seite von Apocalypse befördert. Michael Fassbender erweist sich auch hier wieder als großartige Magneto-Wahl, verleiht er diesem mit seinem ausgefeilten Mimik-Spiel doch immer auch etwas Bemitleidenswertes und Tragisches.
Dazu kommt – mal wieder – ein viel zu überkandidelter, brachialer Krawumm-Showdown, den man in ähnlicher Form auch schon oft auf der Leinwand zu sehen bekam. Lauter, schneller, höher, weiter – Marvel will mit seinen neuen Filmen immer noch eins drauf setzen, leider geht dies nicht selten zu Lasten der Figurentiefe sowie einer flüssigen, spannenden (da in diesem Fall überlangen) Laufzeit und langatmigen Dramaturgie. Und so muss man als Zuschauer erst gehörig Sitzfleisch mitbringen, bis der Film nach über 60 Minuten endlich an Fahrt aufnimmt. Wenn er dies dann aber einmal getan hat, dann tut er dies mit atemberaubenden Schauwerten und mitreißenden visuellen Effekten, die sich vor allem in den hitzigen, schnell geschnittenen Kämpfen und Schlachtszenen offenbaren. Viel Zeit zum Luft holen bleibt dann nicht mehr, aber die Gelegenheit dazu hatte man ja schon in der ersten Stunde, als die Geschichte – entschleunigt und mit viel Ruhe präsentiert – langsam, sehr langsam an Fahrt aufnahm. Gelungen ist zudem die Wahl des angsteinflößenden, gottgleichen Super-Mutanten Apocalypse als Hauptgegner, zu dessen Fähigkeiten u.a. Teleportation und Selbstheilung zählen. In ihm stehen die jungen Mutanten um Xavier ihrem schwierigsten, stärksten Widerpart gegenüber. Der Schauspiel-Überflieger Oscar Isaac („Star Wars VII“, „Inside Llewyn Davis“) ist übrigens zu keiner Sekunde unter der Maske zu erkennen. Hier lieferten die Make-Up-Designer und Maskenbildner ganze Arbeit.
Der Film spielt im Jahre 1983, dies nutzen die Macher für eine ganze Reihe an heiteren, unterhaltsamen Anspielungen und Reminiszenzen an Musik und Film der damaligen Zeit: neben der bereits erwähnten Michael-Jackson-Jacke, ist eine ca. dreiminütige Rettungsszene von Quicksilver mit dem Synthie-Pop-Klassiker „Sweet Dreams“ unterlegt und in einer anderen kurzen Sequenz verlassen zwei der Jung-Mutanten gerade das Kino, in dem „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ gezeigt wurde. Diese (mehrheitlich versteckten, angedeuteten) Verweise, sind spaßig und sorgen für viel Nostalgie vor allem bei älteren Zuschauern. All diese Aspekte hieven den neuen „X-Men“-Film dann doch noch knapp über Durchschnitt.
Fazit: „Apocalypse“ begeistert mit seiner fulminant-atemlosen Action, die durch die visuelle Brillanz der Effekte besonders sehenswert unterfüttert wird, und einem extrem fiesen sowie mächtigen Gegner. Dass der Film im Vergleich zu den Vorgängern qualitativ dennoch abfällt, ist der übertriebenen Überfülle an Figuren und der viel zu langen, mit Gewalt ausgedehnten Laufzeit geschuldet.
Diese Filmkritik schrieb unser Redakteur Björn Schneider.