Das Ende von Game of Thrones hat bei vielen Fantasy-Fans eine Lücke aufgerissen. Und nach dem unbefriedigenden Schluss dürstet es den Fans erst recht nach etwas, dass diese Lücke schließen kann. Auf Produzentenseite hingegen reibt man sich schon lange die Augen, wie eine Serie wie Game of Thrones denn so erfolgreich werden kann. Und kann man dieses Erfolgsrezept auch auf andere Fantasy-Universen übertragen? Mit der Verfilmung des Fantasy-Klassikers „The Witcher“ will nun Netflix in die großen Fußstapfen von Game of Thrones treten, doch ob dies auch wirklich gelingt, das erfahrt ihr nachfolgend.
Literarische Vorlage
Wer sich selbst als Computerspieler bezeichnet, dem dürfte der Witcher vor allem durch das gleichnamige dreiteilige Computerspiel „The Witcher“ des polnischen Entwicklerstudios CD Projekt RED bekannt sein. Dieses wiederum basiert auf der Hexer-Romanreihe des polnischen Schriftstellers Andrzej Sapkowski. Dabei ist es dem Erfolg des Computerspiels zu verdanken, dass auch die Romanreihe einen großen Zuspruch über die polnischen Grenzen hinweg erhalten hat. Da ist es durchaus ironisch, dass ausgerechnet der Hexer-Schöpfer Spkowski nicht an das Computerspiel-Projekt glaubte und die Rechte daran für ein Appel und Ei verkaufte (angeblich für etwas mehr als 8.000 Euro). Als der Schriftsteller vom Erfolg des Computerspiels erfuhr, verklagte er das Entwicklerstudio auf eine Kompensation durch entgangene Gewinne. Auch wenn sich CD Projekt RED dagegen zu Wehr setzte, wurde nun inzwischen bekannt, dass sich das Computerspiele-Unternehmen und der Schriftsteller außergerichtlich geeinigt haben sollen.
Einen besseren Deal wird Sapjowski durch die Vorerfahrung wohl definitiv mit Netflix geschlossen haben. Seit 20. Dezember 2019 ist die Serie „The Witcher“ exklusiv auf Netflix zu sehen und obwohl das Computerspiel deutlich erfolgreicher war als die Bücher, basiert die Serie dennoch eher auf den Büchern als auf das Spiel. Verfilmt wurden dabei vor allem der Kurzgeschichtenband „Der letzte Wunsch“. Darüber hinaus findet man auch eine Geschichte aus dem Buch „Das Schwert der Vorhersehung“, sowie aus dem ersten Band der Witcher-Reihe „Das Erbe der Elfen“.
Verwirrende Zeitsprünge
Auch wenn es der Serie überhaupt nicht gerecht wird, muss ich leider an der Stelle gleich mit einem der größten Kritikpunkte beginnen. Der Tatsache geschuldet, dass die Serie eben größtenteils auf dem Kurzgeschichtenband basiert, der selbst wiederum eher einzelne Geschichten umfasst, die wenn überhaupt nur sehr lose aufeinander aufbauen, fällt den Show-Machern etwas auf die Füße. Denn sie haben nun versucht, die einzelnen Geschichten miteinander zu verknüpfen, was ihnen leider nur bedingt gelungen ist.
Die vielen parallelen Handlungen, kombiniert mit unzähligen Zeitsprüngen, machen es vor allem Witcher-Neulingen sehr schwer, immer der Geschichte auch folgen zu können. Doch nicht nur die Zeitsprünge an sich verwirren, als Zuschauer kann man auch schnell das Gefühl verlieren, wie viel Zeit nun in einem Handlungsstrang schon verstrichen ist. Etwas besser gelingt das, wenn man sich kurz davor die Bücher durchgelesen hat, dann kann man die einzelnen Geschehnisse viel besser einordnen. Vorkenntnisse sollten aber eigentlich nicht von einem Zuschauer erwartet werden, ein roter Faden sollte auch so erkennbar sein. Hier hat die erste Staffel der Witcher-Serie aber definitiv ihre Achillesverse, es bleibt zu hoffen, dass das sich mit der zweiten Staffel bessert.
Grandiose Schauspieler
Großes Lob hingegen gebührt Henry Cavill, der den Hexer (Witcher) Geralt von Riva perfekt verkörpert. Bei der Ankündigung seines Charakters gab es durchaus viele Bedenken, ob er den doch etwas schwierigen Charakters Geralts auch Glaubwürdig verkörpern kann. Er kann, und wie.
Neben der allgemeinen schauspielerischen Leistung, begeistert bei der Darstellung des Hexers insbesondere die beeindruckenden Schwertkämpfe, bei denen Geralt durch die Gegner wirbelt, wie es nur ein echter Hexer machen könnte.
Auch die beiden anderen Hauptcharaktere, Cirilla von Cintra (gespielt von Freya Allan) und Yennefer von Vengerberg (gespielt von Anya Chalotra) machen ihre Sache gut, kommen aber an die Darstellung von Cavill nicht heran.
Für die lustigen Elemente in der Serie sorgen die Dialoge des doch meist griesgrämigen Hexers Geralts mit dem Barden Rittersporn (gespielt von Joey Batey).
Überzeugende Fantasy-Welt mit grandioser Musik
Die Welt von „The Witcher“ ist wie auch schon „Game of Thrones“ in einem Fantasy-Mittelaltersetting gehalten. Auch wenn der Vergleich mit „Game of Thrones“ unfair ist, da bei „The Witcher“ zumindestens aktuell deutlich weniger Budget dahinter steht, dann muss man aber doch konstatieren, dass den Machern durchaus eine überzeugende Welt gelungen ist. Allerdings besteht an der ein oder anderen Stelle noch etwas Verbesserungspotential. Zu nennen wären beispielsweise hier die Rüstungen der Nilfgaarder-Soldaten, die schon sehr nach Plastik aussehen und so das Eintauchen in die Welt doch gehörig stört. Hier hat man sich eher an schlechtes Cosplay erinnert gefühlt als an die düsteren und kaltblütigen Metzler, die sie in vielen Situationen eigentlich darstellen sollen. Auch die Darstellung der Welt von The Witcher schwankt von düster und stimmungsvoll zu künstlich, im Studio entstanden Szenen.
Über die gesamte erste Staffel hingegen konnte die Musik überzeugen. Diese stammt von Sonya Belousova und Giona Ostinelli und erinnert an die epische akustische Untermalung aus den Computerspielen, insbesondere von The Witcher 3: Wild Hunt.
Fazit: Gelungene erste Staffel mit Potential für mehr
Zwar nicht so episch und aufwändig produziert wie Game of Thrones, ist The Witcher dennoch definitiv eine Serie, die allen Fantasy-Fans ans Herz gelegt werden kann. Im besten Fall hat man die Geschichten schon vor dem Schauen der Serie gelesen, um diese besser folgen zu können. Falls nicht, sollte man sich dennoch nicht von den wilden Zeitsprüngen durcheinander bringen lassen. Entschädigt wird man nämlich mit einer spannenden und durchaus konfliktbeladenen Fantasy-Welt, durch die sich der Hexer Geralt, grandios verkörpert von Henry Cavill, durchschlagen muss. Unterstrichen durch eine mehr als nur epischen Musik macht die erste Staffel von „The Witcher“ schon extrem viel Spaß und man darf sich schon auf die Fortsetzung folgen. Einziger Minuspunkt, nur als Netflix-Abonnement kommt man gerade in den Genuss der „The Witcher“-Serie.
Bewertung: 7/10