The Midnight Meat Train

The Midnight Meat Train FilmkritikAls 1984 Clive Barkers „Bücher des Blutes“ erschienen, verlor der bis dato oft streichelweiche Horror seine Unschuld. Wie ein Tornado wirbelten die grausigen, skurrilen, schwarzhumorigen Kurzgeschichten des Briten die Ordnung der Horrordinge durcheinander und ließen keinen Grabstein auf dem anderen. Umso stärker verwundert es, dass Verfilmungen seiner Werke bis heute Mangelware darstellen.
„The Midnight Meat Train“ wird an diesem Umstand wohl wenig ändern, denn der moderat budgetierte Horrorstreifen erwies sich als finanzieller Totalflop. Zu Recht oder zu Unrecht? Steigt ein in den Kritiker-Express und erfahrt es … falls ihr euch traut …

Lebenszeit sparen, U-Bahn fahren
Der nicht gerade erfolgsverwöhnte Fotograf Leon (Bradley Cooper) wittert die Chance seines Lebens, als ihn die berühmte Galeristin Susan (Brooke Shields) zu einem Gespräch einlädt. Zu seiner Enttäuschung ist sie aber von seinen Aufnahmen wenig begeistert. Trost spendet ihm seine hübsche Freundin Maya (Leslie Bibb), die in einem schmuddeligen Lokal ihre kargen Brötchen verdient.

The-Midnight-Meat-Train 1

Unfreiwillig wird Leon eines Tages Zeuge, wie eine junge Frau in der U-Bahn von drei Halbstarken belästigt wird. Es gelingt Leon, ohne jegliche Gewaltanwendung die Angreifer von ihrem Opfer abzubringen. Doch die Rettung erweist sich für die Frau als trügerisch: Kurz nachdem sie in die U-Bahn eingestiegen ist, wird sie brutal ermordet. Plötzlich sieht sich Leon mit einem Mordfall verbunden, schaltet jedoch nicht die Polizei ein, sondern ermittelt auf eigene Faust.

Tatsächlich stößt er auf die Spur des wortkargen Killers Mahogany (Vinnie Jones), der bereits eine ganze Reihe von Menschenleben auf dem Gewissen hat. Der Kontakt mit Mahogany scheint einen verderblichen Einfluss auf Leon zu haben, denn nach und nach verändert sich auch sein eigenes Wesen, bis es sogar Maya mit der Angst zu tun bekommt …

In der Kürze liegt die Würze
Die auf Deutsch in Band 1 der „Bücher des Blutes“ abgedruckte Kurzgeschichte „Der Mitternachts-Fleischzug“ zählt nicht nur zum Besten aus der Feder Clive Barkers, sondern zu den Höhepunkten des gesamten Horrorgenres. Kompromisslos verdichtet Barker darin gleich mehrere klassische Themen des modernen Horrors auf wenige Seiten, erschafft eine unnachahmliche Atmosphäre, lässt den Leser gleichermaßen schaudern, wie auch nervös kichern, und schüttelt quasi zum Drüberstreuen eine Wahnsinnspointe aus dem Ärmel.

Dass der zumindest in hiesigen Breiten eher unbekannte Japaner Ryuhei Kitamura eine denkbar schwierige Aufgabe übernommen hatte, als er sich für die Regie des rund 15 Millionen Dollar teuren Streifens entschied, kann somit nicht überraschen. Auf der technischen Ebene bietet der Film hervorragende Kost: Interessante, mitunter gewagte Kamerafahrten, einwandfreie Spezialeffekte und eine flüssige Regie machen „The Midnight Meat Train“ zu einem durchaus respektablen Genrebeitrag.

Auch die Schauspielerriege weiß zumindest zu befriedigen: Vinnie Jones als wortkarger Killer erfüllt seine Rolle hervorragend, während Bradley Cooper eine Spur zu weichgespült daherkommt, um ehrliche Sympathien zu wecken. In die Kategorie „was wurde eigentlich aus …?“ fällt der Kurzauftritt der einst umschwärmten und deutlich in die Jahre gekommenen Brooke Shields. Ob die gute Brooke mutig zu ihrem Alter steht oder der Visagist schlichtweg unfähig ist, bleibt wohl ein Rätsel.

the-midnight-meat-train_4

Die Probleme des Filmes liegen in seiner Struktur begründet: Während die Kurzgeschichte, auf der er basiert, kein Gramm Fett an den Hüften aufweist, ist der Streifen schlicht und ergreifend zu ausführlich geraten. Rund 100 Minuten Länge wollen mit einer mitreißenden Geschichte gefüllt sein, was zu einem altbekannten Dilemma führt: Einzelne Versatzstücke der literarischen Vorlage werden übernommen, um die herum mühsam ein wackeliges Gerüst gebaut wird. Leider trägt das Drehbuch die Reminiszenzen an Barkers Meisterwerk nur bedingt.

Während in der Kurzgeschichte kaum mehr geschieht, als einerseits den Killer bei seinem Handwerk, andererseits einen unbeteiligten Buchhalter bei der fatalen Entscheidung, die U-Bahn zu nehmen, zu begleiten, wird der Film künstlich auf eine viel zu üppig geratene Lauflänge gedehnt. Dies führt dazu, dass Kenner der Vorlage nur noch weniges im Film wiedererkennen und manches sogar ins Gegenteil verkehrt wird.
Die gesamte Hintergrundgeschichte, Leons Freundin, der weibliche Detective, die von Leon gerettete Frau, ein guter Freund – sie alle dienen letztendlich nur als Staffage, um die Filmlänge zu rechtfertigen.

Die Handlungsstränge wirken deshalb auch merkwürdig zusammenhanglos: Mal wähnt man Mahogany als Protagonisten, dann steht plötzlich Maya im Mittelpunkt; heftige Splatterszenen wechseln sich mit eher drögen Dialogen ab.
Was in weitaus stärkerem Maße für Verärgerung sorgt, sind die drastischen Änderungen der Vorlage: Mahogany, dem in Barkers Werk noch ein Profil verliehen wird, mutiert zum komplett eindimensionalen Killer (der, ohne zu viel verraten zu wollen, wie inzwischen leider in Genrefilmen üblich, widerstandsfähiger als der „Terminator“ zu sein scheint). Jene wichtigen Erklärungen, die der Geschichte einen zusätzlichen Gänsehautcharakter verleihen, werden im Film erst gar nicht aufgegriffen, wie man als Kenner der Geschichte auch vergebens auf andere wichtige Plotentwicklungen wartet.

the-midnight-meat-train_2

Gerade der Schluss ist die wohl größte Schwäche des Filmes: Obwohl die „Pointe“ längst klar ist, versucht der Streifen, den Zuschauer auf die Folter zu spannen, was den schalen Nachgeschmack hinterlässt, man würde ihn für völlig bescheuert halten. Apropos: Obwohl der Twist quasi deckungsgleich mit der Vorlage endet, unterscheidet sich der Weg bis dahin radikal vom Buch. Schade, denn auch in diesem Punkt vermag das Drehbuch nicht zu überzeugen, sondern das Gegenteil zu bewirken: Der Zuschauer wird mit der Nase auf Dinge gestoßen, die er eigentlich erst sehr viel später erkennen sollte.

Schlachtplatte de Luxe
Horrorfans werden dennoch von dem Film begeistert sein: Zumindest in der ungeschnittenen Fassung fließt nicht nur ordentlich Blut, sondern wird gehackt, verstümmelt und malträtiert, was die FX-Abteilung hergibt. An der streckenweise ärgerlich dünnen und aufgesetzt wirkenden Story sollte man sich besser nicht stoßen.

the-midnight-meat-train_3

Alles in allem vermag „The Midnight Meat Train“ deshalb auch nicht vollends zu überzeugen. Zu unausgegoren das Drehbuch, zu uninteressant der Killer, zu vorhersehbar der „Twist“. Die gelungenen Kameraperspektiven und das Gemetzel können die Schwächen nicht völlig aufwiegen. Dennoch kann man den Streifen als einen der besseren Genrebeiträge der letzten Zeit betrachten, der erheblich besser, aber auch schlechter hätte ausfallen können.
Optimal wäre eine werkgetreue Verfilmung von etwa halber Lauflänge gewesen. Verständlicherweise entschied man sich für einen Spielfilm, um in den Kinos punkten zu können, was schlussendlich in die Hose ging.

Somit können Freunde gepflegten Horrors unbesehen zu dem Film greifen. Wer mit derlei Filmkost wenig oder gar nichts anfangen kann, wird auch durch „The Midnight Meat Train“ nicht zur dunklen Seite der Filmkunst bekehrt werden.


Darsteller

  • Bradley Cooper … Leon
  • Leslie Bibb … Maya Jones
  • Vinnie Jones … Mahogany
  • Brooke Shields … Susan Hoff
  • Tony Curran … Bahnführer
  • Barbara Eve Harris … Detective Lynn Hadley
  • Roger Bart … Jurgis Tompkins

Regie
Ryuhei Kitamura

Produktionsland, Jahr
USA, 2008

The Midnight Meat Train Trailer



Das könnte dir auch gefallen:

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.