Drei Jahre nachdem sein Spielfilmdebüt „Alien 3“ sowohl an den Kinokassen, als auch bei den Kritikern gnadenlos durchgefallen war, wagte sich David Fincher an sein zweites Projekt. Und landete damit nicht nur einen der Kinohits des Jahres, sondern erntete zudem begeisterte Kritiken und genoss mit einem Schlag den Ruf eines Wunderkinds. Ob „Sieben“ nur ein besonders geschickt gehypter Streifen oder doch ein genialer Thriller ist, der seither als Schablone zahlreicher ähnlich gestrickter Filme verwendet wurde, wollen wir im Folgenden ergründen.
Letale Todsünden
Nur noch wenige Tage trennen Detective Somerset (Morgan Freeman) von seiner Pensionierung. Doch anstatt eine ruhige Kugel schieben zu können, sieht er sich zum einen mit dem überehrgeizigen, jungen Detective Mills (Brad Pitt), zum anderen mit einem besonders abscheulichen Mord konfrontiert: Ein Mann war in seiner eigenen Wohnung gezwungen worden so viel zu essen, bis er daran starb.
Kurze Zeit später wird der berühmteste Anwalt der Stadt leblos aufgefunden und Sommerset wird klar, dass es sich bei den Morden um die Taten eines Serienkillers handelt, der jeden Mord nach dem Vorbild der Sieben Todsünden begeht. Sommerset und Mills sehen sich mit der schier unlösbaren Aufgabe konfrontiert diesen Serienkiller zu schnappen, ehe er sein Werk vollenden kann.
Dabei ahnen sie nicht, dass sie selber Teile dessen ausgeklügelten Planes sind …
Genre-Referenz
Um es vorwegzunehmen: Ja, „Sieben“ ist jener geniale Thriller, als der er angepriesen wird! Und dies, obwohl weder der Basisplot – Polizeibeamte jagen einen Serienkiller -, noch die düstere Atmosphäre durch Originalität glänzen.
Tatsächlich bedient sich Ex-Musikvideoproduzent Fincher altbekannter Motive und arrangiert sie dermaßen geschickt, dass beim Zuschauer stets das Gefühl aufkommt, etwas völlig Neues zu sehen.
Stellvertretend dafür sei das „Buddy“-Motiv genannt: Zwei ungleiche Menschen, die sich anfangs spinnefeind sind, raufen sich im Laufe des Filmes zusammen und werden zu Freunden oder lernen zumindest, den jeweils anderen zu respektieren. Im Falle von „Sieben“ sind das der alte, zynische Detective Sommerset und der Jungspund Mills, der noch von der Hoffnung beseelt ist, mit seiner Arbeit die Welt ein Stückchen weit verbessern zu können.
Geschickt vermeidet es Fincher, die beiden Protagonisten formelhaft Freundschaft schließen zu lassen. Tatsächlich verbessert sich das Verhältnis der beiden zueinander erst, als Sommerset von Mills Ehefrau Tracy (Gwyneth Paltrow) telefonisch zum Abendessen eingeladen wird.
Auch die Figur des genialen Serienkillers wurde äußerst geschickt angelegt und weist einen einmaligen Clou auf, indem dieser nicht von der Polizei geschnappt wird, sondern sich freiwillig stellt. Was folgt ist ein atemberaubender Showdown, der ohne wilde Autoverfolgungsjagd (auf die in „Sieben“ übrigens dankenswerterweise verzichtet wird), stumpfsinnige Schießereien oder ähnliches auskommt und dennoch unglaublich spannend ist und mit einer der grandiosesten „Pointen“ der Filmgeschichte schließt.
Perfekte Rollenwahlen
Freilich stehen und fallen solche Figuren mit der Schauspielkunst der sie verkörpernden Darsteller. Wenig überraschend erwies sich die Auswahl der Schauspieler als Glückgriff: Brad Pitt, der bereits in „12 Monkeys“ erfolgreich gegen sein Image als reiner Schönling ankämpfte, legte mit seiner Interpretation des von Ehrgeiz zerfressenen jungen Emporkömmlings eine weitere Talentprobe ab. Mit Morgan Freeman, der als pessimistischer Einzelgänger Somerset trotz seines Zynismus als Sympathieträger hervorsticht, kann man ohnehin nichts falsch machen.
Dem damals noch eher unbekannten Kevin Spacey gelang als Psychopath John Doe (ein Name, der in der englischsprachigen Welt sowohl für Allerwelts-Pseudonym ähnlich dem hiesigen „Max Mustermann“, als auch für nicht identifizierte männliche Leichen steht) ein besonders schwieriger Spagat. Einerseits musste sein von Missionseifer getriebener Serienkiller ein „ganz gewöhnlicher Mensch“ sein, ohne jegliche Mystifizierung, wie sie bisweilen in vielen ähnlich gelagerten Stoffen betrieben wird. Andererseits sollte die stoische Ruhe des Psychopathen in krassem Kontrast zu dessen „Werken“ stehen.
Diese Rolle meisterte Spacey perfekt: Sein John Doe ist ein Wesen aus Fleisch und Blut, das dennoch verstörend rätselhaft bleibt und über dessen Vergangenheit nicht einmal spekuliert werden kann, da sie völlig im Dunkeln bleibt.
Ein interessantes Cameo als Dist. Atty. Martin Talbot liefert Richard Roundtree ab, der in seiner Rolle als cooler Privatdetektiv John Shaft Weltruhm erlangte.
Atmosphärisch dicht und beklemmend
Die Atmosphäre der ungenannt bleibenden, an New York erinnernden Großstadt wird faszinierend düster eingefangen. Fast ununterbrochen prasselt Regen auf sie herab, ohne sie von den Sünden und dem Schmerz reinwaschen zu können.
Der Showdown kulminiert in einem fast schon grotesk zu nennenden Szenenwechsel: Nur wenige Meilen von der Stadt entfernt breitet sich trostlose Wüste aus. Diese spiegelt symbolisch die Seelenlandschaften der Protagonisten wider, die sich, jeder auf seine Weise, mit dieser inneren Leere zu arrangieren beginnen.
Visuell unterstrichen wird die graue Eintönigkeit des Großstadtlebens durch die Farbgebung – teilweise wirkt „Sieben“ wie ein Schwarzweiß-Film -, wie auch das Verhalten von Somerset, der ein monoton klickendes Metronom als Einschlafhilfe verwendet oder etwa gedankenverloren eine Zielscheibe mit seinem Messer bewirft.
Kaum ein anderer Film versteht es auch, dermaßen überzeugend die völlige Anonymität der Großstadt einzufangen. Wie ein gigantischer Moloch verschluckt sie die in ihr gefangen wirkenden Menschen.
Diese „Gefangenschaft“ wird in den Dialogen klar, etwa wenn Somerset erklärt, weshalb er der ihm verhassten Stadt nie den Rücken gekehrt hat. Überhaupt zählen die geschliffenen, dennoch nie komplett unrealistischen Dialoge zu den größten Stärken von „Sieben“.
Ein grandioses Meisterwerk
Somit kann man „Sieben“ nur als restlos überzeugendes Meisterwerk bezeichnen, das in jeglicher Hinsicht zu begeistern versteht. Dass es sich um keine Eintagsfliege handelte bewies David Fincher wenige Jahre später mit dem nicht minder genialen, wenngleich heftig umstrittenen „Fight Club“.
Völlig zu Recht gilt „Sieben“ als Genre-Meilenstein, der sich seinen Platz in der „Hall of Fame“ der Filmwelt redlich verdient hat.
Darsteller
- Morgan Freeman … William Somerset
- Brad Pitt … David Mills
- Kevin Spacey … John Doe
- Gwyneth Paltrow … Tracy Mills
- Richard Roundtree … Martin Talbot
Regie
David Fincher
Produktionsland, Jahr
USA 1995