Reykjavik Whale Watching Massacre Filmkritik

Reykjavik Whale Watching Massacre Filmkritik
Mit Geysiren und Vulkanen ist die isländische Insel reichlich gesegnet. Erst 2010 beglückte der Vulkan Eyjafjallajökull Resteuropa mit einem charmanten Ausbruch, der zumindest für ein paar Tage angenehme Weltuntergangsszenarien ermöglichte, ehe sich die Aschewolken wieder verdünnisierten. Im Filmbereich konnte sich Island bislang international jedoch nicht behaupten.

2009 schickte sich deshalb Júlíus Kemp an, die Welt mit dem ersten isländischen Horrorfilm zu überraschen. „Reykjavik Whale Watching Massacre“ lief folglich als Uni- wie auch Kuriosum auf diversen Festivals und sorgte für gemischte Rezensionen. Ob sich das Slasher-Movie als sehenswert entpuppt oder es doch spannender wäre, eineinhalb Stunden lang Walen beim Planschen zuzugucken, erfahrt ihr in nachfolgender Kritik.

Her mit den blonden Engländerinnen!
Die Tage des Walfangens vor Island sind gezählt. Wer schlau ist, bietet Sightseeing-Touren zu den Walen an und kassiert auf diese Weise von den Touristen ab. Kapitän Pétur (Gunnar Hansen) zählt zu den Profiteuren der unblutigen Fotosafaris auf Hoher See. Aber nicht alle teilen diese verlockende Geschäftsidee und trauern den guten, alten Zeiten des Walfangs nach.

Nichtsdestotrotz lässt es sich eine Handvoll Touristen aus aller Damen und Herren Länder nicht nehmen, die Giganten der Meere beim Auftauchen und elegant im Meer dahingleiten zu beobachten. Neben mehreren skandinavischen Emanzen, zwei Engländerinnen, dem Amerikaner Leon (Terence Anderson), einem dauerbesoffenen Franzosen (Aymen Hamdouchi) sowie drei skurrilen Japanern befinden sich nur der Kapitän Pétur und sein Steuermann an Bord des kleinen Schiffes. Zunächst verläuft die Tour ohne nennenswerte Zwischenfälle. Bis mit dem Matrosen die Hengste durchgehen und er eine der beiden Engländerinnen in der Kabine zu vergewaltigen versucht, während gleichzeitig sein Boss unbeabsichtigt von einer Harpune aufgespießt wird.

Anstatt das Schiff rasch zurück in den Hafen zu steuern, entschließt sich der Steuermann zur Flucht an Bord des einzigen Rettungsboots. Was tun? Offenbar ist den Touristen doch noch das Glück hold, nachdem scheinbar zufällig ein ehemaliges Walfangschiff ihre Hilferufe vernommen hat. Aber statt Rettung finden die höchst konträren Charaktere drei Psychopathen vor, die sich für das Ende ihres geliebten Berufsstandes weidlich rächen …

Ein Witz von einem Witz
Formell folgt „Reykjavik Whale Watching Massacre“ weitestgehend den sattsam bekannten Horrorfilmkonventionen. Eine Gruppe ahnungsloser Touristen stolpert fernab der Zivilisation in eine Horde durchgeknallter Verrückter und muss sich mal mehr, mal weniger erfolgreich seiner Haut erwehren. Erinnert verdächtig an Tobe Hoopers „The Texas Chainsaw Massacre“ und mittlerweile kaum noch zählbarer Epigonen? Richtig! Unterstrichen wird diese Referenz an einen der berühmtesten Slasherfilme überhaupt durch Gunnar Hansen. Dieser verkörperte anno 1974 in besagtem Horrorstück Leatherface.

35 Jahre später endet er ironischerweise als erster Toter an Bord seines eigenen Schiffes und verabschiedet sich aus „Reykjavik Whale Watching Massacre“. Welches Zielpublikum Júlíus Kemp anvisierte, erschließt sich nicht gänzlich. Die Anfangssequenz des Filmes zeigt drastische und reale Bilder und Szenen der Tötung von Walen. Nach diesem etwas verstörenden Beginn folgt der eigentliche Einstieg in den Streifen, indem die Protagonistinnen des Filmes vorgestellt werden: Zwei blasse Engländerinnen. Eine stets züchtig und umsichtig, die andere hingegen der Typ blondes Flittchen. Erscheint ebenfalls bekannt? Willkommen in der wunderbaren Welt des cineastischen Recyclings!

Leider findet der Film keinen eigenen Stil, sondern kopiert schamlos Erfolgsmuster, vornehmlich aus den USA. Die Charaktere werden auf das kleinste gemeinsame Klischee reduziert – Japaner sprechen lustiges Kauderwelsch und fotografieren begeistert, Franzose Jean ist ein überängstlicher Unsympath – und sterben in meist vorhersehbarer Reihenfolge. Vor, während und nach den Tötungen blitzt meist flache Komik auf und zieht den Film in seichte Gewässer. Die Rechtfertigungen für den Touristenhass der ehemaligen Walfänger werden bestenfalls angerissen und stellen somit ein schwaches Motiv für die Untaten dar, zumal unklar bleibt, was damit eigentlich bezweckt wird. Denn als Nahrung dient die menschliche Jagdbeute jedenfalls nicht.

Isländischer Hollywood-Mainstream
Schade eigentlich um die originelle Grundidee und das verschleuderte Potenzial, einen Horrorfilm fernab des Hollywood-Mainstream zu produzieren. „Reykjavik Whale Watching Massacre“ ist kein abgrundtief schlechter Film, sondern laboriert an einem typisch europäischen Problem: Krampfhaft wird versucht, die berühmten Vorbilder aus den USA schamlos zu kopieren. Auf technischer Ebene gelingen diese Versuche mittlerweile passabel. Nur wird dabei übersehen, dass es keinen triftigen Grund gibt, sich derlei Machwerke überhaupt anzutun. Ob ein 08/15-Horrorfilmchen aus den USA, Island oder Ostfriesland stammt, macht für den Zuschauer keinen Unterschied aus.

Wie man es besser, und zwar weitaus besser, macht, exerzieren die Franzosen mit Meisterwerken wie „Martyrs“ oder wenigstens guter Genrekost à la „High Tension“ vor. Sprich: Filmen wie eben „Reykjavik Whale Watching Massacre“ mangelt es an Mut zu Eigenständigkeit. Das Anbiedern an „Wrong Turn“ & Co wirkt hingegen peinlich und komplett überflüssig. Die streckenweise absurde Handlung – eine deutliche Übermacht an Touristen, darunter drei kräftigen Männern, flieht wie aufgescheuchte Hühner vor zwei Männern und einer alten Frau. Warum? Na, um genüsslich einer nach dem anderen verhackstückt zu werden … Der Schluss bleibt überhaupt rätselhaft: Was zu den hierbei gezeigten Ereignissen führt, entzieht sich einer nachvollziehbaren Antwort.

Fazit: „Reykjavik Whale Watching Massacre“ ist wahrlich kein Ruhmesblatt für die isländische Filmindustrie. Regisseur Júlíus Kemp hat offensichtlich zu viele (schlechte) US-Horrorfilme geguckt, ehe er beschloss, es mindestens genauso gut wie die Amis zu können. Zugegeben: Er kann es! Aber wozu, wenn das Endergebnis im Grunde denselben unspektakulären Schrott ergibt?

Andererseits: Filme zu drehen ist eine weitaus sympathischere Beschäftigung, als friedliche Wale zu harpunieren …


Darsteller

  • Pihla Viitala … Annette
  • Nae … Endo
  • Terence Anderson … Leon
  • Miranda Hennessy … Marie-Anne
  • Aymen Hamdouchi … Jean Francois
  • Carlos Takeshi … Nobuyoshi
  • Miwa Yanagizawa … Yuko
  • Halldóra Geirharðsdóttir … Helga
  • Guðlaug Ólafsdóttir
  • Snorri Engilbertsson … Anton
  • Gunnar Hansen … Kapitän Pétur

Regie
Júlíus Kemp

Produktionsland, Jahr
Island, 2009

Reykjavik Whale Watching Massacre Trailer

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