Was hat der Gewinn (oder vielmehr die Zuerkennung, denn schließlich handelt es sich um keine Lotterie) des renommierten Nobelpreises mit einem Vater-Sohn-Konflikt, einer diebischen Katze und einer Entführung zu tun? Oberflächlich betrachtet nicht viel. Es sei denn, man führt sich Randall Millers „Nobel Son“ zu Gemüte, einen Genremix aus Psychothriller und schwarzer Komödie.
Der mit bekannten Schauspielern wie Alan Rickman, Bill Pullman oder Ted Danson gespickte Streifen lief in den US-Kinos praktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit und wurde in Europa gleich auf DVD veröffentlicht. Ob „Nobel Son“ zu Unrecht vom Kinopublikum verschmäht oder den Kassenflop verdiente, wird in nachfolgender, garantiert nicht nobelpreiswürdiger Kritik behandelt.
Nobel wäre es, seinen Vater zu preisen
Der Chemie-Professor Eli Michaelson (Alan Rickman) ist nicht gerade das, was man eine vorbildliche Lehrkraft und fürsorglichen Vater nennen könnte: Hübschen Studentinnen bietet er im Austausch für Zärtlichkeiten gute Noten, in Gesellschaft benimmt er sich rüpelhaft und seinen Sohn Barkley (Bryan Greenberg) verachtet er, da er ihn für einen hoffnungslosen Versager hält. Dennoch hält ihm seine Frau Sarah (Mary Steenburgen, Doc Browns Objekt der Begierde aus „Zurück in die Zukunft 3“) die Treue und stärkt ihm trotz seiner Eskapaden den Rücken.
Als er eines schönen Tages die Nachricht erhält, dass er den Nobelpreis für Chemie zugesprochen erhalten habe, ist er außer sich vor Freude. Doch ausgerechnet dieser vermeintliche Höhepunkt seines Lebens entpuppt sich als Quelle allerlei Unheils. Sohn Barkley wird vom hochintelligenten Thad (Shawn Hatosy) entführt, der als Lösegeld zwei Millionen Dollar verlangt. Um seinen Forderungen Nachdruck zu verleihen, schickt ihm Thad einen abgetrennten Daumen. Eine polizeiliche DNA-Analyse weist nach, dass dieser nicht von Barklay stammen kann. Nur eine der vielen Merkwürdigkeiten in Zusammenhang mit der Entführung, die immer wieder für neue Enthüllungen familiärer Abgründe sorgt …
Chemie zwischen den Darstellern stimmt
Was „Nobel Son“ gegenüber vielen ähnlichen Streifen auszeichnet, sind zunächst die schauspielerischen Leistungen. Routiniers wie der großartige Alan Rickman („Stirb langsam“, „Harry Potter“), Mary Steenburgen oder Bill Pullman (berühmt in seiner Rolle als US-Präsident, der den fiesen „Independence Day“-Aliens persönlich den Garaus macht) heben den Film ganz klar weit über den Genredurchschnitt. Einen vernachlässigbaren Kurzauftritt legt Danny DeVito hin, was angesichts seiner Klasse schade ist.
Zwischen den Darstellern stimmt die Chemie, was sich in Folge auch auf den Zuschauer überträgt. Die großteils prächtig aufgelegten Schauspieler füllen ihre mitunter kuriosen Rollen mit genug Leben, um dem Film zumindest etwas Glaubwürdigkeit zu verleihen. Denn gerade um diese ist es, wie bei Thrillern üblich, nicht unbedingt gut bestellt. Sprich: „Nobel Son“ verlangt dem Betrachter einige Male das Zudrücken beider Augen ab. So entpuppt sich die Lösegeldübergabe als reichlich absurd und könnte in der realen Welt nur dann funktionieren, wenn sämtliche Polizeibeamte Donuts statt Gehirnmasse im Kopf mit sich trügen.
Andererseits: Muss ein Film, zumal ein Thriller, tatsächlich realistisch sein? Schluckt man die kleinen und großen Unwahrscheinlichkeiten, wird man mit einem interessanten Film belohnt, der eine Mischung aus Krimi und schwarzhumoriger Komödie darstellt und daraus keinen Hehl macht.
Lange Anlaufzeit, bis es spannend wird
„Nobel Son“ benötigt allerdings lange Anlaufzeit, bis es so richtig zur Sache geht. Die erste Filmhälfte über werden die Charaktere eingeführt, was einiges an Aufmerksamkeit abverlangt, um die anfangs losen Fäden später zu einem sinnvollen Ganzen verknüpfen zu können. Wer sich angesichts der ersten Filmminuten an einen verschrobenen Experimentalfilm erinnert fühlt, sollte Millers Werk eine reelle Chance geben. Denn: Ab dem Zeitpunkt der Entführung legt der Film los!
Der Plot stellt die eigentliche Stärke dar: Statt eines geradlinigen Entführungsthrillers zelebriert der Streifen eine vielschichtige und wendungsreiche Geschichte, deren Dreh- und Angelpunkt letztendlich Professor Michaelsons liederlicher Lebensstil darstellt. Was geschieht, hat seine Wurzeln in seinem Verhalten. Trotzdem bewegt sich der Plot niemals in ausgelatschten Pfaden, sondern vermag den Zuschauer ein ums andere Mal zu überraschen. Nur wenige Filme schaffen es, eingedenk zahlreicher „Haken“ innerhalb der eigenen Genregrenzen nachvollziehbar und halbwegs plausibel zu bleiben.
Die Bildsprache ist dabei von sehr hoher Qualität und die Eröffnungsszene könnte glatt von einem David Fincher stammen, dermaßen mystisch aufgeladen und von einem lakonischen Erzähler untermalt erscheint sie. Nicht gänzlich geglückt ist hingegen die oft unpassende, streckenweise sogar nervige Musik. Doch dabei handelt es sich um einen der kleineren und verzeihbareren Makel.
Ob die Schlusspointe – streng genommen sind es deren sogar zwei – den Zuschauer zu überzeugen vermag, ist Ansichtssache.
Weit überdurchschnittlich gelungener Komödienthriller
Trotz einiger Unstimmigkeiten und verzichtbarem Soundtrack stellt „Nobel Son“ außerordentlich gelungene Unterhaltung dar, die den schwierigen Spagat zwischen den Genrestühlen passabel schafft und lockeren Spaß mit anspruchsvoller Story bietet. Und wer weiß: Vielleicht verbergen sich hinter so manchem Nobelpreisträger tatsächlich menschliche Abgründe …
Darsteller
- Alan Rickman … Eli Michaelson
- Bryan Greenberg … Barkley Michaelson
- Shawn Hatosy … Thaddeus James
- Mary Steenburgen … Sarah Michaelson
- Bill Pullman … Det. Max Mariner
- Eliza Dushku … City Hall
- Danny DeVito … George Gastner
- Lindy Booth … Beth Chapman
- Tracey Walter … Simon Ahrens
- Ted Danson … Harvey Parrish
- Ernie Hudson … Sgt. Bill Canega
Regie
Randall Miller
Produktionsland, Jahr
USA, 2007
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