Leb‘ wohl meine Königin Kritik

Leb wohl meine KoeniginDie Französische Revolution von 1789 bis 1799 zählt zu den bedeutendsten und folgenreichsten Ereignissen der europäischen Geschichte, mit weitreichenden Folgen für den gesamten Kontinent. Die Revolution führte zum Abbau der kirchlichen Autorität, zum Ende der absoluten Monarchie sowie zur Umsetzung von (heute selbstverständlichen) Menschenrechten wie Freiheit und Gleichheit aller Menschen. In der Frühphase dieses Umbruchs ist das opulent ausgestattete Historien-Drama „Leb‘ wohl, meine Königin“ (Les Adieux à la reine) des französischen Regisseurs Benoît Jacquot angesiedelt. Das Werk feierte als Eröffnungsfilm der diesjährigen 62. Berlinale seine Weltpremiere. Auf dem gleichnamigen Roman von Chantal Thomas beruhend, schildert Jacquot hier die Ereignisse aus der Sicht einer jungen Bediensteten am Hof von König Ludwig XVI. Vor dem Hintergrund dieser ersten Phase der Revolution gewährt der Film einen intimen Einblick hinter die Mauern von Versailles und besticht in erster Linie durch seine famose Besetzung, die üppige Ausstattung und den beeindruckenden Handlungsort (Schloss Versailles), der eine eigene Hauptrolle im Film übernimmt. Zum ersten Mal überhaupt erhielt ein Filmteam die Genehmigung, im Schloss von Versailles zu drehen.

„Leb‘ wohl, meine Königin“ führt direkt in die Frühphase der Französischen Revolution im Juli des Jahres 1789. Am Hofe des Königs Ludwig XVI herrscht Unruhe: Das Volk rebelliert und fordert weitreichende gesellschaftliche und politische Veränderungen. Eine Revolution bahnt sich an. Die junge Sidonie Laborde (Léa Seydoux), Vorleserin von Königin Marie Antoinette (Diane Kruger), erlebt aus nächster Nähe die steigende Unruhe und Nervosität unter den Adeligen und Angestellten mit. Fluchtgedanken machen sich breit. Nur für Sidonie kommt eine Flucht nicht in die Frage, da sie bis zuletzt an der Seite von Marie Antoinette, ihrer geliebten Herrscherin, bleiben möchte. Noch ahnt sie nicht, dass die letzten Tage des französischen Königshauses und ihrer Vertreter bereits begonnen haben.

Die großen Stärken von „Leb‘ wohl, meine Königin“ liegen in der herausragenden Darstellerriege und der opulenten, detailgenauen Ausstattung des Films, die einen authentischen Einblick in das Innenleben von Versailles gewährt. Diane Kruger agiert als Marie Antoinette bewusst zurückhaltend und changiert gekonnt zwischen einer umsichtigen, am Wohl ihrer Angestellten interessierten Königin mit Herz und einer kühlen, cholerischen Herrscherin, die ihre Launen an ihren Bediensteten auslässt und ab dem Zeitpunkt der beginnenden Revolution nur noch das Wohl ihrer geliebten Freundin Gabrielle de Polignac (Virginie Ledoyen) im Sinn hat. Bei der Darstellung der Königin verzichtet Regisseur Jacquot dabei auf das Bild einer allzu schillernden, stets perfekten und vergnügungssüchtigen Monarchin, wie sie z.B. in Sofia Coppolas Pop-Kostümfilm „Marie Antoinette“ (2006) von Kirsten Dunst verkörpert wurde. Diane Krugers Marie Antoinette ist alles andere als schillernd und perfekt. Sie ist leicht reizbar, aufbrausend, jähzornig und mit Beginn der Unruhen eine von Existenzängsten und Sorgen um die Monarchie geplagte Königin.

All ihre Launen und Stimmungen bekommt vor allem die junge Angestellte Sidonie ab, die eindrucksvoll und leidenschaftlich von Léa Seydoux („Midnight in Paris“, „Mission Impossible – Phantom Protokoll“) verkörpert wird. Sidonie ist die persönliche Vorleserin der Königin, die mit Hingabe ihre Arbeit für Marie Antoinette verrichtet. Aus ihrer subjektiven Sicht erlebt der Zuschauer die Auswirkungen der ersten Phase der Revolution auf den Hof des Königs mit. Die Kamera folgt ihr auf Schritt und Tritt, wenn sie durch die prunkvollen Räumlichkeiten von Versailles schreitet und die sich allmählich steigernde Furcht unter den Menschen vor den Folgen der Revolution wahrnimmt. Regisseur Jacquot spart hier bewusst die Ereignisse außerhalb des Palastes aus und konzentriert sich auf die Geschehnisse einzig im Inneren des Schlosses. An dieser Stelle hätte es dem Film durchaus gut getan, zumindest für einige wenige Szenen und Momente die Stimmung und Motivation des Volkes einzufangen, um sie dem ruhigen und behäbigen Treiben (selbst nach den beunruhigen Nachrichten aus Paris) im Schloss entgegenzusetzen. Denn: zu weitreichend und folgenreich gestalteten sich die Auswirkungen der Revolution, als dass man das Volk und die Vorfälle in Paris mit dem Sturm auf die Bastille komplett außer Acht lassen sollte. Dies ist der einzige Kritikpunkt eines ansonsten stimmigen Historiendramas, das neben seiner schauspielerischen Klasse durch seine Ausstattung und die Detailverliebtheit glänzt. Kostüme, Maske und (ganz besonders) Schloss Versailles, als Schauplatz der Handlung, sorgen für ein extrem realistisches Bild der damaligen Zeit. Auf diese Weise gelingt es dem Film spielend, die damals vorherrschende Dekadenz und den verschwenderischen Lebensstil am Hofe des Königs deutlich zu machen. Da mag es kaum verwundern, dass sich der unter Hunger leidende, einfache Bürger irgendwann dagegen auflehnen würde.

„Leb‘ wohl, meine Königin“ ist detailverliebtes Schauwert-Kino in üppiger, opulenter Ausstattung mit zwei überzeugenden Hauptdarstellerinnen.


Diese Filmkritik schrieb unser Redakteur Björn Schneider.


Darsteller:

  • Diane Kruger
  • Léa Seydoux
  • Virginie Ledoyen
  • Xavier Beauvois
  • Noémie Lvovsky
  • Vladimir Consigny
  • Julie-Marie Parmentier
  • Lolita Chammah
  • Michel Robin
  • Grégory Gadebois
  • Francis Leplay
  • Luc Palun

Regie:
Benoît Jacquot

Erscheinungsjahr:
2012

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Ein Kommentar

  1. Diane Kruger beweist abermal, dass sie mehr kann als nur gut auszusehen. Sehenswerter Historien-Schinken!

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