Francofonia Kritik

Francofonia kritikUm die Geschichte und Bedeutung des Louvre, eines der größten und wichtigsten Kunstmuseen der Welt, geht es dem russischen Regisseur Alexander Sokurov u.a. in seinem neuen Film. Aber der poetisch-geistreiche, essayistische Film ist mehr als nur eine Hommage an eines der bedeutendsten Gedächtnisse und Bewahrer (eine der zentralen Aufgaben eines Museums) der europäischen Kunst und Kunstgeschichte. Wer Sokurov kennt weiß, dass seine Filme oft voller Querverweise, Anspielungen und Assoziationen stecken und der Zuschauer aufgefordert wird, sich Gedanken und ein eigene Bild über die Geschehnisse zu machen. So ist dies auch bei seinem neuen Film der Fall. „Francofonia“ stellt zudem die Frage nach dem Zusammenhang und Abhängigkeitsverhältnis von Kunst und Politik und wozu die Gier nach Kunstschätzen und Macht die Menschen treiben kann. Den inhaltlichen und erzählerischen Aufhänger des Films bildet die wahre Geschichte um die Beziehung zwischen dem damaligen Louvre-Direktor Jacques Jaujard (Louis-Do de Lencquesaing) und dem Wehrmachtsoffizier und Kunsthistoriker Franz Wolff-Metternich (Benjamin Utzerath).

Alexander Sokurov zählt zu den wichtigsten russischen Filmschaffenden der letzten knapp 40 Jahre. Bis heute hat der Vielfilmer an die 50 Produktionen geschaffen, dabei gleichsam Spiel- wie Dokumentarfilme. Zu seinen erfolgreichsten fiktionalen Werken gehört die Verfilmung von Goethes „Faust“, für die Sokurov 2011 in Venedig mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet wurde. Seine wohl bekannteste Arbeit, die die beiden Formen – Spielfilm und Doku – auf kongeniale Weise miteinander verknüpft ist „Russian Ark“ von 2002. In dem Film lustwandelt ein anonymer Protagonist durch die Eremitage in St. Petersburg und trifft auf seinem Streifzug durch das bekannteste Museum Osteuropas auf historische Personen aus den letzten 300 Jahren russischer Geschichte. Ähnliche Elemente und Ideen nutzt der Regisseur nun auch für „Francofonia“.

Franz Wolff-Metternich, der von 1940 bis 1942 die „Abteilung Kunstschutz“ der Nationalsozialisten in Frankreich leitete, ging mit dem französischen Museums-Direktor einen geheimen, inoffiziellen Pakt ein, um die wertvollen Kunstschätze des Louvre vor der Gier der Nazis zu bewahren. Wolff-Metternich war sich zu jeder Zeit darüber klar, dass Jaujard die Schätze in Schlössern, Bergwerken und der Provinz vor der Wehrmacht in Sicherheit brachte. Dennoch unternahm er nichts und widersetzte sich damit indirekt den Weisungen und Befehlen der Nazi-Führung. Die Szenen mit den beiden historischen Figuren werden im Film von professionellen Darstellern nachgestellt, dazu vermengt Sokurov seinen Film mit schwelgerischen, atmosphärischen Kamerafahrten durch den Louvre und lässt – wie schon in seinem Meisterwerk „Russian Ark“ – prägende Figuren der Geschichte Frankreichs aufeinandertreffen.

„Francofonia“ besticht darüber hinaus durch seine komplexe, vielschichtige und kunstvolle Bildsprache sowie Aneinanderreihung und Montage verschiedener filmischer und erzählerischer Mittel sowie Elemente. Da sind z.B. die eingewobenen Original-Aufnahmen aus den frühen 40ern, die zeigen, wie die Nazis unter Hitler Paris einnehmen und in der Stadt einfallen. Oder die Spielszenen zwischen dem französischen und deutschen Kunstliebhaber bzw. –retter, die in leicht ausgeblichener, sich durch eine noch unausgereifte Farbgebung auszeichnende Agfacolor-Optik daherkommen, wie es für den deutschen Spielfilm ab 1939 üblich war. Und zwischendurch überrascht uns der unkonventionelle Filmemacher mit schrägen, aber künstlerisch anspruchsvollen und zum Nachdenken anregenden, da hintersinnigen Einfällen: etwa, wenn ein deutsches NS-Jagdflugzeug in Zeitlupen-Geschwindigkeit durch die Räumlichkeiten des Museums gleitet oder wenn Marianne, die Nationalfigur der Französischen Republik, wie apathisch die Parole „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ wiederholt.

Fazit: Ebenso kunstvolle wie ästhetisch hochwertige und zum Nachdenken anregende, filmische Abhandlung über den Zusammenhang von Kunst und Politik, die dokumentarische Elemente mit Spielszenen kombiniert.

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