Four Lions Kritik

four-lionsJeder von uns hat sich doch schon das eine oder andere Mal gefragt, wie Terroristen so ticken. Und damit sind nicht ihre Sprengzünder gemeint, sondern ihre Persönlichkeiten. Oder vereinfacht ausgedrückt: Wie wird aus einem ganz normalen Menschen ein Terrorist, der anderen Leuten nicht einfach die Pest an den Hals wünscht, sondern sie schlichtweg umbringt? Sind Terroristen grundböse Menschen? Oder wurden sie zu dem, was sie wurden, trainiert? Eine durchaus kontroversielle Frage, die Regisseur Christopher Morris einem Antwortversuch unterzieht.

Da es sich bei Morris um einen Briten handelt, ist das Ergebnis fast schon logischerweise eine bitterböse, zynische Satire, die bereits lange vor den jeweiligen Kinostarts für Diskussionen sorgte. Wagen wir uns also ins dunkle Herz der Gotteskrieger vor.

O nein! Wir haben Osama bin Laden gekillt!
Hinter der gutbürgerlich-englischen Fassade des untadeligen Omar (Riz Ahmed) lauert ein verbitterter Gotteskrieger in spe. Zwar führt der Brite mit pakistanischen Wurzeln ein offenbar bestens integriertes Leben nahe London. Doch der fürsorgliche Familienvater ist von der weltweiten Unterdrückung seiner moslemischen Brüder angeekelt und möchte seinen Beitrag dazu leisten, ihnen zu helfen.

Freilich nicht in Form irgendwelcher Pamphlete oder Begegnungstage mit Christen, sondern indem er und seine Freunde Waj (Kayvan Novak), Fessal (Adeel Akhtar) und Barry (Nigel Lindsay) den „Heiligen Krieg“ nach England tragen. Dazu bedarf es aber erst einmal einer entsprechenden Ausbildung. Deshalb fliegen Omar und Waj nach Pakistan, wo sie in einem Terrorcamp bereits erwartet werden. Leider erweisen sich ihre Ausbilder als völlig inkompetent und werden von einer US-Kampfdrohne auch ohne Flugticket in den Himmel befördert. Omar selbst killt versehentlich Osama bin Laden.

Zurück in England herrscht zunächst betretenes Schweigen angesichts des Versagens. Aber so schnell gibt Omar nicht auf: Die um einen neuen Mitkämpfer aufgestockte Terrorzelle plant einen ganz großen Coup. Der traditionelle Marathon in London soll Ziel eines blutigen Anschlags werden. Soll – denn auch in der Heimat überbieten sich die Neo-Terroristen mit ihrer Tollpatschigkeit …

Lustvolle Abrechnung mit Terroristen – und der Terrorhysterie!
Der bislang nur für britische Fernsehsender tätige Christopher Morris nahm erstmals für einen Kinofilm im Regiestuhl Platz. Und gleich sein Debütwerk „Four Lions“ wurde mit Preisen überhäuft und erweist sich als Renner. Gerade angesichts des brisanten Themas ein ungewöhnlicher Erfolg! Immerhin beschäftigte die Frage, ob man sich über Terroristen lustig machen darf, sogar einen CSU-Bundestagsabgeordneten, der dafür plädierte, den Starttermin der Satire zu verschieben, um nur ja niemandem auf den Schlips (oder den Turban) zu treten. Geholfen hat es nichts: Programmgemäß lief „Four Lions“ auch in bundesdeutschen Kinos an, ohne dass es zu irgendwelchen Zwischenfällen gekommen wäre. Andererseits zählen eingefleischte Islamisten wohl auch nicht zur angestrebten Zielgruppe dieses Filmes.

Dabei kennt Christopher Morris kein Pardon mit den selbsternannten Gotteskriegern: Lustvoll schildert er in Form einer Pseudo-Dokumentation das grandiose Scheitern der Terroristen, die, abgesehen von Mastermind Omar, über nicht allzu viel Grips verfügen und es nicht einmal schaffen, innerhalb ihrer winzigen Terrorzelle für Einigkeit zu sorgen. Die Fetzen fliegen nicht nur dann, wenn ein potenzieller Attentäter samt explosivem Handgepäck über ein Schaf stolpert. Nur mühsam kann Omar seine Mitstreiter überhaupt zusammenhalten.

In einem an Ironie nur schwer zu überbietenden Nebenschauplatz der Handlung tritt Omars Bruder auf den Plan, der geradezu die Blaupause eines Terroristen nach westlichen Vorstellungen bildet: Der streng gläubige Fundamentalist kennt sämtliche Koranverse auswendig, weigert sich, mit seiner Schwägerin zu reden, geschweige denn, sich in einem gemeinsamen Raum aufzuhalten, und sperrt seine eigene Frau zu Hause ein, um sie vor den Ungläubigen zu schützen. Und dennoch widerstreben ihm die Attentatspläne seines Bruders, für die der friedfertige Moslem kein Verständnis hegt!

Bittere und dennoch treffende Satire
Christopher Morris vermeidet es jedoch, sämtliche Moslems als potenzielle Terroristen zu brandmarken. Im Gegenteil: Indem er dem Terror konkrete Gesichter verleiht, führt er die vier (später fünf) Gotteskrieger als verirrte Schafe vor, die paradoxerweise mit dem Islam nur wenig am Hut haben. In die Moschee gehen sie nicht, westliche Technik verabscheuen sie zwar offiziell, gebrauchen sie jedoch mit heller Begeisterung, und was im Koran steht wissen die meisten von ihnen ohnehin nicht.

„Four Lions“ unterhält über weite Strecken hinweg hervorragend. Natürlich nur, sofern der Zuschauer Sinn fürs Makabre und Zynische hegt. Etwas problematisch mutet die mitunter überaus sympathische Präsentation der Neo-Terroristen an. Insbesondere Omar wird als liebevoller Familienvater geschildert. Weshalb er sich zum Rächer der – angeblich – so schmählich unterdrückten Moslems aufschwingen möchte, wird nicht ganz klar. Die Dummheit seiner Mitstreiter schreit manchmal doch zu sehr zum Himmel, um sie für voll nehmen zu können.

Sei’s drum: Mit Four Lions“ ist Christopher Morris ein großartiger Unterhaltungsfilm mit leider aktuellem Thema gelungen, der kräftig nach allen Seiten austeilt. Dabei wird auf die absurde Terrorhysterie des Westens nicht vergessen, die Unschuldige plötzlich ins Visier der Fahnder rückt, die eigentliche Gefahr jedoch komplett ausblendet, von den Ursachen des Hasses ganz zu schweigen. Wohl nicht ohne Hintergedanken wird das pakistanische Terrorcamp nicht von Soldaten aus Fleisch und Blut angegriffen, sondern von einer stählernen Drohne ausgelöscht, die keinerlei Menschlichkeit kennt, stattdessen stur ihre Befehle ausführt.

Fazit: Angesichts der Thematik fällt es schwer, eine eindeutige Empfehlung auszusprechen. „Four Lions“ ist ein Film für Leute, die ein Übermaß an Zynismus und bisweilen sogar Anspielungen auf reale Ereignisse (die Terroranschläge 2005 auf die Londoner U-Bahn) vertragen können. Wem bereits beim Trailer der Atem stockt, der möge im Interesse des eigenen Wohlbefindens auf den Kinobesuch verzichten.

Diese Filmkritik schrieb unser Redakteur Rainer Innreiter


Darsteller

  • Riz Ahmed … Omar
  • Kayvan Novak … Waj
  • Nigel Lindsay … Barry
  • Adeel Akhtar … Faisal
  • Preeya Kalidas … Sofia
  • Mohammad Aqil … Mahmood
  • Craig Parkinson … Matt
  • Karl Seth … Onkel Imran
  • William El Gardi …Khalid
  • Alex MacQueen … Malcolm
  • Shameem Ahmad … Vorsitzende
  • Arsher Ali … Hassan
  • Julia Davis … Alice
  • Wasim Zakir … Ahmed
  • Jonathan Maitland … Nachrichtensprecher

Regie
Christopher Morris

Produktionsland, Jahr
GB, 2010

Four Lions Trailer



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