Der Nebel

Der Nebel KritikZu jedem guten Horrorfilm gehört auch Nebel. Dieser mystifiziert den Moment und schafft eine spannende Umgebung. Als Hauptprotagonisten findet man diesen aber selten in einem Film. Einer dieser wenigen Ausnahmen ist der Film „Der Nebel“ von Regisseur Frank Darabont. Dieser greift auf eine Novelle, die im Sammelband „Blut“ von Stephen King erschienen ist, zurück.Damit hat er natürlich beste Voraussetzungen um mit seinem Film die Zuschauer zu beeindrucken. Ob ihm diese mit „Der Nebel“ gelungen ist, kann man in der nachfolgenden Filmkritik erfahren.

Kaum ein Horrorfilm wäre ohne ihn denkbar: Erst dichte Nebelbänke oder feine Nebelschwaden verleihen der Atmosphäre eines Horrorfilmes den letzten Schliff. Weitaus seltener wird der Nebel selbst zum Protagonisten, indem er bedrohliche Kreaturen verbirgt, die sich unter seinem schützenden Mantel auf Menschenjagd begeben. Am bekanntesten dürfte noch John Carpenters „The Fog – Nebel des Grauens“ sein (das grandios vergurkte Remake wollen wir gnädigerweise aussparen).

2007 kam ein Film in die Kinos, der diese Thematik aufgreift, von einem bei Kritikern hochgeschätzten Regisseur erstellt wurde und dessen Vorlage von Stephen King höchstpersönlich stammte. Konnte bei dieser Konstellation etwas schiefgehen? Dieser Frage wollen wir uns nach einer kurzen Inhaltsangabe widmen.

Völlig benebelt
Nach einem verheerenden Sturm fahren der Künstler David Drayton (Thomas Jane) sein Sohn Billy (Nathan Gamble) sowie Davids Nachbar in die Stadt, um sich mit Lebensmitteln und dem Nötigsten zu versorgen. Ihr erster Weg führt sie in den Supermarkt, der bereits mit zahlreichen Kunden gefüllt ist, die ebenfalls von dem Sturm betroffen sind.
Das Grauen trifft sie völlig unvorbereitet: Dichte Nebelbänke ziehen auf und hüllen binnen kürzester Zeit den Supermarkt ein. Aber es kommt noch schlimmer: Ein Erdbeben erschüttert den Supermarkt, ein alter Mann stürmt in den Laden und berichtet von blutrünstigen Kreaturen, die sich in dem Nebel verschanzen, und die Eingeschlossenen müssen sich der Frage stellen, wie sie mit der Situation umgehen. Denn rasch wird den meisten klar, dass der Nebel kein harmloses Naturschauspiel, sondern eine tödliche Bedrohung aus einer anderen Dimension ist …

Aller guten Stephen Kinge sind drei
Schön langsam scheint Frank Darabont zum Haus- und Hofregisseur des „King of Horror“ zu avancieren. Nach dem Kurzfilm „The Woman In The Room“ (basierend auf einer Erzählung aus dem Kurzgeschichtenband „Nachtschicht“) sowie „Die Verurteilten“ (auf Deutsch in der Sammlung „Frühling, Sommer, Herbst und Tod“ erschienen), nimmt er sich zum mittlerweile dritten Mal eines literarischen Stoffes aus dem bewährten Hause King an.
Und wieder handelt es sich um keinen Roman, sondern eine Geschichte aus einem Erzählband, diesmal „Der Nebel“, eine Novelle, die im Sammelband „Blut“ zu finden ist.

Dichter Nebel, dichte Atmosphäre, dicht an der Vorlage
Wie schon in „Die Verurteilten“ hält sich Darabont – ausgenommen den Schluss – sehr eng an die Vorlage, was dem Film in zumindest zwei Punkten nicht unbedingt zum Vorteil gereicht.
Zum einen hält der Film für Kenner der Novelle „Der Nebel“ kaum Überraschungen bereit, da der Plot über weite Strecken des Filmes der Geschichte entspricht.
Zum anderen übernimmt Darabont – bewusst? – den B-Movie-Charakter der Vorlage, indem er die Ungeheuer geradezu ins Lächerliche verzerrt. Was bei Stephen Kings Geschichte noch vorzüglich klappt, weil die Bilder im Kopf des Lesers entstehen, entpuppt sich bei der Visualisierung als veritable Enttäuschung. Die Kreaturen aus dem Nebel (oder besser: dem Rechner) entsprechen weder dem derzeitigen Stand der Computertechnologie, noch flößen sie dem Betrachter auf Grund ihres eher harmlosen Aussehens Angst ein. Im Grunde handelt es sich lediglich um riesenhafte Insekten oder Spinnen.

Ausgerechnet eine der Schlüsselszenen der Geschichte wird im Film unnötigerweise abgewandelt und somit seiner Wirkung beraubt: Während in der Vorlage der Erzähler von seiner Begegnung mit einer ehrfurchtgebietend gigantischen Kreatur berichtet, von der nur die Erdstöße auslösenden Beine zu sehen sind, während sich der Körper den staunenden Blicken der Beobachter entzieht, lässt Darabont den Zuschauer einen Blick auf den Unterleib des Wesens werfen – und entmystifiziert es auf diese Weise.

Religiöse Eiferer und weltfremde Realisten
Obgleich die Geschichte aus der Sicht eines „normalen Menschen“ erzählt wird, bietet sie einen zweiten Dreh- und Angelpunkt in der Gestalt der Mrs. Carmody (Marcia Gay Harden), einer religiösen Fanatikerin. Tatsächlich ist diese sowohl in der Novelle, als auch im Film die wesentlich interessantere Figur als der Protagonist selbst.
Mrs. Carmody betreibt einen kleinen Laden, den Draytons Frau ab und zu aufsucht, und durchläuft mit dem Anschwellen des Schreckens eine ganz besondere innere Wandlung. Anders, als die übrigen Eingeschlossenen, wird sie nicht von Furcht ausgefüllt, sondern von religiöser Inbrunst, dank derer sie endlich ihre bürgerliche Maske fallen und sich ganz ihrem eigentlichen Lebenssinn hingeben kann.

In krassem Gegensatz zu ihr steht eine Gruppe von Menschen rund um Draytons Nachbarn Brent Norton (Andre Braughe), einem schmierigen Anwalt, dem es auch in dieser schier ausweglosen Situation gelingt, die Ruhe zu bewahren. Natürlich ist Norton die Klischeefigur eines Anwalts, vermag jedoch zumindest in der Novelle Akzente zu setzen, indem er sich standhaft weigert, das Grauen als solches wahrzuhaben und glaubt, Opfer eines Streiches zu sein. Er ist somit Sinnbild für einen Technokraten, der es für unmöglich hält, dass sich die geschaffene Ordnung urplötzlich auflösen kann. Selbst angesichts zahlreicher Beweise hält er unverrückbar an seiner grotesk falschen Einschätzung der Lage fest und steht Mrs. Carmodys Gedankenwelt überraschend nahe: Beide ziehen ihre Kraft und Überzeugung aus völlig falschen Interpretationen des Geschehens.

Fernsehfilm-Dramaturgie
Der größte Teil des Films spielt sich im Supermarkt ab, was bisweilen den Eindruck erweckt, es mit einem Fernsehfilm zu tun zu haben. Die stellenweise misslungenen Computereffekte schwächen diesen Eindruck naturgemäß nicht gerade ab.

Auch dramaturgisch folgt Darabont ausgetretenen Pfaden: Die „Schockelemente“ sind hinreichend bekannt und können somit nur völlige Genre-Neulinge noch überraschen, der Erzählfluss ist zu unaufgeregt, um große Spannung generieren zu können. Auch hierbei erweist sich Darabonts Bindung an die literarische Vorlage als unglückliche Entscheidung, die sein zweifellos großes Können in eine zu enge Jacke zwängt.
Darüber können auch einige durchaus drastische Effekte wie abgetrennte Unterleiber nicht hinwegtäuschen: „Der Nebel“ gemahnt stark an US-amerikanische Fernsehfilm-Formate.

Die Stärken des Films
Bei all den Schwächen darf man die Stärken nicht unter den Teppich kehren.
Gerade in den ruhigen Momenten gelingt es Darabont, eine aussichtslose und doch faszinierende Atmosphäre aufzubauen.
Ein großer Pluspunkt ist Marcia Gay Hardens Verkörperung der verblendeten Fanatikerin Mrs. Carmody. Ihr Auftritt überzeugt in jeder Sekunde und sie füllt die Rolle mit jener Aura aus, die sie benötigt, um glaubwürdig zu sein.
Über den Schluss von „Der Nebel“ laufen die Meinungen auseinander. Anders als King entschied sich Darabont für ein in sich abgeschlossenes Ende, das man im Falle des Wohlwollens zu den besten der Horrorfilmgeschichte zählen kann und muss. Hier läuft Darabont zur Höchstform auf, indem er ein fieses Finale mit einem noch fieseren „Twist“ abrundet.

„Der Nebel“ hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Vieles hätte man zweifellos besser machen können, doch andererseits bietet er zwei Stunden gediegener Unterhaltung. Gerade nach „Die Verurteilten“ hätte man sich von Darabont aber mehr erwartet, als „bloße Unterhaltung“. Schade um die vergebene Chance, ein kleines Meisterwerk des Horrors abzuliefern!

Darsteller:

  • Thomas Jane … David Drayton
  • Marcia Gay Harden … Mrs. Carmody
  • Laurie Holden … Amanda Dunfrey
  • Toby Jones … Ollie
  • Jeffrey DeMunn … Dan Miller
  • Frances Sternhagen … Irene
  • Nathan Gamble … Billy Drayton

Regie
Frank Darabont

Produktionsland, Jahr
USA, 2007

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