„Merida – Legende der Highlands“ ist der mittlerweile 13. abendfüllende Animationsfilm aus dem Hause Pixar, jener Trickschmiede, die mit „Ratatouille“ (2007) und „Wall-E“ (2008) zwei der besten computeranimierten Filme des vergangenen Jahrzehnts schuf. „Merida“, der dem im vergangenen Jahr verstorbenen Studio-Mitbegründer Steve Jobs gewidmet ist, überraschte schon vor dem Kinostart in zweierlei Hinsicht: „Merida“ ist der erste Film des Studios aus Kalifornien, in dem einer weiblichen Figur die Hauptrolle zukommt und das erste Pixar-Werk überhaupt, das auf einem Märchen basiert. Der Film erzählt von den Abenteuern einer jungen Prinzessin in den schottischen Highlands, die sich gegen ihre Mutter auflehnt und lieber ihrem Drang nach Freiheit und Selbstbestimmung folgt anstatt sich zwangsverheiraten zu lassen.
Der Film besitzt zwei große Stärken, die ihn nicht nur für Animationsfans absolut sehenswert machen: Zum einen sorgt die sorgfältig ausgearbeitete, liebevolle und schlicht atemberaubende technische Umsetzung mit ihren detailreichen, lebendigen Landschaften für sinnlichen Höchstgenuss. Die komplexe, vielschichtige Hauptfigur und die optische Brillanz sind es dann auch, die die leichten Storyschwächen wieder ausgleichen. Zum anderen beeindruckt die eigensinnige, mutige und unerschütterliche weibliche Hauptfigur, die eine glaubhafte Identifikationsfigur abgibt und jedem männlichen Hauptcharakter anderer Animationsfilme locker standhält.
Im alten Schottland: Prinzessin Merida, Tochter von König Fergus und Königin Elinor, ist ein eigenwilliges Kind mit einer herausragenden Begabung als Bogenschützin. Eines Tages, als sie eine heilige Tradition bricht, gerät das Königreich in Unruhe. Sie ersucht die Hilfe einer alten, weisen Frau. Diese gewährt ihr einen Wunsch mit einer Bedingung, die das Unglück erst richtig entfacht.
„Merida – Legende der Highlands“ wird nicht nur Freunde animierter Welten und Figuren alleine aufgrund der Leistung der Grafiker und Animationskünstler und ihrer technischen Umsetzung in Staunen versetzen. Die schottischen Highlands sind derart prachtvoll, lebendig und mystisch dargestellt, dass man als Zuschauer im Anschluss an den Film sofort den nächsten (oder ersten) Schottland-Urlaub buchen möchte. Die Optik und visuelle Kraft des Films ist bestechend und alleine das Eintrittgeld wert. Traumhafte, weite Landschaften, saftig grüne Wiesen, nebelverhangene Berge und der glitzernde Tau auf den Blättern unterstreichen den geheimnisvollen Charakter des Handlungsortes. Der Film wäre wohl auch ohne 3D ausgekommen, um den Zuschauer in die schottischen Highlands eintauchen zu lassen – derart brillant und fotorealistisch sind Optik und Szenerie hier geraten.
Ein weiteres großes Plus ist die tollkühne, abenteuerlustige Hauptfigur, die mit ihrer eigenwilligen, frischen Art erfreut. Merida ist gewitzt, selbstbewusst und schlau und widersetzt sich dem Willen vor allem der traditionsbewussten Mutter, die ihre Tochter schnellstmöglich vermählen will. Es ist eine Freude und sehr unterhaltsam anzusehen, wie Merida lieber auf ihrem Pferd durch die dichten Wälder reitet und ihre Bogenschießkunst unter Beweis stellt, anstatt sich brav und pflichtbewusst wie eine Prinzessin zu verhalten. Pixar setzt erfolgreich zum ersten Mal eine weibliche Hauptfigur ein, deren Freiheitsdrang stärker ist als der Wille der Mutter. Merida ist eine Figur mit Tiefgang und vielschichtigem Charakter. Aber auch ihr Vater König Fergus und ihre Mutter Königin Elinor sind äußerst komplex gezeichnete Charaktere und die Beziehung und Konflikte zwischen den dreien wirkt echt und nachvollziehbar. Neben all den tiefgründigen Charakteren und essentiellen Fragen rund um die Themen Verantwortung, Freundschaft und Familie, die der Film aufwirft, vergisst er nicht, dass er als Animationsfilm für die breite Masse noch ein anderes Ziel verfolgen soll: die Unterhaltung. Auch das gelingt dem Film problemlos. „Merida“ bietet Situationskomik und Slapstick zuhauf, gibt seine Figuren bei aller Komik aber nie der Lächerlichkeit preis. Was man dem Film einzig vorwerfen kann, ist seine Vorhersehbarkeit in der Handlung und das arg konventionell geratene, schnulzige Ende. Etwa ab der Hälfte lässt „Merida“ spannende Storywendungen vermissen und spult seine Handlung mehr oder weniger ohne Überraschungen fad und emotionslos ab. Hier geht der Film zu sehr auf Nummer sicher. Das Ende ist dabei ein wenig zu kitschig und rührselig geraten – eben, wie man es von Märchen gewohnt ist. Das sind dann aber auch schon die einzigen Kritikpunkte eines ansonsten in allen Belangen überzeugenden Animations-Abenteuers.
Fazit: Mit „Merida“ gelingt Pixar ein unterhaltsames, intelligentes Animations-Märchen über eine selbstbewusste und schlaue Heldin, das durch eine brillante Optik und die vielschichtige Figurenzeichnung besticht.
Diese Filmkritik schrieb unser Redakteur Björn Schneider.
Regie:
- Mark Andrews
- Brenda Chapman
- Steve Purcell
Erscheinungsjahr:
2012