Hugo Cabret Kritik

Hugo-Cabret-plakat

Martin Scorsese zählt zu den bedeutendsten und einflussreichsten Filmemachern Hollywoods. Zu seinem Markenzeichen wurden intensive Charakterstudien über tragische Männerfiguren („Wie ein wilder Stier“,1980) und Außenseiter am Rande der Gesellschaft („Taxi Driver“, 1976). Er schuf wegweisende Mafia-Thriller („GoodFellas“, „Departed“), bewies sein Talent für eindringliche Filmbiografien („Aviator“) und sorgte in der Vergangenheit auch immer wieder mit seinen Dokumentationen für Furore: So zählen sein zweiteiliger Film „No direction home – Bob Dylan“ (2005) und „Shine a light“, sein 2008 erschienener Konzertfilm über die Rolling Stones, zu den gelungensten Musik-Dokus der vergangenen Jahre. Mit seinem neuen Film „Hugo Cabret“ betritt Altmeister Scorsese filmisches Neuland. „Hugo Cabret“ ist sein erster 3D-Film und sein erstes Werk überhaupt, das sich im Bereich des Fantasy- und Märchenfilms einordnen lässt.

Für Martin Scorsese ist „Hugo Cabret“ eine Herzensangelegenheit. Hier kann er seine Liebe und Bewunderung für das Medium Film und seine Leidenschaft für die Kinogeschichte voll ausleben. Im Jahr 2007 erschien der grafische Roman „Die Entdeckung des Hugo Cabret“ von Brian Selznick und schon kurz darauf erwarb Scorsese die Filmrechte an dem Buch. Er zeigte sich von Beginn an fasziniert von der märchenhaften Story um den Pariser Waisenjungen Hugo Cabret und war besessen von der Idee, die Story mit den neuesten filmischen und technischen Mitteln auf die große Leinwand zu bringen. Und so verfilmte Scorsese „Hugo Cabret“ im sogenannten Stereoskopie-Verfahren, welches erstmalig 2009 in James Camerons „Avatar“ zum Einsatz kam. Mit gelungenem Ergebnis: „Hugo Cabret“ ist ein erzählerisch beeindruckender Film geworden, der sich in erster Linie als liebevolle Hommage an die Magie des Kinos und die Frühzeit des Films versteht.

ZUM INHALT: Paris, 1931: In einem Bahnhof lebt der Junge Hugo Cabret (Asa Butterfield), der sich in den Zwischenwänden des Gebäudes versteckt hält, nachdem sein Vater (Jude Law) auf mysteriöse Weise verschwunden ist. Der Vater hinterlässt Hugo eine mechanische Aufziehpuppe, einen Automaten, in dem Hugo eine letzte Botschaft seines Vaters vermutet. Doch der Schlüssel zum herzförmigen Schloss fehlt, was das Aufziehen der Maschine unmöglich macht. Auf der Suche nach dem Schlüssel erhält er unerwartete Hilfe von der aufgeweckten Isabelle (Chloë Grace Moretz), der Patentochter des mysteriösen Spielwarenhändlers Georges Méliès (Ben Kingsley). Stets auf der Flucht vor dem hinkenden Bahnhofaufseher (Sacha Baron Cohen), versuchen die Beiden, das Geheimnis um den Maschinenmann zu lösen…

Mit „Hugo Cabret“ verneigt sich Regisseur Scorsese vor der Magie des Kinos und liefert zugleich eine Hommage an den Filmpionier Georges Méliès (1861-1938), der als einer der ersten überhaupt die Möglichkeiten des bewegten Bildes erkundete. Méliès gilt als Erfinder der Stop-Motion-Filmtechnik und des narrativen Films, der zum ersten Mal fiktive Geschichten mit Feen, Drachen und Fabelwesen erzählte. Sein Science Fiction-Film „Die Reise zum Mond“ zählt zu den größten Klassikern dieser Frühphase. Die bekannteste Szene – eine Rakete fliegt in das Auge des Erdmondes und lässt dieses tränen – ist zu einer Ikone der Filmgeschichte geworden. Dieses berühmte Bild greift Scorsese in „Hugo Cabret“ wieder auf und startet mit dessen Auftreten seine Liebeserklärung an Méliès, die Brüder Lumière (die die ersten öffentlichen Kinovorführungen veranstalteten) und Co. Die zweite Filmhälfte steht demnach ganz im Zeichen dieser ersten Filme und Gehversuche eines neuen Mediums. Scorsese hat seine helle Freude daran, dem Kinozuschauer die Entstehung und Entwicklung des Films zu präsentieren. Er schafft es, mit „Hugo Cabret“ den Zauber dieser längst vergangenen Zeit wieder aufleben zu lassen, indem er einige der wichtigsten und berühmtesten Filme und Szenen jener Tage zeigt – und das mit Hilfe modernster 3D-Technik.

Scorsese nutzt bewusst das moderne 3D-Verfahren, um seine Geschichte von den Anfängen zu erzählen. „Hugo Cabret“ verknüpft inhaltlich diese Frühphase des Films mit dem gegenwärtigen Höhepunkt der Entwicklung des Kinos in Gestalt der 3D-Technik. Die technische Umsetzung bei „Hugo Cabret“ ist in jedem Fall gelungen, jedoch lässt sich vermuten, dass der Film auch ohne dieses Verfahren seine gewünschte Wirkung entfaltet hätte. Scorsese ging es letztlich um die Gegenüberstellung dieser Phasen der Filmgeschichte sowie der Entwicklung der Technik. In dieser Hinsicht erweist sich Scorseses 3D-Einsatz als zweckmäßig und wirkungsvoll. Bezogen auf die visuelle Wirkung des Films hätte er diese jedoch nicht benötigt, da die räumliche Tiefe nur in einigen wenigen Szenen wirklich zur Geltung kommt.

Verschreibt sich Scorsese in der zweiten Hälfte eben jener Entstehungsgeschichte des Films, so lässt er sich in der ersten Stunde Zeit und Raum für die Entwicklung seiner Hauptfiguren und rückt die Suche nach dem Schlüssel für den Maschinenmann in den Mittelpunkt. Asa Butterfield – der in fast jeder Szene zu sehen ist – liefert als Hugo Cabret eine großartige Vorstellung und auch Ben Kingsley als Georges Méliès und Chloë Grace Moretz als dessen Patentochter verleihen ihre Figuren Ausdruck und Authentizität. Scorsese muss sich einzig vorwerfen lassen, dass er erst reichlich spät zum eigentlichen Thema des Filmes kommt und viele Szenen und Handlungsstränge der ersten Filmstunde einzig als Mittel zum Zweck zu verstehen sind und den Film unnötig in die Länge ziehen. Alles in allem ist dieser Aspekt aufgrund der großartigen zweiten Hälfte aber zu vernachlässigen, an der sich vor allem Cineasten und Filmfans nicht satt sehen können.

FAZIT: „Hugo Cabret“ ist eine zauberhafte Liebeserklärung an das Kino und die Geschichte des Films. Scorseses Liebe zum Medium geht dank des Detailreichtums und der überzeugenden Darsteller auf den Zuschauer über.

Diese Filmkritik schrieb unser Redakteur Björn Schneider.


Darsteller:

  • Ben Kingsley
  • Sacha Baron Cohen
  • Asa Butterfield
  • Chloë Grace Moretz
  • Ray Winstone
  • Emily Mortimer
  • Christopher Lee
  • Helen McCrory
  • Michael Stuhlbarg
  • Frances de la Tour
  • Richard Griffiths
  • Jude Law

Regie:
Martin Scorsese

Erscheinungsjahr:
2011

Hugo Cabret Trailer

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5 Kommentare

  1. Die Kritik und der Trailer sehen schon mal sehr vielversprechend aus. Ich werde mir den Film auf jeden Fall im Kino ansehen.

    Danke für deine informative und ausführliche Kritik. Ich werde in Zukunft öfter vorbeischauen.

    Liebe Grüße
    Christina

  2. Hugo Cabret hat mir vor allem wegen der 3D-Effekte gut gefallen, auch fand ich es sehr interessant mal einen Einblick in die Geschichte und Entstehung des frühen Films zu erhalten. Ich liebe Scorsese einfach.

  3. Leider konnte ich den Film selbst noch nicht sehen, habe aber bis jetzt viel Positives gehört… die 3D-Effekte und vorallem die großartigen Bilder mit viel Emotion sollen toll rüberkommen. Am Wochenende wirds Zeit fürs Kino 🙂

  4. Ein wunderbarer Film, der mich von vornherein in seinen Bann gezogen hat. man selbst ist mittedrin in der Geschichte.
    Und zu lang fand ich ihn gar nicht, ich habe die Zeit gar nicht gemerkt.
    Scorsese ist und bleibt einer der besten unserer Zeit.

    jedenfalls bin ich entspannt und glücklich aus dem Kino rausgegangen.

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