Zwar ist die ehemalige britische Premierministerin Margaret Thatcher schon seit über 20 Jahren nicht mehr im Amt, im Bewusstsein der britischen Bevölkerung ist sie jedoch bis heute fest verankert. Thatcher war die erste Frau in diesem Amt und regierte das Vereinigte Königreich von 1979 bis 1990 – so lange wie kein Premierminister vor oder nach ihr. Ein Parteifreund sagte einmal über sie, sie sei eine Tigerin unter lauter Hamstern gewesen. Ihre politischen Gegner beschrieben sie als „unsensibel“ und „abscheulich“. Alt-Bundeskanzler Helmut Kohl schrieb in seinen Memoiren, Thatcher bereite ihm ungeheure Kopfschmerzen weshalb er sie fürchte wie der Teufel das Weihwasser. Bis heute gehen die Meinungen über Thatcher, die sich durch ihren resoluten, strikten Politikstil auszeichnete, weit auseinander. 2002 wurde Thatcher in einer Umfrage auf den 16. Platz der 100 größten Briten aller Zeiten gewählt. Im Jahr darauf erreichte sie den dritten Platz in der Rangliste der 100 schlechtesten.
Entsprechend gemischt waren auch die Reaktionen auf das Vorhaben, das Leben der „eisernen Lady“ auf die Leinwand zu bringen – mit einer unerfahrenen Theaterregisseurin auf dem Regiestuhl und einer US-amerikanischen Schauspielerin (also nicht einmal einer Britin) in der Hauptrolle. Ihre Namen: Phyllida Lloyd und Meryl Streep. Zwar ist „Die eiserne Lady“ erst der zweite Kinofilm von Regisseurin Llyod, ihren ersten jedoch – das Musical „Mamma Mia“ von 2002 – drehte sie bereits mit Meryl Streep. Regisseurin und Hauptdarstellerin machten sich somit als eingespieltes Team ans Werk, das wechselhafte politische Leben der Margaret Thatcher zu verfilmen. Das Ergebnis ist ein einfühlsames Filmdrama mit einer herausragenden Meryl Streep, das jedoch einen entscheidenden Punkt ausklammert: es lässt jegliche Kritik an Thatchers Politik vermissen.
„Die eiserne Lady“ erzählt die Geschichte von Margaret Thatcher, der ersten weiblichen Regierungschefin Europas. Sie kam aus einfachem Hause: Der Vater, ein Kolonialwarenhändler und Bürgermeister ihrer Geburtsstadt Grantham. Die Mutter, eine gelernte Hausschneiderin. Schon als junges Mädchen musste sie im Laden des Vaters aushelfen und lernte somit schon früh harte Arbeit kennen. Nach ihrem Chemie-Studium in Oxford entschied sich Thatcher, in die Politik zu gehen. Mit Erfolg: Ihr unverwechselbarer Politikstil und ihre Ziele, die sie mit „eisernem“ Willen verfolgte und schließlich erreichte, brachten sie 1959 ins britische Unterhaus. 20 Jahre später führte sie die Konservativen zum Sieg bei den britischen Parlamenteswahlen und wurde der erste weibliche Regierungschef in der Geschichte – und bis heute eine der umstrittensten Politikerinnen aller Zeiten. Der Film lässt die wichtigsten Stationen aus der Sicht einer greisen, mittlerweile an Demenz erkrankten Thatcher Revue passieren.
Wie nicht anders zu erwarten, wird der Film getragen von einer atemberaubenden Meryl Streep, die für ihre Darstellung zu Recht ihren dritten Oscar erhalten hat. Sie verschmilzt förmlich mit ihrer Rolle und verkörpert die aufstrebende Jung-Politikerin, die es Ende der 1950er-Jahre ins britische Parlament schafft, ebenso eindringlich und authentisch wie die resolute Premierministerin später im Film, die in den 1980er-Jahren die Geschicke des Königreichs lenkt. Dabei leisteten auch die Make-Up-Artists ganze Arbeit, die Streeps Nase so modellierten, dass sie Thatcher noch ähnlicher sah. Folgerichtig erhielt der Film auch in der Sparte „Bestes Make-Up“ einen Oscar. Lobenswert ist zudem die Leistung des britischen Charakterdarstellers Jim Broadbent, der in die Rolle von Thatchers im Jahre 2003 verstorbenen Ehemann Denis Thatcher schlüpft. Unterhaltsam, witzig und sympathisch spielt er Denis Thatcher – den Mann, der sich zeitlebens in den Dienst seiner nach Erfolg und Macht strebenden Frau stellte und sie liebevoll nur „The Boss“ nannte.
Ein großes Problem des Films ist, dass der Gegenwart deutlich zu viel Raum geboten wird. Wieder und wieder kehrt der Film in Thatchers Wohnung zurück und zeigt die einst mächtigste Politikerin der Welt als gebrechliche und verwirrte alte Frau, die in endlosen Selbstgesprächen mit ihrem längst verstorbenen Mann die Vergangenheit wieder aufleben lässt. Etwa die Hälfte des Films findet demnach im Hier und Jetzt statt und zeigt lediglich den Alltag einer 86-jährigen Frau, während wichtige Stationen im Leben von Thatcher einzig in hastig eingestreuten Rückblenden aufzeigt werden. Hier hätte sich Regisseurin Lloyd deutlich mehr auf die Geschichte und frühre Ereignisse konzentrieren sollen. Sicher, entscheidende Phasen und Vorfälle in Thatchers Amtszeit kommen zur Sprache, so etwa der Falklandkrieg 1982 oder der Bombenanschlag der IRA im Rahmen des Parteitages in Brighton 1984, dem sie nur knapp entkam.
Dennoch spart der Film mit Kritik an Thatcher und ihrer Politik und verschweigt einige der wesentlichen Ereignisse und politischen Handlungen, für die sie bis zum heutigen Tage von vielen Briten verachtet und gehasst wird. Politische Erfolge wie der erfolgreiche Kampf gegen die übermächtigen Gewerkschaften werden im Film ebenso (zu Recht) behandelt wie ihre Wirtschaftspolitik, die einen langfristigen Aufschwung zur Folge hatte. Im Film sucht man jedoch vergebens nach Thatchers ablehnender Haltung einem wiedervereinigten Deutschland gegenüber oder einem Verweis auf die drastischen Probleme bei der Trinkwasserversorgung, als Folge der (durch Thatcher vorangetriebenen) Privatisierung der Versorgungsunternehmen. Regisseurin Lloyd ist nicht einmal die umstrittene Clause 28 eine Erwähnung wert. Der Gesetzesparagraph verbot Gemeinden und Schulen die „Förderung von Homosexualität“. Dies hatte zur Folge, dass in allen Bereichen des öffentlichen Lebens nur noch negativ über Homosexualität berichtet werden durfte. Dies alles sorgt letztlich dafür, dass Thatcher in „Die eiserne Lady“ in einem zu positiven Licht erscheint und die Fragwürdigkeit und Ambivalenz ihrer Politik fast unangetastet bleibt.
„Die eiserne Lady“ ist ein glänzend gespieltes Drama über das Leben der Margaret Thatcher, das sich leider zu sehr auf die Gegenwart konzentriert und die Misserfolge sowie kritischen Aspekte ihrer Amtszeit ausspart.
Diese Filmkritik schrieb unser Redakteur Björn Schneider.
Darsteller
- Meryl Streep
- Anthony Head
- Jim Broadbent
- Harry Lloyd
- Richard E. Grant
- Olivia Colman
- Roger Allam
- Teresa Mahoney
- Nicholas Farrell
- Susan Brown
- Julian Wadham
- Nick Dunning
- …
Regie:
Phyllida Lloyd
Erscheinungsjahr:
2011
Die eiserne Lady Trailer