Churchill Kritik

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Juni 1944: Über eine Millionen Soldaten warten in England auf den Befehl, in der Normandie zu landen. Der D-Day soll der Anfang vom Ende des diktatorischen Hitler-Regimes sein, das den Krieg über Europa brachte. Der britische Premierminister Winston Churchill (Brian Cox) zögert mit seiner Entscheidung jedoch. Er fürchtet, dass die Mission scheitern könnte und Hunderttausende Soldaten den Kugelhagel der Nazis und ihrer Verbündeten, nicht überleben werden. Generalfeldmarschall Montgomery (Julian Wadham) und der amerikanische General Eisenhower (John Slattery) sind anderer Ansicht. Sie sind sicher dass die Landung in der Normandie gelingt und fordern von Churchill eine schnelle Entscheidung. Denn die Zeit drängt. In dieser vielleicht schwierigsten Phase seines politischen Lebens, hofft der altgediente Staatsmann auf die Unterstützung seiner Ehefrau Clementine (Miranda Richardson).

Regie bei diesem Historiendrama führte Jonathan Teplitzky („The Railway Man“), der mit Brian Cox in der Hauptrolle auf seinen sehr erfahrenen, vielfach ausgezeichneten Charaktermimen bauen konnte. Gedreht wurde der Film ab Mai 2016 vor allem in Schottland, darunter Glasgow und Edinburgh. Die zweite Hauptrolle übernahm Miranda Richardson („Dressed to kill“), ebenfalls eine bekannte britische Charakterdarstellerin mit jahrzehntelanger Leinwand- und Theatererfahrung. Winston Churchill ist eine legendäre Figur der Weltpolitik und – auch dank seines obligatorischen Stocks und der Melone auf dem Kopf – so etwas wie eine Popkultur-Ikone. Seine Zweifel unmittelbar vor der Operation Overlord („D-Day“) liegen nicht zuletzt in seinen Erfahrungen im Ersten Weltkrieg begründet. Damals befahl er die Invasion in Gallipoli, die zu einem Desaster wurde und unzählige Tote forderte.


„Churchill“ ist ein gut gespieltes, technisch und visuell tadelloses Historiendrama, das jedoch an seinem zu hohen Kitsch-Faktor krankt und zu deutlich auf glattgebügelte Massentauglichkeit ausgelegt ist. Doch zunächst das Positive: trotz eines geringen Budgets von nur rund zehn Millionen Dollar, sieht man dem Film diese (für heutige Verhältnisse) minimalen Produktionskosten nicht an. Jeder Geschichtsfilm fürs Event-TV kostet heute mehr. Kameramann David Higgs fängt erhabene Bilder und wundervolle (Panorama-) Aufnahmen ein, die ebenso ein Stück weit als Sinnbild für die innere Leere und die Verlorenheit Churchills angesehen werden können. Auch die Authentizität von Kostümen und Requisiten ist über jeden Zweifel erhaben. Allerdings muss man weiterhin festhalten, dass im Film keine Kriegsszenen zu sehen sind. Diese hätten das Produktionsbudget dann nochmal deutlich nach oben korrigiert.

Gelungen sind auch die Darbietungen der Darsteller, allen voran von Miranda Richardson und Brian Cox als von Depressionen und Amtsmüdigkeit gezeichneter Staatsmann. Seine Körpersprache ähnelt der des Originals, wenn Cox leicht gebeugt, gestützt durch den obligatorischen Churchill-Stock und mit mürrischem Blick, den Premierminister glaubhaft zum Leben erweckt. Miranda Richardson als Ehefrau Clementine, die durch die vielen Jahre an der Seite eines der mächtigsten aber immer wieder auch umstrittenen Politikers, ebenso ausgelaugt ist, überzeugt in erster Linie durch ihr nuancenreiches Gestik- und Mimikspiel. Sie bewegt sich gleichsam nah an der realen Figur.

Darüber hinaus erfährt der Zuschauer hier und da interessante Fakten, die bisher sicher nicht jedem geläufig waren. Etwa jene, dass Churchill und der britische König planten, die D-Day-Offensive am Strand der Normandie, von einem Schiff aus zu beobachten. Aus sicherer Entfernung, versteht sich. Leider bringt sich Regisseur Teplitzky aber selbst um die Möglichkeit, einen in allen Belangen sehr guten, mitreißenden Film zu kreieren, da er zu sehr auf Pathos und Kitsch setzt. Er versucht allzu gewollt und mit aller Gewalt, die Sympathien des Zuschauers zu gewinnen. Und: um Verständnis für die Zweifel des Premierministers sowie die Probleme innerhalb der kriselnden Ehe zu werben. Das gelingt auch deshalb nicht, da die Darsteller nicht selten hohle Phrasen und bedeutungsschwangere Allgemeinplätze sowie Sätze vom Kitsch-Reißbrett, von sich geben. Geschniegelte, glattgebügelte und noch dazu unglaubwürdig druckreife Sätze, die überdeutlich an den Emotionen der Kinobesucher andocken sollen. Noch dazu sind sie vielfach ohne Inhalt und dramaturgischen oder erzählerischen Mehrwert für den Film.

Ebenso sinnfrei ist der Nebenstrang um Ella Purnell als Churchills neue Sekretärin. Zunächst ist sie eine Verehrerin und glühende Anhängerin des damals 70-jährigen Staatsmannes. Jedoch kommen ihr ob Churchills zunehmender Wutattacken und cholerischer Anfälle zunehmend Zweifel. Am Ende aber wird natürlich sie es sein, die einen erheblichen Anteil am Kurswechsel Churchills hat. Unglaubwürdig und abgedroschen. Zudem bleibt die Figur der Sekretärin blass, zu stereotyp und damit dem Zuschauer letztlich seltsam fremd.

Fazit: Gut aufgelegte Darsteller und anmutige Panorama-Bilder können leider nicht darüber hinwegtäuschen, dass „Churchill“ letztlich etwas zu unausgegoren und banal erscheint. Dies liegt vor allem am hohen Kitsch-Faktor und den vielen inhaltsleeren, pathetischen Allerwelts-Phrasen.


Bewertung 3/5

Diese Filmkritik schrieb unser Redakteur Björn Schneider.

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2 Kommentare

  1. Ich habe den Film vor einiger Zeit in der Sneak-Preview gesehen und fand ihn ziemlich gut. Auch weil er mit 90 Minuten eine angenehme Länge hat, auf den Punkt kommt und sich nicht mit Nebensächlichkeiten aufhält

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