Computer spielen verrückt und programmieren menschenähnliche Androiden darauf, Menschen zu töten. Klarer Fall: „Terminator“! Oder etwa doch nicht? Rund ein Jahrzehnt vor James Camerons apokalyptischer Filmreihe entwickelte ein anderer Visionär das Konzept des technischen Zauberlehrlings, dessen eigene Kreation ihm zum Verhängnis wird. Michael Crichtons „Westworld“, zu dem er nicht nur das Drehbuch beitrug, sondern auch Regie führte, gilt längst als Klassiker des Science-Fiction-Genres.
Ob der Klassiker inzwischen hoffnungslos angestaubt ist oder selbst nach vielen Jahren noch mit seinem Plot überzeugen kann, erfahrt ihr in nachfolgender, garantiert von Menschenhand verfasster Kritik. Oder steckt doch ein raffiniertes Computerprogramm hinter dieser Rezension? Wer weiß, wer weiß …
Auf den Freizeitgenuss folgt der tödliche Schuss
Irgendwann in nicht allzu ferner Zukunft: Im futuristischen Freizeitpark „Delos“ können zahlungskräftige Kunden ihre wildesten Phantasien ausleben. Ob als edler, unbesiegbarer Ritter die Gunst der schönen Königin gewinnen, ausschweifende römische Orgien feiern oder in einer rauen Westernstadt als Sheriff für Ordnung sorgen: Dank ausgeklügelter Technik schlüpfen die Gäste des Parks in jene Rollen, die sie immer schon einmal ausfüllen wollten. Das ganze Besondere daran sind ihre jeweiligen Diener, Widersacher oder Beischlafgefährtinnen, die allesamt von täuschend echt aussehenden und agierenden Androiden verkörpert werden.
Auch der Geschäftsmann Peter (Richard Benjamin) möchte sich seinen Jugendtraum erfüllen und ein paar Tage als harter Westernheld ausspannen. Im Schlepptau führt er seinen besten Freund John (James Brolin) mit, der nach einer Scheidung Abwechslung gebrauchen kann. Zunächst verläuft der Aufenthalt in der Westernstadt wie erhofft: Ein siegreiches Duell gegen den ebenso schießwütigen, wie verschlagenen Gunslinger (Yul Brynner), unblutige Randale im Saloon sowie äußerst freizügige junge Damen lassen die Herzen der beiden Freunde schneller schlagen.
Doch alsbald wendet sich die Situation dramatisch: Ein Computervirus verändert die Programmierung der Roboter dahingehend, dass sie die Gäste des Freizeitparks kurzerhand ermorden. Auch Gunslinger wurde von dem verhängnisvollen Systemfehler erfasst. Nachdem er John erschossen hat, heftet er sich an die Fährte des flüchtenden Peter. Erbarmungslos hetzt der Androide den hoffnungslos unterlegenen Menschen …
Das etwas andere Disneyland
Mit „Westworld“ inszenierte Bestseller-Autor Michael Crichton erstmals selbst einen Kinofilm und landete auf Anhieb einen der Blockbuster des Jahres. Dabei traf er exakt den Nerv des Zeitgeistes, welcher der Technikbegeisterung der Nachkriegszeit allmählich immer skeptischer gegenüberzustehen begann. Gerade die 1970er Jahre markierten einen der Höhepunkte der Ablehnung als destruktiv und unmenschlich aufgefasster Hochtechnologisierung des Westens. Die Problematik der Umweltzerstörung hatte in Verbindung mit den Gemetzeln der militärisch überlegenen US-Streitmacht im damaligen Entwicklungsland Vietnam zur Schürung von Zukunftsängsten beigetragen, die auch in der Popkultur nicht ohne Folgen blieb. Gerade Science-Fiction-Streifen überboten sich im Ausmalen fiktiver Dystopien in den schwärzesten Farben (etwa „Jahr 2022… die überleben wollen“ oder „Rollerball“).
Dabei diente „Westworld“ als Schablone des berühmtesten Michael-Crichton-Romans, der ebenfalls verfilmt wurde: „Jurassic Park“. In beiden Fällen geraten technologische Schöpfungen außer Kontrolle und avancieren zur tödlichen Gefahr für die Parkbesucher. Bemerkenswert ist bei gegenständlichem Film vor allem die Erwähnung von Computerviren. Wandten sich fiktive Computersysteme in derlei Streifen bis dahin mehr oder weniger aus purer Boshaftigkeit gegen ihre Erbauer, setzte Crichton zerstörerische Viren als Auslöser der Katastrophe ein. Im Grunde wiederholen derlei Filme somit lediglich auf moderne Weise die Warnung vor blinder Anmaßung und stehen in einer langen literarischen Tradition.
Wenig plausibel, aber spannend
Dennoch funktioniert „Westworld“ auf der Ebene der reinen Unterhaltung nach wie vor und erzeugt vielleicht sogar den Wunsch, es den menschlichen Figuren gleichzutun und in einer künstlichen Welt hemmungslosen Vergnügungen nachzugehen, ohne die geringsten Konsequenzen fürchten zu müssen. Denn auch wenn Computerspiele immer realistischer werden, können sie das unmittelbare Erleben nicht ersetzen.
Freilich: Die Plotlöcher sind erstaunlich groß und werfen die Frage auf, ob man diese nicht hätte vermeiden können. Beispielsweise gibt es keinen einzigen plausiblen Grund dafür, die Androiden mit echten (!) Waffen auszustatten oder künstliche Klapperschlangen mit Gebissen auszustatten, die Verletzungen zufügen können. Und weshalb ein mit Infrarot-Sensoren bestens ausgerüsteter Androide Menschen nicht augenblicklich von Robotern unterschieden kann, entzieht sich wie einige andere Ungereimtheiten einer vernünftigen Antwort.
Letztendlich spielt dies jedoch angesichts des hohen Unterhaltungswertes keine wesentliche Rolle. Ein Verdienst, der insbesondere dem aus Westernfilmen berühmten Yul Brynner gebührt. Seine Darstellung des nahezu unbesiegbaren künstlichen Revolverhelden erinnert frappant an Arnold Schwarzeneggers futuristischere Variante aus „Terminator“. Emotionslos und unbeirrbar verfolgt der in Schwarz gekleidete Roboter sein tödliches Ziel. Selbst die Szenen aus Sicht des Androiden standen sichtlich Pate für James Camerons ersten großen Kinohits, wenngleich die Kameraauflösung des Gunslingers jener des ähnlich schweigsamen Killerroboters aus der Zukunft hoffnungslos unterlegen ist.
So perfekt auch die Rollenwahl im Falle des Antagonisten ausfiel: Richard Benjamin vermag als Protagonist Peter kaum zu überzeugen und wirft die Frage auf, weshalb man die Hauptrolle nicht dem ungleich charismatischeren James Brolin anvertraute.
Einerlei: Spannend und bisweilen sogar witzig ist die Menschenhatz dennoch und kann sogar mit einigen fiesen Seitenhieben auf die Gesellschaft sowie einem Mini-Plot-Twist im Kerker aufweisen.
Fortsetzung folgt … vielleicht
Wenig überraschend zog der Erfolg von „Westworld“ eine Fortsetzung nach sich, die drei Jahre später in den Kinos anlief. Durchaus überraschend konnte „Futureworld – Das Land von Übermorgen“ an die Qualität des Vorgängerfilmes anknüpfen und bot spannende Unterhaltung, wie auch originelle Ideen. Für Yul Brynner stellte das Sequel übrigens den letzten Kinofilm dar.
1980 wurde der Stoff sogar für eine TV-Serie adaptiert, jedoch bereits nach wenigen Folgen wieder abgesetzt.
In den 1990er Jahren wäre es beinahe zu einem Remake mit Arnold Schwarzenegger in der heimlichen Hauptrolle des Gunslingers gekommen. Daran, dass „Westworld“ wohl früher als später dennoch dem immer noch profitablen Remake-Wahn Hollywoods zum Opfer fallen wird, kann kein Zweifel herrschen. Die besten Ideen der Traumfabrik liefert eben nicht mehr das Leben, sondern ein Blick in die filmische Vergangenheit …
Darsteller
- Yul Brynner … Gunslinger
- Richard Benjamin … Peter Martin
- James Brolin … John Blane
- Alan Oppenheimer … Cheftechniker
- Anne Randall … Daphne
- Terry Wilson … Sheriff
- Dick Van Patten … Banker
- Linda Gaye Scott … Arlette
- Norman Bartold … Ritter
- Steve Franken … Techniker in der Wüste
- Victoria Shaw … Mittelalterliche Königin
- Michael T. Mikler … Schwarzer Ritter
- Majel Barrett … Miss Carrie
Regie
Michael Crichton
Produktionsland, Jahr
USA, 1973
Westworld Trailer