Hagazussa – Der Hexenfluch Kritik

  	 Hagazussa - Der Hexenfluch Kritik

Österreich im 15. Jahrhundert: in einer einsam gelegenen Berghütte in den Alpen lebt die kleine Albrun (als Mädchen: Celina Peter) mit ihrer alternden Mutter (Claudia Martini). Diese wird von den Bewohnern eines in der Nähe gelegenen Dorfes für eine Hexe gehalten und gemieden, weshalb die „Kleinfamilie“ auf sich allein gestellt ist. Noch schlimmer wird es für Albrun, als ihre Mutter nach langer Krankheit verstirbt. Viele Jahre kämpft sie sich alleine durchs Leben und wird 20 Jahre später (jetzt: Alexsandra Cwen) selbst Mutter. Doch die Vergangenheit lässt Albrun nicht los, denn auch sie von den Bewohnern gemieden und verspottet. Eines Tages erhält sie vom örtlichen Pfarrer den Schädel ihrer toten Mutter und nimmt diesen mit in ihre Almhütte. Von nun an ist nichts mehr wie es wahr: Albrun nimmt immer öfter die Stimme ihrer Mutter wahr, wird von unerklärlichen Visionen heimgesucht und kann bald nicht mehr zwischen Wahn und Wirklichkeit unterscheiden. Was steckt hinter den unheimlichen Geschehnissen?

„Hagazussa“ stammt vom 32-jährigen gebürtigen Wiener Lukas Feigelfeld, der mit dem Horrorfilm seine Ausbildung an der Deutschen Film- und Fernsehakademie in Berlin beendete. Im Laufe seines Regie-Studiums, fertigte er bereits mehrere Kurzfilme an. Insgesamt zog sich die Entstehung von „Hagazussa“ – von der ersten Idee bis zum fertigen Film – über einen Zeitraum von vier Jahren. Der Grund: zwischenzeitlich stand die Produktion wegen finanzieller Engpässe still und konnte nur dank einer erfolgreichen Crowdfunding-Kampagne fortgesetzt werden. Seine Welturaufführung erlebte „Hagazussa“ vergangenes Jahr auf dem Fantasy-Filmfest im texanischen Austin.


„Hagazussa“ könnte vom Erfolg des Horror-Überraschungshits von 2016, „The Witch“, profitieren. Denn noch sehr präsent sind die Erinnerungen an den großartigen Debütfilm von Robert Eggers, der mit „The Witch“ eine gekonnte Melange aus psychologischem Familien-Drama und beklemmendem Hexen-Horror schuf. Atmosphärisch, düster und beunruhigend. Diese drei Adjektive treffen allesamt auch sehr gut auf den Erstling von Lukas Feigelfeld zu, der in Interviews stets betonte, dass er die Idee zu „Hagazussa“ bereits vor der Veröffentlichung von „The Witch“ hatte. Doch unabhängig davon, welcher der beiden Regisseure seine Filmidee zuerst hatte, sind doch beide Werke für sich genommen zutiefst verstörend und herausragende Beispiele für reduzierten, sich langsam aufbauenden Horror.

Mehr noch als „The Witch“ kann man „Hagazussa“ als Familien-Drama über Menschen ansehen, die in der kargen und unwirtlichen Natur zu überleben versuchen. Ein Überlebenskampf in den Bergen und in der dreckigen, dunklen und spärlich ausgestatteten Almhütte, die von meterhohem Schnee umgeben ist. In den ersten fünfzehn Minuten ist es die kleine Albrun mit ihrer Mutter, die dem Hunger und dem schlechten Wetter trotzen. Im Anschluss verkehren sich die Positionen und Verantwortlichkeiten ins Gegenteil: Dann nämlich ist es die ca. 35 Jahre alte Albrun, die sich um ihr eigenes Kind kümmern und es ernähren muss. Mit den schweren Milcheimern über den zarten Schultern, legt sie den beschwerlichen Weg ins Dorf zurück, um ihre Erzeugnisse zu verkaufen. Sie melkt, hält das Haus instand und hackt das Holz.

Wer in „Hagazussa“ gängige Elemente klassischer Horrorfilme erwartet, könnte möglicherweise enttäuscht werden. Denn markerschütternde Schockmomente sind ebenso rar gesät wie blutige Szenen oder unerwartete „Jump Scares“. Ein-, vielleicht zweimal schreckt man als Zuschauer kurz auf, doch der Horror manifestiert sich fast ausnahmslos im Kopf der Hauptperson. Ein psychologischer Horror, der sich auf den allmählichen geistigen Verfall von Albrun konzentriert und ihren unaufhaltsamen Weg in die Paranoia visualisiert. Um ihr Abgleiten in den Wahnsinn zu verdeutlichen und für den Zuschauer spür- bzw. erfahrbar zu machen, bedient sich Feigelfeld konsequent äußerst wirkungsvoller optischer und akustischer Werkzeuge.

So kündigt z.B. der vibrierende, basslastige Score die Präsenz der dämonischen Kraft, die Albrun (scheinbar) heimsucht, immer wieder an. Der Soundtrack dient dabei ebenso als Ersatz für die Dialoge. Denn die Anzahl der gesprochenen Sätze kann man fast an zwei Händen abzählen. Zusätzlich nutzt Feigelfeld sehr oft Detailaufnahmen von Albruns Augen. Dabei erfährt der Kinobesucher nicht immer, was sie gerade erblickt. Stattdessen weicht er mit der Kamera in diesen Momenten nicht mehr vom Gesicht seiner Hauptfigur und verzichtet so darauf, das eigentlich Bedrohliche zu zeigen. Jedoch sprechen Albruns Augen – wenn diese z.B. weit aufgerissen vor Schreck oder Wahnsinn erstarren – zumeist für sich. Nicht zuletzt kurz vor Schluss, wenn ein loderndes (Fege-) Feuer über das Schicksal der Besessenen entscheidet.

Fazit: „Hagazussa“ ist ein Paradebeispiel für zutiefst verstörenden psychologischen und assoziativen Horror. Das mit einem durchdringenden Score durchsetzte Werk profitiert von seinen versteckten Andeutungen, unterschwelligen Botschaften sowie der stilsicheren Inszenierung.

Bewertung 10/10

Diese Filmkritik schrieb unser Redakteur Björn Schneider.

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2 Kommentare

  1. Also ich habe den Film leider im Kino verpasst, werde ihn mir aber für Daheim auf Blu-Ray kaufen. Ich las/hörte/sah nur positive Berichterstatt. über dieses Werk

    LG
    Der Pit

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