Verblendung Kritik

Die schwedische Verfilmung des ersten Teils von Stieg Larssons „Millenium-Trilogie“ von 2009 legte die Messlatte für eine mögliche Hollywood-Version ungemein hoch. Dem Regisseur Niels Arden Oplev gelang es, den ersten Roman von Larssons Trilogie als hochklassigen, exzellent besetzten und äußerst brutalen Thriller zu inszenieren, der mit so ziemlich jedem Hollywood-Thriller der vergangenen Jahre mithalten konnte. „Verblendung“ gewann in der Folge unzählige internationale Filmpreise, verhalf Hauptdarstellerin Noomi Rapace zum großen Durchbruch und zählt zweifelsfrei zu den gelungensten europäischen Filmen des vergangenen Jahrzehnts. Wie nicht anders zu erwarten, sollte es nicht lange dauern, bis sich auch Hollywood des packenden Stoffes um einen ungeklärten Entführungsfall eines jungen Mädchens annahm. Das Hollywood-Remake von „Verblendung“ ist jetzt in den deutschen Kinos angelaufen. Regie führte David Fincher.

Wenn europäische Buch- oder Filmerfolge für den internationalen Markt aufbereitet werden sollen, stellen sich oft schon bei der Ankündigung Zweifel ein. Dies war im Falle von „Verblendung“ nicht so, schließlich stand schon früh fest, dass der Fürst der Finsternis David Fincher die Regie übernehmen würde. Kritik und Publikum waren einhellig schon lange vor Kinostart der Meinung, dass Finchers Regie-Stil perfekt zur düsteren Story um Lisbeth Salander und Mikael Blomkvist passen würde, die bis in die Abgründe und Tiefen der menschlichen Seel reist. Ein Stoff, wie gemacht für den Filmemacher, der sich in seinen Meisterwerken „Sieben“ und „Fight Club“ eingehend mit der dunklen Seite der menschlichen Psyche befasste und diese zu ergründen versuchte. Alles in allem gelingt Fincher mit seiner Version von „Verblendung“ trotz einer handwerklich einwandfreien Umsetzung nicht das erhoffte Thriller-Glanzstück. Das liegt jedoch weniger an den Film selbst als vielmehr an der hohen Qualität des Originals.

Die Story: Gerade hat Mikael Blomkvist (Daniel Craig), Chefredakteur des Enthüllungsmagazins „Millennium“, eine bittere juristische Niederlage erlitten. So nimmt er ohne lange zu überlegen das lukrative Angebot des schwedischen Großindustriellen Henrik Vanger (Christopher Plummer) an, den Fall von dessen seit 40 Jahren spurlos verschwundenen Großnichte zu klären. Die Ermittlungen führen den Journalisten immer tiefer in die düstere und kriminelle Familiengeschichte, aber auch an die Seite der ebenso smarten wie undurchsichtigen Punk-Hackerin Lisbeth Salander (Rooney Mara). Gemeinsam nimmt das ungleiche Gespann die Recherchen auf. Bis sie selbst in Lebensgefahr geraten…

David Fincher und sein Team präsentieren mit ihrer Version von „Verblendung“ einen überzeugenden Thriller mit hohem Unterhaltungswert und einer strafferen und damit übersichtlicheren Erzählweise als das Original. Fincher liebt es finster und unheimlich. „Verblendung“ erlaubt ihm, seine visuellen Neigungen und Vorlieben im großen Stil auszuleben: Er und sein Kameramann Jeff Cronenweth fangen die kalte und triste Atmosphäre auf Vangers Insel und im bösartigen Familienstammbaum aus Faschisten, Killern und inzestuösen Perversen packend und gekonnt ein. Im Kontrast dazu wirken die atmosphärischen, harmonischen Bilder und Einstellungen der verträumten schwedischen Winterlandschaften vor dem Hintergrund der grausamen Ereignisse geradezu bedrohlich und beängstigend – aber mindestens ebenso atemberaubend. Zeichnete sich die Optik in der Schweden-Verfilmung noch durch natürliche, weniger gestylte Bilder aus, ist die Bildsprache hier Hollywood-typisch moderner und hochwertiger geraten. Erfreulich ist, dass Fincher nicht die drastischen Gewaltszenen auslässt, die das Handeln und Denken der Lisbeth Salander erklären und für den Zuschauer zumindest ein Stück nachvollziehbar machen. So ist es dem Regisseur hoch anzurechnen, dass er z.B. nicht auf die verstörende Vergewaltigungsszene verzichtet, um seinen Film massenkompatibler oder gar familienfreundlicher zu machen.

Daniel Craig als Journalist Mikael Blomkvist und die Neuentdeckung Rooney Mara als gruftige Computerhackerin Lisbeth Salander liefern solide Leistungen ab, müssen sich aber natürlich in jeder Szene den Vergleich mit ihren Vorgängern Mikael Nyqvist und Noomi Rapace gefallen lassen. Craig spielt seinen Blomkvist agiler und lebhafter, Mara verkörpert eine introvertiertere und fast unnahbare Salander, die in Sachen Leinwandpräsenz und Ausdruck jedoch nicht ganz an Noomi Rapace heranreicht. All jene, die weder das Buch gelesen noch die Erstverfilmung gesehen haben, werden ihre Freude an Finchers Thriller haben. Für diejenigen jedoch, die mit der Story bereits vertraut sind und auch die schwedische Version gesehen haben, könnte „Verblendung“ eine Enttäuschung sein. Denn ganz gleich, wie überzeugend die Darsteller auch hier agieren und die Optik durch die visuellen Kontraste besticht, hat man doch stets die Bilder aus der Original-Verfilmung im Kopf. Und diese bleibt unerreicht.

FAZIT: Finchers „Verblendung“ kommt als ebenso spannendes wie unterhaltsames Thriller-Puzzle in starken Bildern daher. An die Klasse des schwedischen Originals reicht der Film dennoch nicht heran.

Diese Filmkritik schrieb unser Redakteur Björn Schneider.


Darsteller:

  • Daniel Craig
  • Rooney Mara
  • Stellan Skarsgård
  • Christopher Plummer
  • Robin Wright
  • Goran Visnjic
  • Embeth Davidtz
  • Joely Richardson
  • Joel Kinnaman
  • Elodie Yung
  • Julian Sands
  • Steven Berkoff

Regie:
David Fincher

Erscheinungsjahr:
2011

Verblendung Trailer

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3 Kommentare

  1. Ich finde auch,d as Fincher das richtig gut mgemacht hat. Es wurden ja schon viele Stimmen laut, dass die Schweden das nicht so gut hinbekommen haben, besonders den zweiten Teil. Ich habe den Film jedenfalls sehr genossen, ist ein guter „Krimi“.

  2. Finde auch, dass beide Filme echt gut geworden sind. Beide haben ihre Stärke in der Bildsprache und den Schauspielern. David Fincher bleibt auf jeden Fall einer der größten Filmemacher in Hollywood! lg

  3. Mir völlig unverständlich warum es nun auch noch eine Hollywoodvariante der Geschichte geben musste. Die schwedische Verfilmung ist super, vor allem da es bis dahin lauter unbekannte Gesichter sind, die dadurch auch alle Vermutungen über Täter und Opfer unbeeinflusst lassen.

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