Unsane – Ausgeliefert Kritik

Unsane - Ausgeliefert Kritik

Sawyer (Claire Foy) ist noch neu in der Stadt und hat erst kürzlich eine neue Stelle begonnen. Der Grund für ihren Umzug: in ihrer alten Heimat wurde sie Opfer eines Stalkers (Joshua Leonard), der ihr überall auflauerte. Nun will sie ein neues Leben beginnen und das Erlebte vergessen. Ablenkung sucht sie bei abendlichen Tinder-Dates, jedoch schleichen sich bald die alten Ängste ein: in den Gesichtern der Männer erkennt sie das Gesicht ihres Stalkers. Um ihre Qualen los zu werden, sucht Sawyer Hilfe bei einem Psychiater in der Highland-Creek-Nervenheilanstalt. Dort hofft sie auf eine ambulante Therapie. Doch schon bald überschlagen sich die Ereignisse. Erst lässt das Klinikpersonal Sawyer nicht mehr aus der Anstalt, dann wird sie gewaltsam in einem Zimmer einquartiert und unter Medikamente gestellt. Angeblich hat sie sich selbst für 24 Stunden in die Klinik eingewiesen. Und es kommt noch schlimmer: in einem der Pfleger erkennt sie ihren Stalker wieder. Bildet sie sich alles nur ein oder hat sie der Verrückte tatsächlich bis nach Highland Creek verfolgt?

Vier Jahre lang gab es keinen neuen Film von Regie-Visionär Steven Soderbergh („Solaris“, „Ocean’s Eleven“), bis er sich 2017 mit „Logan Lucky“ aus dem vorzeitigen Ruhestand zurückmeldete. Denn nach dem Thriller „Side Effects“ hatte er 2013 erklärt, seine Laufbahn als Filmemacher zu beenden. Mittlerweile ist Soderbergh allerdings wieder äußerst umtriebig, weshalb ein Jahr nach „Logan Lucky“ mit „Unsane“ schon der nächste Film von ihm in die Kinos kommt. Das Besondere an dieser Produktion: Soderbergh verzichtete beim Dreh auf professionelle Film-Kameras und inszenierte seinen Horror-Thriller ausschließlich mit dem iPhone 7 Plus. Und mit dem, was das Gerät an Technik hergibt. Seine Weltpremiere erlebte der Film auf der diesjährigen Berlinale. Dort lief er außer Konkurrenz.


Steven Soderbergh legt mit „Unsane“ einen der schwächsten Filme seiner Karriere vor, da er hier Dinge vernachlässigt, denen er in seinen früheren Werken besondere Aufmerksamkeit schenkte: Dramaturgie, Story und Charakterzeichnung. Darüber hinaus bedient der Oscar-Preisträger („Traffic“) unzählige Allgemeinplätze und abgenutzte Elemente gängiger, oft gesehener Paranoia- und Psychiatrie-Thriller. Doch der Reihe nach. Eine erste große Enttäuschung des experimentell angehauchten, mit Mini-Budget realisierten B-Movies ist seine überraschungsarm verlaufende Handlung. Und der damit verbundene, wenig überraschende Spannungsbogen, mit dem Soderbergh inhaltlich auf Nummer sicher gehen will.

Da ist die labile junge Frau, die gegen ihren Willen in einer psychiatrischen Anstalt landet. Da ist der Überlebenskampf in dieser für sie so bedrohlichen, unerwarteten Situation und Umgebung, in der sich die Geister der Vergangenheit langsam zurückmelden und alte Ängste stärker denn je zum Vorschein treten. Das hat man alles schon so oder so ähnlich in Filmen wie „Grave Encounters“, „Gothika“ oder „Madhouse“ gesehen. Sawyer hat im Film mit zwei Ängsten zu kämpfen: einerseits die Panik vor dem verrückten Stalker, den sie in einem der Pfleger zu erkennen glaubt. Und dann die Sorge, allmählich endgültig in den Wahnsinn bzw. die Geisteskrankheit abzudriften, wofür das Klinikpersonal so einiges tut.

Allerdings verläuft auch dieses Spiel um Realität und Wahn in „Unsane“ nur wenig spannend. Denn Soderbergh macht den Fehler, das Rätsel zu schnell aufzulösen. Er legt die wahren Absichten des Klinik-Mitarbeiters zu einem Zeitpunkt offen, in dem der Film gerade im Begriff ist nochmal die (Spannungs-) Kurve zu kriegen. Das ist ärgerlich, weil es so unnötig ist. Anstatt den Zuschauer noch weiter miträtseln zu lassen nimmt der Regisseur seinem Film auf diese Weise den Wind aus den Segeln. Und dann wären da noch all jene altbekannten Genre-Versatzstücke, wie man sie aus unzähligen anderen, in Psychiatrien angesiedelten Thrillern kennt: von gewaltsam einverleibten Medikamenten und panischen Telefonaten mit der Polizei über verschlossene Zimmertüren bis hin zu apathisch wirkenden, mit Pillen ruhig gestellten Mitpatienten.

Zwei Dinge jedoch retten „Unsane“ vor dem Totalausfall. Zum einen sorgen die Bildsprache und Visualität tatsächlich für eine unheilvolle und klaustrophobische Stimmung. Die häufig unscharfen, leicht verzerrten und verwackelten Smartphone-Bilder lassen u.a. die Personen, die in der Klinik über die engen Gänge schleichen, oft nicht erkennen. Dadurch ergibt sich ein völlig neues, technisch begründetes Spannungs-Potential, dass der Film gekonnt für sich nutzt. Die dreckige, körnige Optik unterscheidet sich hier angenehm von den sonst üblichen, gelackten Hochglanz-Bildern der edlen Blockbuster-Produktionen. Gelungen ist zudem die – alles andere als subtile – Kritik am US-amerikanischen Gesundheitssystem, die der Film übt. Im Kern geht es um die fragwürdigen Methoden und Tricks vieler US-Kliniken, Patienten aus finanziellen Gründen länger als nötig in der Klinik zu behalten.

Fazit: Schablonenhafter und allzu vorhersehbarer Psycho-Horror ohne echte Gänsehaut-Momente. Einzig die unkonventionelle technische Umsetzung und die nachdrückliche Kritik am US-Gesundheitssystem retten den Film vor der Belanglosigkeit.


Bewertung: 5/10

Diese Filmkritik schrieb unser Redakteur Björn Schneider.

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Ein Kommentar

  1. Habe ihn in der Sneak gesehen und fand ihn gähnend langweilig. Ich hoffe nicht, dass es künftig zur Regel wird, dass Filme mit iPhones/Smartphones gedreht werden, sollen sie noch so hochwertig sein und gestochen scharfe Bilder machen. Die Digitalisierung nimmt echt überhand://…

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