Split Kritik

Für die drei Freundinnen Casey (Anya Taylor-Joy), Marcia (Jessica Sula) und Claire (Haley Lu Richardson) entwickelt sich der Shopping-Trip in die Stadt zur reinsten Hölle – denn er endet im Kellerverlies des finsteren Kevin (James McAvoy), der die Drei brutal entführt. Das „Besondere“ an Kevin: er leidet unter einer mehrfach gespaltenen Persönlichkeit, denn ganze 23 verschiedene Personen bzw. Charaktere vereinen sich in ihm. Und so kann es sein, dass den Mädchen an einem Tag eine ältere Dame im Keller gegenübersteht, am anderen ein kleiner Junge, der auf dem Boden sitzt und spielt. Stets steckt Kevin in der Verkleidung und die jungen Opfer wissen nie, wen sie als nächstes vor sich haben werden. Viel Zeit zur Flucht bleibt ihnen nicht, denn die verschiedenen Persönlichkeiten sprechen immer wieder von einer geheimnisvollen „Bestie“. Den Mädchen wird klar: bald kommt es zum Ausbruch von Kevins 24. Persönlichkeit, die schlimmer ist als alle anderen.

Regisseur M. Night Shyamalan gehört fraglos zu den umstrittensten Filmemachern überhaupt. In den ersten Jahren seiner Karriere wurde er als Regie-Wunderkind gefeiert. So drehte er mit gerade einmal 29 Jahren das Mystery-Thriller-Meisterwerk „The Sixth Sense“. Nach seinem vierten Spielfilm „The Village“ (2004), geriet er aber mit immer obskureren Werken und unausgegorenen Genre-Mixen („Das Mädchen aus dem Wasser“, „The Happening“ etc.) ins Hintertreffen. Nun unternimmt er mit der 10-Millionen-Dollar-Produkion „Split“ einen weiteren Versuch, alte (kommerzielle) Erfolge zu wiederholen. Und er kann sich berechtigte Hoffnungen machen: bereits am Startwochenende spielte der Film, der Ende 2015 überwiegend in Pennsylvania gedreht wurde, das Vierfache seiner Kosten wieder ein – allein in den USA. Für die Hauptrolle war zunächst Joaquin Phoenix im Gespräch.
Die Frage nach der Glaubwürdigkeit der dargestellten Persönlichkeitsstörung bzw. psychischen Erkrankung Kevins, darf man hier nicht stellen. Fragwürdig ist, ob eine solche Erkrankung wirklich dazu führen kann, dass eine derart hohe Anzahl an (gleichberechtigten) Identitäten, die Herrschaft über das Seelenleben eines Einzelnen erlangen kann. Ein Aspekt, der schon in James Mangolds Horror-Thriller „Identität“ (2003) für fragende Gesichter sorgte. Shyamalan geht nun noch einen Schritt weiter und sorgt dafür, dass sich die Persönlichkeit seiner Hauptfigur nochmals in wesentlich mehr einzelne „Personen“ aufspaltet.

Shyamalan will hier – am Beispiel von Kevin – auch keine medizinisch akkurate, glaubhafte Beschreibung einer heimtückischen Krankheit liefern. Vielmehr bedient er sich dieses ebenso faszinierenden wie zutiefst verstörenden Charakters, um eine ungemein mitreißenden, hochatmosphärische Entführungsgeschichte zu spinnen. Dies vollzieht er mit den Mitteln des klassischen Horrorfilms sowie vielen unerwarteten Wendungen, die die Spannung hoch halten – und den Zuschauer bei der Stange. Dadurch, dass immer wieder neue Charaktere auf der Leinwand erscheinen, kommt niemals Langeweile auf und stets fragt man sich, wie die neuerliche Persönlichkeit auf die Entführten reagieren wird. Und die Entführten auf die Persönlichkeit. Haben die Mädchen vielleicht sogar eine Chance zu entkommen, wenn Sie zufällig auf eine liebenswürdige und hilfsbereite Identität, die in Kevin verankert ist und zum Vorschein kommt, treffen?

Das Gute ist, dass es Shyamalan bei diesem fröhlichen Figuren-Karussell auch nicht übertreibt und sein Vorgehen mit der Brechstange auszureizen versucht, heißt: natürlich erscheinen in „Split“ nicht alle der 23 Persönlichkeiten auf der Bildfläche bzw. Leinwand. Aber doch einige der bizarrsten und düstersten, die in Kevin angelegt sind. Darunter z.B. ein kleiner, vorlauter Junge oder auch eine launische ältere Frau, die den Kindern nicht zuletzt mit ihrer Exzentrik und (etwas untertrieben formuliert) „inneren Unausgeglichenheit“, zusetzt.

Das eigentliche Highlight aber ist Hauptdarsteller James McAvoy, dem die innerlich zerrissene, unberechenbare Figur des psychisch schwer kranken Psychopathen auf den Leib geschneidert wurde. Jede der abwechselnd zum Vorschein kommenden Persönlichkeiten, spielt McAvoy mit einer gehörigen Portion Wahnsinn und geistiger Umnachtung. Diese manifestiert sich meist in seinem durchdringenden, unter die Haut gehenden Blick. Zudem ist es spannend mit anzusehen, was es am Ende denn wirklich mit der „Bestie“ auf sich hat. Und: welche Rollen seine Therapeutin (Betty Buckley) und eines seiner Opfer, die toughe Casey, im weiteren Verlauf noch spielen werden.

Fazit: M. Night Shyamalan liefert mit dem doppelbödigen, spannenden Horror-Thriller seinen besten Film seit „The Village“ (2004) ab. Dem überragenden Hauptdarsteller und einer geschickten Dramaturgie, sei Dank.

Bewertung von Split:

4/5 Sternen

Diese Filmkritik schrieb unser Redakteur Björn Schneider.

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Ein Kommentar

  1. Das wenig Gute an dem Film ist der Superhelden-Überbau wie bei „Unbreakable“. Der Regisseur ist einer unglaublicher Comic-Fan, das merkt man. Aber nichts mehr zu sehen von der Großartigkeit des Shyamalan zu Zeiten von 6th Sense

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