Robin Hood (2010)

Wer kennt ihn nicht, jenen verwegenen Helden in Strumpfhosen, stets Pfeil und Bogen mit sich führend, einen kecken Spruch auf den Lippen, Liebling der Unterdrückten und der Frauen? Und wer hegt nicht zumindest heimlich Sympathien für seinen Kampf gegen Ungerechtigkeiten und Ausbeutung? Robin Hood zählt neben Dracula zu den wohl am öftesten verfilmten Heldenstoffen. Gleich dem weniger sympathischen Blutsauger aus Transsylvanien tendieren die Fakten hinter dem modernen Mythos gegen Null. Einerlei: Ob in Stummfilmversionen oder Mel-Brooks-Adaptionen, ob von Errol Flynn oder Kevin Costner verkörpert – Robin Hood zieht immer! Schließlich ist alleine sein Name weltweit bekannt.

Als sich die englische Regielegende Ridley Scott einer Neuverfilmung annahm, war die Skepsis groß: Würde es dem mittlerweile geadelten Schöpfer bizarrer Welten à la „Blade Runner“ gelingen, dem Stoff irgendetwas Neues abgewinnen zu können? Oder würde sich seine Version letztendlich nur als weitere nette, aber belanglose Verfilmung in die Riege ähnlicher Projekte einreihen? Nun denn, lasset das Turnier um die Gunst der Zuschauer beginnen!

O Gott! Diese Franzosen …!
Das durch den Dritten Kreuzzug aufgeriebene Heer des englischen Königs Richard Löwenherz (Danny Huston) befindet sich auf dem Rückweg aus dem gar nicht so geheimnisvollen Morgenland. Die Aufgaben, die den Herrscher zu Hause erwarten sind gewaltig, stöhnt doch das Volk unter den drückenden Steuern. Ausgerechnet wenige Tage von zu Hause entfernt ereilt den tapferen König ein unerbittliches Schicksal: Bei der Erstürmung einer französischen Burg verwundet ihn ein Pfeil tödlich.


© 2010 Universal Studios – David Appleby

Auf verschlungenen Wegen ist es nun am Bogenschützen Robin Longstride (Russell Crowe), sowohl die Krone, als auch das Schwert des hinterhältig ermordeten Edelmanns Sir Robert Loxley (Douglas Hodge) in die Heimat zurückzuführen. Der untadelige Robin nimmt die Herausforderung an und überbringt zunächst Eleanor von Aquitaine (Eileen Atkins), Mutter des gefallenen Königs, die Krone. Traditionell krönt sie ihren einzig überlebenden Sohn John (Oscar Isaac) zum neuen Herrscher, was sich als Verhängnis herausstellen soll. Denn dieser ernennt als erste Amtshandlung Godfrey (Mark Strong) zum neuen Schatzmeister. Was der Neo-König nicht weiß: Godfrey schloss zuvor einen Pakt mit dem französischen König Philipp, der eine Invasion auf den britischen Inseln plant.

Derweil brechen Robin und seine Freunde Little John (Kevin Durand), Will Scarlett (Scott Grimes) und Allan A‘Dayle (Alan Doyle) nach Nottingham auf, um Sir Loxleys Schwert dessen Vater in Nottingham zu überbringen. Dort angekommen trennen sich fürs Erste die Wege der Freunde. Denn der greise Sir Walter Loxley (Max von Sydow) überrascht Robin mit dem Angebot, die Stelle seines gefallenen Sohnes einzunehmen. Nach kurzem Zögern nimmt Robin an und sieht sich plötzlich in der Rolle des Gemahls von Lady Marion Loxley (Cate Blanchett).

Zeit für Romantik oder zum Verschnaufen bleibt den Beiden jedoch keine. Denn der hinterhältige Plan Godfreys trägt Früchte: Während ein französisches Invasionsheer an der englischen Südküste landet, wollen sich zahlreiche Edelmänner und deren Untertanen gegen das tyrannische Diktat des Königs erheben. England droht in einem Bürgerkrieg zu versinken und hernach leichtes Opfer der Franzosen zu werden. Nur Robin Hood kann jetzt noch das Königreich retten …

Da zieht es ihm die Strumpfhose aus
Beinahe schon zahllose Adaptionen des Mythos pflastern den Weg hin zur mit Spannung erwarteten Ridley-Scott-Version. Dass diese mit Errol Flynns legendärer Darstellung als charmanter Underdog wider die mächtige Krone ebenso wenig zu tun haben würde wie mit Kevin Costners weichgespülter Romantiksülze. Stattdessen legte er bereits im Vorfeld Wert darauf zu betonen, dass es sich um eine stark vom gewohnten Bild abweichende Version handeln würde. Um es vorwegzunehmen: Dieses Ansinnen gelingt ihm vortrefflich. Ob dies dem fertigen Film jedoch mehr nützt als schadet, ist wohl Ansichtssache.


© 2010 Universal Studios – David Appleby

Denn Scott entfernt sich dermaßen weit vom Robin-Hood-Mythos, dass der Abenteuerstreifen bisweilen schon wie eine Distanzierung wirkt. Deutlich wird dies bereits am gesetzten Zeitrahmen der Ereignisse: Dort, wo konventionelle Filme über den Grünling und seine „Merry Men“ beginnen, endet Scotts „Robin Hood“. Somit versteht sich seine Version als Vorgeschichte, was für ein zwiespältiges Ergebnis sorgt.

Positiv zu vermerken ist die Abkehr von den hinreichend bekannten, üblichen Mustern des Mythos. Hier versteckt sich Robin Hood nicht mit Little John & Co im Wald, um dem Sheriff von Nottingham bzw. der Krone an sich das Leben schwerer und jenen der von hohen Steuern geplagten Leibeigenen leichter zu machen. Vielmehr findet sich Scotts edler Kämpfer an der Seite der Krone. Zunächst indem er das Machtsymbol des Herrschers an den Hof zurückbringt und später, indem er die französischen Invasoren höchst wirkungsvoll bekämpft. Selbst wenn man dem Film ansonsten nichts Positives abgewinnen kann, muss man zugeben, dass der Perspektivenwandel erfrischend neu ist und sich einem simplen Kopieren des Erfolgsrezepts – populärer Feschak im grünen Freizeitanzug, hübsche Jungschauspielerin als hilflose Maid Marion, fieser Sheriff, etc. – komplett verweigert. Düsterer und dreckiger war noch kein „Robin Hood“-Film zuvor.


© 2010 Universal Studios – David Appleby

Das große „aber“ ergibt sich zwangsläufig aus eben dieser Abkehr. Denn mit dem sympathischen Anarchisten im Dienste der Ausgebeuteten hat eben diese Version abgesehen von einigen Namen praktisch gar nichts mehr gemeinsam. Dieser Robin Hood steht vielmehr in der Tradition des Helden einer anderen Ridley-Scott-Produktion, nämlich des Maximus aus „Gladiator“. Von schrecklichen Ereignissen traumatisiert und kriegsmüde wächst ein Krieger über sich hinaus und schafft das scheinbar Unmögliche: Er besiegt die übermächtigen Feinde. Wohl nicht zufälligerweise ist es der auch im realen Leben raue Russel Crowe, der diese Rolle verkörpert. Zum mittlerweile fünften Mal stand Crowe in einem Ridley-Scott-Film vor der Kamera und bietet wie immer eine beeindruckende Performance. Freilich: Beinahe alles, was die Popkultur aus dem vagen Mythos zum leuchtenden Vorbild eines edlen Recken für die Unterdrückten formte, wird auf den Müllhaufen der Geschichte geworfen. Erst ganz am Ende des Filmes begegnet dem Zuschauer jener Robin Hood, den er kennt und liebt.

Effektreich, aber ohne jegliche Spannung inszeniert
Aus technischer Sicht gibt es an einem Ridley-Scott-Film wie üblich kaum oder gar nichts zu meckern. Die Effekte der etwa 130 Millionen Dollar teuren Produktion entsprechen dem Stand der Technik, mehrmals gönnt der Regie-Titan der Kamera einen großzügigen Schwenk über die herrlichen englischen Landschaften und der Realismus schindet gewaltigen Eindruck. Anders als ein Jahrzehnt zuvor in „Gladiator“ starren selbst die Hallen der Macht, hier der Königshof, vor Dreck und architektonischer Kälte.


© 2010 Universal Studios – Kerry Brown

Die schauspielerischen Leistungen sind durchwegs auf höchstem Niveau, wobei Russel Crowe und Cate Blanchett gewohnt herausragende Darstellungen abliefern. Und dennoch mangelt es dem Film an einem ganz wesentlichen Element: Der Spannung. So üppig und aufwändig die Nachgestaltung des Mittelalters auch gefilmt sein mag, so emotional steril verbleibt die Atmosphäre während der rund zweieinhalb Stunden Lauflänge. Beispielsweise verwindet die den gesellschaftlichen Konventionen trotzende Lady Marion, die sich schließlich als englische Jeanne d’Arc entpuppt, den Tod ihres geliebten Mannes ziemlich rasch und ohne Tränen.

Dies wäre ja noch zu verschmerzen, wäre da nicht das Problem der fehlenden Antagonisten. Als formeller Schurke agiert Godfrey, der letztendlich aber die üblichen Konventionen eines „bösen Buben“ erfüllt: Er ist feige, agiert aus dem Hinterhalt, vergreift sich an den Schwachen und scheut nicht davor zurück, wehrlose Frauen und Kinder einem qualvollen Feuertod zu überantworten. Charisma oder gar Bedrohlichkeit strahlt er damit keine aus. Er ist lediglich ein fieser Typ, der für den Erfolg buchstäblich über Leichen geht.
Der klassische Widersacher in Form des Sheriffs von Nottingham (eine Spur zu überzogen gespielt von Matthew Macfadyen) verkommt leider zur unbedeutenden Nebenrolle.


© 2010 Universal Studios – David Appleby

Selbst Robins treuen Mannen kommen nur eher vernachlässigbare Rollen zu. Ihre Charaktere werden nicht weiter ausgefeilt. Stattdessen saufen sie zwar gerne und sind weiblichen Reizen gegenüber aufgeschlossen, aber mehr als (unnütze) Stichwortgeber sind sie nicht.

Natürlich ist Robin Hood nie ernsthaft in Gefahr, ebenso wenig, wie James Bond am Ende eines Filmes tatsächlich mausetot sein könnte. Dennoch hätte das Drehbuch ausreichenden Platz für allerlei Konflikte gegeben, die den Zuschauer in den Bann zögen. Doch von Anfang an sind die Rollen klar verteilt und lassen keinen Zweifel am weiteren Verlauf der Geschichte.

Nicht gerade hilfreich ist auch Scotts ausufernder Ehrgeiz: „Robin Hood“ sollte offensichtlich mehr als „nur“ ein spannender Abenteuerfilm sein. Nebst kleineren Scharmützeln und großen Schlachten wird eine Liebesgeschichte hineingepackt, die im Eiltempo zum Happy End marschiert, eine Intrige wider die Krone findet sich ebenso darin, wie kritische Fragen zu den Kreuzzügen, politische Kommentare, ein Mutter-Sohn-Konflikt, Feminismus und vieles mehr. Dafür reichen zweieinhalb Stunden beim besten Willen nicht aus, wodurch Scotts Werk reichlich unausgegoren wirkt und die Frage aufwirft, welchen Film er eigentlich inszenieren wollte: Einen mittelalterlichen „Gladiator“? Dieses Feld hat bereits Mel Gibson mit „Braveheart“ beackert. Bewunderung für eine starke Frau in einer männerdominierten Gesellschaft? Eine Schlachtplatte?


© 2010 Universal Studios – David Appleby

Schlussendlich lässt Ridley Scotts „Robin Hood“ völlig ratlos zurück. Mehr als zwei Stunden guter Unterhaltung genügen einfach nicht den Ansprüchen, die man an den Schöpfer von „Alien“, „Blade Runner“ oder „Gladiator“ stellt. Man kann nur hoffen, dass er sich seiner alten Stärken besinnt und das abliefert, was man sich von ihm erwartet: Einen Film, der eindeutig seine Handschrift trägt und unbequem genug ist, nicht mit einem Attribut wie eben „gute Unterhaltung“ versehen zu werden.


Darsteller
Russell Crowe … Robin Longstride
Cate Blanchett … Marion Loxley
Max von Sydow … Sir Walter Loxley
Kevin Durand … Little John
Alan Doyle … Allan A’Dayle
Mark Strong … Godfrey
Mark Addy … Bruder Tuck
Oscar Isaac … Prinz John
Danny Huston … König Richard Löwenherz
Eileen Atkins … Eleanor von Aquitaine
Matthew Macfadyen … Sheriff von Nottingham
Scott Grimes … Will Scarlet
William Hurt … William Marshal
Douglas Hodge … Sir Robert Loxley
Léa Seydoux … Isabella von Angoulême

Regie
Ridley Scott

Produktionsland, Jahr
USA, 2010

Robin Hood (2010) Trailer

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