Orphan – Das Waisenkind

Orphan-Das-Waisenkind„Das Böse hat ein neues Zuhause“, behauptet das deutsche Filmposter zu „Orphan – Das Waisenkind“. Treffender bringt es das US-Poster auf den Punkt: „There’s something wrong with Esther.“
In der Tat: Das anfangs sympathisch wirkende Waisenkind Esther bringt das Leben seiner Adoptivfamilie gehörig durcheinander! Allerdings nicht auf harmlose Weise, wie in einer Familienkomödie, sondern mit Hinterlist und mitunter Gewalt. Ob es sich bei „Orphan – Das Waisenkind“ tatsächlich um jenen originellen Psychothriller handelt, als den ihn viele Kritiker anpreisen, oder doch nur um ein Kuckucks-Ei aus Hollywood, wollen wir nachfolgend ergründen. Denn mit eurem Filmkritiker ist natürlich alles in bester Ordnung …

Kinder an die Macht!
Die Colemans sind scheinbar eine glückliche Familie, die einfach alles hat: Kate (Vera Farmiga) und ihr Mann John (Peter Sarsgaard) sind attraktiv, haben zwei nette Kinder und verfügen über genug Geld, um sich einen hohen Lebensstandard leisten zu können. Doch das angebliche Glück täuscht: Kate ist ein psychisches Wrack, das nach einer Fehlgeburt zur Alkoholikerin wurde und dadurch beinahe den Tod von Tochter Max (Aryana Engineer) verschuldet hätte. Ihre Schuldgefühle quälen sie seither Tag und Nacht.

Deshalb beschließen sie und ihr Mann, als „Wiedergutmachung“ ein Kind zu adoptieren. Der Besuch im Waisenhaus verläuft erfolgreich: Auf Anhieb sind sie Feuer und Flamme für Esther (Isabelle Fuhrman), ein für ihr Alter extrem reifes Mädchen, das wunderschöne Bilder malt und mit anderen Kindern nichts anzufangen weiß. Kurz entschlossen entscheiden sich die Colemans zur Adoption und stellen wenige Wochen später Esther den neuen beiden Geschwistern vor. Während die taubstumme Max sich augenblicklich blendend mit Esther versteht, erweist sich Daniel als abweisend.

Zunächst scheint alles eitel Wonne im ausladenden Anwesen der Familie zu verlaufen. Aber seltsame Unfälle, die stets eine Verbindung zu Esther aufweisen, machen Kate misstrauisch. Schließlich erkennt sie, dass Esther keineswegs jenes hochintelligente, freundliche Mädchen ist, als das sie sich ausgibt, sondern eine blutjunge Psychopathin, die es auf das Zerstören der Familie abgesehen hat. Dummerweise steht Kate mit ihrer Erkenntnis jedoch allein auf weiter Flur: Alle anderen halten sie für paranoid …

Wunderkinder – und Kinder zum Wundern
Zugegeben: Der Plot von „Orphan – Das Waisenkind“ klingt verdächtig vertraut. Hatte nicht schon in den 1970er Jahren ein gewisser Damian für allerlei Unheil gesorgt? Und hatten nicht die „Kinder des Zorns“ – in einer miserablen Verfilmung eines Stephen-King-Stoffes – sogar eine ganze Ortschaft ausgelöscht?
Selbst der schlimme Verdacht Kates gegenüber ihrem Adoptivkind kommt nicht von ungefähr: In „Das Omen“ wurde ebenfalls die Adoptivmutter misstrauisch und konnte ihren Mann lange nicht von der Wahrheit ihrer Behauptungen überzeugen. Unvergessen auch Mia Farrow in „Rosemarys Baby“, die von all ihren Verwandten und Bekannten für verrückt gehalten wird, weil sie plötzlich zur Einsicht gelangt, vom Teufel persönlich geschwängert worden zu sein.

Glücklicherweise belässt es Regisseur Jaume Collet-Serra (bislang einzig durch den wenig überzeugenden „House Of Wax“ in Erscheinung getreten) bei diesen wenigen Parallelen und hält sich an das streckenweise durchaus originelle Drehbuch. Im Gegensatz zu eingangs angeführten Filmen handelt es sich bei „Orphan – Das Waisenkind“ um einen lupenreinen Psychothriller, der ohne jegliches übernatürliche Element auskommt.

Zwar bewegt sich der Streifen in meist bekannten Bahnen, variiert die Erwartungen des Zuschauers jedoch dermaßen gekonnt und geschickt, dass die – fiesen – Wendungen ihre Wirkung nicht verfehlen. Kurzum: „Orphan – Das Waisenkind“ ist von Beginn weg unglaublich spannend!

Hervorragende Schauspieler
Das größte Kompliment verdient indes die Hauptdarstellerin: Die junge Isabelle Fuhrman (welche ironischerweise unter anderem in „Ghost Whisperer“ einen Gastauftritt hatte) legt eine fulminante Performance hin, deren Nuancen jeweils perfekt zu den Szenen passen. Ob sympathisch und einnehmend oder unheilverkündend düster dreinblickend: Absolut perfektes Schauspiel! Von ihr wird man hoffentlich noch viel hören.

Vera Farmiga verkörpert die psychisch angeschlagene Mutter ebenfalls sehr überzeugend, während Routinier Peter Sarsgaard etwas zu passiv agiert und das schwächste Glied der Schauspielkette bildet.

Spannend, intelligent und genialer Twist!
Was den Film zu einem der wenigen wirklich intelligenten und spannenden Vertretern des Genres macht, ist der sich langsam entwickelnde Plot. Zwar wird der Zuschauer von Anfang an nicht in Unkenntnis über den Wahnsinn hinter Esthers unschuldig wirkendem Äußeren gelassen. Doch selbst ohne die im Genre meist übliche Tätersuche legt „Orphan – Das Waisenkind“ ein irres Tempo vor und treibt die Handlung konsequent einem knallharten Showdown entgegen.

Der Kniff, ausgerechnet den Psychopathen – hier ein Kind – zum Sympathieträger zu machen, erweist sich als Volltreffer. Ebenso wie der Twist, der nicht völlig unvorbereitet und an den Haaren herbeigezogen daherkommt, sondern im Rückblick durchaus Sinn ergibt – mehr sei nicht verraten, um niemanden des Vergnügens zu berauben.

Natürlich lässt sich darüber streiten, ob die kleineren Ungereimtheiten und „Zufälle“ realistisch sind oder nicht. Gerade in diesem Genre sollte man jedoch über marginale Makel hinwegsehen und sich am Gesamtbild erfreuen können. Denn: Bei zwei Stunden Hochspannung wird man gar nicht erst in Versuchung geführt, allzu sehr den Inhalt zu hinterfragen.

Mögen manche Erklärungen und Enthüllungen auch sehr, sehr weit hergeholt erscheinen: Verglichen mit vielen anderen Thrillern wirkt „Orphan – Das Waisenkind“ geradezu äußerst lebensnah.
Entscheidend ist jedoch ohnehin die Frage nach der Qualität des Streifens. Und in diesem Punkt kann ganz klar eine uneingeschränkte Empfehlung ausgesprochen werden. „Orphan – Das Waisenkind“ ist ein streckenweise harter, fieser Psychothriller mit überragender Hauptdarstellerin und ungemein starker Story.

Übrigens sollte man sich den von David Finchers Meisterwerk „Sieben“ inspirierten Abspann ebenfalls nicht entgehen lassen.


Darsteller

  • Vera Farmiga … Katherine „Kate“ Coleman
  • Peter Sarsgaard … John Coleman
  • Isabelle Fuhrman … Esther/Leena Klammer
  • CCH Pounder … Schwester Abigail
  • Jimmy Bennett … Daniel Coleman
  • Aryana Engineer … Maxine „Max“ Coleman
  • Margo Martindale … Dr. Browning
  • Karel Roden … Dr. Värava
  • Rosemary Dunsmore … Grandma Barbara
  • Genelle Williams … Schwester Judith

Regie
Jaume Collet-Serra

Produktionsland, Jahr
USA, 2009

Orphan – Das Waisenkind Trailer

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