Königreich der Himmel

Königreich der Himmel KritikDas Genre des Historien-Films – bevorzugt antike Schauplätze in Europa – erfreute sich in den 1950er/1960er Jahren höchster Beliebtheit und brachte einige zeitlose Klassiker wie Spartacus, Quo Vadis oder Ben Hur hervor.
Erklären könnte man diesen Umstand eventuell mit der damals aktuellen Weltlage: Der Zweite Weltkrieg, der große Teile Europas verwüstet hatte, war noch frisch in den Köpfen der meisten Europäer und US-Amerikaner, da drohte bereits neues Unheil in Gestalt des expandierenden Kommunismus.

Die „rote Gefahr“ umzingelte wie Indianer in alten Western die Wagenburgen der tapferen Amis und Westeuropäer, und nur mit viel Mühe erwehrte sich der „Westen“ seiner blanken Haut. Die Furcht vor einem Atomkrieg oder einer Invasion des befreiten Westeuropas (das den Amerikanern als Bollwerk gegen den Osten diente) durch Stalins Heerscharen, ständig neue Scharmützel in „Stellvertreter-Kriegen“ der beiden Supermächte in Asien, der Verlust sämtlicher (bis auf ein paar kleinere Inseln) Kolonien Frankreichs und Englands … was lag da näher, als sich wenigstens im Kino von der stets gegenwärtigen Kriegsgefahr ablenken zu lassen und einen Blick zurück zu werfen?

Mit dem Aufbegehren der Jugend, die allen Autoritäten grundsätzlich misstraut, kamen Filme übers antike Rom oder Ägypten aus der Mode und Hollywood – immer am Puls der Zeit – nahm die Wünsche, Ängste und Sorgen der jüngeren Generationen ernster. Gegenwarts-Dramen, leichte Komödien und erstmals auch SF-Filme mit Anspruch drängten in die Kinos. Kostümschinken lockten niemanden mehr hinterm Ofen hervor.

Bis Ridley Scott im Jahre 2000 die Renaissance der großen Historien-Epen einläutete. Kaum jemand hätte damals angenommen, dass ein Monumentalfilm, der im alten Rom spielte, Erfolg haben könnte. Allen Unkenrufen zum Trotz wurde Gladiator nicht nur zum Kassenknüller, sondern heimste darüber hinaus mehrere Oscars ein (was erwiesenermaßen die Kasse noch stärker zum Klingen bringt).
Wie üblich weckte der Erfolg das Begehren, ihn beliebig oft zu wiederholen. Die Folge waren ehrgeizige Filmprojekte wie Troja oder King Arthur, die große Ambitionen hegten und umso bitterer enttäuschten.

Fünf Jahre nach Gladiator ersuchte sich der inzwischen zum Sir geadelte Ridley Scott erneut an einem Historienfilm. Und das Ergebnis reiht sich mühelos in die Riege oben angeführter Filme ein, ja, ist noch wesentlich enttäuschender.

Der junge Dorfschmied Balian (Orlando Bloom) ist nach dem Freitod seiner Frau am Boden zerstört. Als ausgerechnet in dieser schweren Zeit der Edelmann Godfrey (Liam Neeson) ihm eröffnet, dass er dessen Sohn sei, und ihn auf den Kreuzzug zur Verteidigung Jerusalems mitnehmen möchte, lehnt Balian zunächst ab, schließt sich Godfrey und seinen Mannen aber schließlich doch an.
Bei einem Scharmützel wird Godfrey schwer verwundet und schlägt seinen Sohn zum Ritter, auf dass er Jerusalem gegen den Moslem-Herrscher Saladin verteidigen möge. Der Weg nach Jerusalem ist mühsam für Balian, und als er endlich angekommen ist, findet er sich inmitten einer Verschwörung der Tempelritter wieder, die mit allen Mitteln den porösen Frieden zwischen Christen und Moslems brechen wollen, um die „Heiden“ endgültig zu besiegen.
Tatsächlich gelingt es ihnen, das christliche Heer gegen die Moslems aufzuwiegeln und zu Felde zu ziehen. Doch jene Schlacht, die das Heilige Land dem Reich Gottes einverleiben soll, endet mit einem Desaster: Die Christen werden vernichtend geschlagen – und Jerusalem ist Saladin fast schutzlos ausgeliefert.
Balian wird beauftragt, die Stadt zu verteidigen. Ein schier aussichtsloses Unterfangen angesichts der gewaltigen Überlegenheit der Feinde.

Bereits mehr als 10 Jahre vor Königreich der Himmel kursierten Pläne für einen Monumentalfilm über die Zeit der Kreuzzüge. Mit einem riesigen Budget ausgestattet, sollte James Cameron The Crusade gewohnt meisterhaft inszenieren. Für die Hauptrolle war Arnold Schwarzenegger vorgesehen, der sich Anfang der 1990er Jahre auf dem Zenit seiner Karriere und Popularität befand. Da es erstens anders kommt, als man denkt, und zweitens die Logik der Filmstudios nicht immer dem entspricht, was man gesunden Menschenverstand bezeichnen könnte, entschied sich das Filmstudio Carolco (Terminator 2, Basic Instinct, Total Recall, Rambo), das in ärgsten Finanznöten steckte, für ein anderes Projekt, nämlich einen nicht minder teuren Piratenfilm.
Der Rest ist traurige Filmgeschichte: „Die Piratenbraut“ floppte dermaßen gewaltig, dass es Carolco schneller als ein leckgeschlagenes Ruderboot in die Tiefe riss.
Wie man diesen Film einem vorprogrammierten Blockbuster mit den damals größten Kassengaranten vorziehen konnte, dürfte ein Rätsel sein, das nicht einmal der Sphinx eingefallen wäre.

Nun endlich, im Jahr 2005, durften sich Cineasten auf einen Film über die Kreuzzüge freuen. Entgegen der Hollywood-Norm jedoch ohne Happy End, denn Königreich der Himmel enttäuscht auf allen Linien.
Ähnlich dem entsetzlich langweiligen Oliver-Stone-Desaster „Alexander“ krankt Scotts Epos vor allem daran, dass er von Beginn weg keine Spannung bietet und somit völlig steril wirkt, denn weder emotional, noch inhaltlich findet man Zugang zum Film.
Im Folgenden werde ich dieses Werk mit Gladiator vergleichen, da die Gegenüberstellung klar erweist, warum der eine Film meisterlich, der ändere jämmerlich geraten ist.

Gladiator beginnt mit einer fiktiven Schlacht der römischen Legionen gegen die germanischen Barbaren. Zwar steht der Kampf im Mittelpunkt des Geschehens, doch bietet das Gefecht dem Regisseur Gelegenheit, den Protagonisten vorzustellen. Man weiß nach der Schlacht, dass der Feldherr Maximus sowohl ein kluger Taktiker, als auch ein herausragender Kämpfer ist. Seine spätere Karriere als unbesiegbarer Gladiator kann deshalb nicht überraschen.
In Königreich der Himmel hingegen bleibt Balian von Beginn an blass: Wer ist dieser Mann? Man weiß es nicht. Genauso wenig wie man weiß, warum er wie ein Urahn von McGyver alles, und zwar wirklich alles kann. Weshalb ein einfacher Dorfschmied aus Frankreich beim Aufbau eines blühenden Dorfes nahe Jerusalem genau so geschickt ist wie im Schwertkampf und militärischen Taktiken, bleibt ungeklärt.
Und während das Niederringen der Germanen in Gladiator wirklich eindrucksvoll geschildert wird, wartet man auf ähnliches in Königreich der Himmel vergebens. Die große Feldschlacht der Christen gegen die Moslems wird gänzlich ausgeblendet, weshalb man sich bis zur Belagerung Jerusalems durch Saladin gedulden muss, um ein größeres Kampfszenario geboten zu bekommen. Szenen, die bei weitem nicht an die Dichte, an die Unerbittlichkeit und an die Tragik jenes Eröffnungs-Gemetzels in Gladiator heranreichen.
Vielleicht liegt es auch am Schauplatz des Geschehens: Die arabische Wüste ist bei weitem nicht so düster wie ein dichter Wald in Mitteleuropa.

Übrigens wird man fortwährend das unangenehme Gefühl nicht los, als habe sich Scott hemmungslos bei seinem eigenen Meisterwerk „Anregungen“ geholt: Der lange Ritt Balians durch die Wüste (vergleiche Maximus’ Ritt durch karge spanische Landschaften), die Katapulte mit den Feuergeschoßen, die herabregnende Asche nach dem Kampf, die Zeitlupen-Effekte – ein Déjà-vu jagt das nächste.

Gibt der Film, wie man es beim ehemaligen Werbe-Filmer Ridley Scott erwarten sollte, wenigstens ästhetisch etwas her? Sind die Bilder grandios inszeniert? Klare Antwort: Nein.
Was bei „Hannibal“ noch über die doch etwas dürftige Story hinwegtäuschte, wird hier schmerzlich vermisst: Die feinen Bild-Arrangements, wie von Meisterhand komponiert, sucht man in Königreich der Himmel vergebens.
Genauso vergebens, wie einen grandiosen Soundtrack. Lieblos und beliebig arrangiert wirkt das, was die Bilder akustisch untermalen sollte. Abgesehen vom wunderschönen Stück „Vide cor Meom“, das der geneigte Zuschauer aus „Hannibal“ kennt, und einem Stück aus „Der 13. Krieger„. Sollte das vielleicht ein Witz sein? Oder wusste Scott bereits beim Schneiden, dass er den Film völlig in den Sand (nein, ich erwarte nicht, dass jetzt jemand lacht) gesetzt hat und ihm war schon alles egal?
Auch hier: Kein Vergleich zu Hans Zimmers stimmungsvollem Gladiator–Soundtrack.

Ein weiterer Makel der Story ist die übertriebene politische Korrektheit. In unzähligen Filmen wurden und werden Araber fast ausschließlich als fiese Terroristen und/oder Barbaren dargestellt (wobei man im Gegenzug anmerken sollte, dass Russen, Deutsche und Engländer meist auch nicht viel besser wegkamen).
Scott versuchte, dieses Bild zu relativieren, was an sich löblich ist, denn bei den Kreuzzügen präsentierte das Christentum sein hässlichstes Gesicht. Allerdings verschiebt der Film das grobe Schwarz-Weiß-Denken lediglich: Die Moslems sind gütig und weise, und deshalb sind es die meisten Christen, die hinterhältig und mordlüstern sind. Lediglich Balian und die Verteidiger Jerusalems werden als gute Menschen porträtiert.

Dabei fällt jedoch unter den Tisch, dass die Kreuzzüge nicht aus Langeweile oder wegen des schlechten Fernsehprogramms losgetreten wurden, sondern als Reaktion auf die islamische Expansion in Asien, die darin gipfelte, dass über den Heiligen Stätten der Christen der Halbmond wehte. Auch wenn die Moslems mitunter ehrenhafter handelten als die christlichen Heere, die in ihrem Blutrausch oft nicht einmal mehr zwischen Freund und Feind unterschieden und in beispiellosen Massakern gnadenlos alle Bewohner feindlich gesinnter Städte hinmetzelten, erscheint es mir doch sehr kühn, die Moslems als Lichtgestalten abzubilden.

Genauso ärgerlich ist auch, dass die Tempelritter ausschließlich als eine Horde blutrünstiger, hinterhältiger Monster dargestellt werden, was ihrer Bedeutung nicht gerecht wird.

Was dem Film letztendlich jegliche Spannung nimmt, ist das Fehlen eines echten Antagonisten. Bei Gladiator war es der Hass zwischen Maximus und Commodus (und dazu noch die Hass-Liebe Luzias zu den beiden), der die Geschichte vorantrieb. In Königreich der Himmel sind die einzigen „Schurken“ fade und blass und werden nicht ansatzweise in die Story integriert. Sie sind einfach nur da, weil man ein paar böse Typen brauchte, um die Auseinandersetzung zwischen Christen und Moslems zu rechtfertigen. Mehr aber auch nicht.

Nicht unerwähnt bleiben dürfen die schauspielerischen Leistungen. In Gladiator ist es nicht nur Russel Crowe, der den Film trägt; seine Schultern alleine wären zu schmal gewesen, da Gladiator nicht alleine in den Kampfarenen spielt. Joaquin Phoenix glänzt als wahnsinniger Kaiser Commodus in den „stillen“ Szenen des Filmes, wie dereinst etwa Peter Ustinov als Nero. Dazu gesellt sich Oliver Reed als zunächst gewissenlos scheinender Sklavenhändler Proximo.

Königreich der Himmel vereint zwar bekannte Namen – neben Orlando Bloom die Charaktermimen Liam Neeson und Jeremy Irons – verteilt ihre Gewichtigkeit jedoch unvorteilhaft. Während ein Liam Neeson einen solchen Film eventuell noch tragen könnte, beweist Mädchen-Schwarm Orlando Bloom erneut eindrucksvoll, dass er zwar ein Gespür für kassenträchtige Filme hat, als Schauspieler jedoch ein Fliegengewicht ist.
In keiner Szene nimmt man ihm – wie Russel Crowe – den kampfkräftigen, listigen Krieger ab.
Liam Neeson hingegen wird nach wenigen Minuten aus der Geschichte entfernt und Jeremy Irons ist in noch weniger Szenen als Neeson zu sehen.

Fazit: Königreich der Himmel mag für anspruchslose Gemüter und jene, die Orlando Bloom süß finden, über zwei Stunden bester Unterhaltung bieten. Für jene, die auf eine gute Story, Charakterisierung, ästhetische Bildkompositionen, mitreißende Musik und tolle Schauspiel-Leistungen Wert legen, ist dieser Film lediglich der Beweis, dass auch ein Ridley Scott mal seine schlechten Tage hat.


Darsteller

  • Orlando Bloom
  • Liam Neeson
  • Eva Green

Regie
Ridley Scott

Produktionsland, Jahr
USA, 2005

Königreich der Himmel Trailer



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Ein Kommentar

  1. Hm…und nun meldet sich die dritte Sparte – diejenigen die nicht immer Action benötigen, die eine Story auch ohne eine Blockbuster-Spannungskurve zu schätzen wissen und in der Lage sind Filme nicht immer aneinander zu messen.
    Und schon haben wir einen tollen Film welcher sich traut in einer solchen Zeit eine Utopie wie Jerusalem zu präsentieren – eine Utopie die aufgrund der gleichen Konflikte nicht erhalten blieb die auch heute für Kriege und Streitigkeiten sorgen.
    Interessant ist das genau diese Inhalte selten erwähnt werden, sind sie doch Dreh- und Angelpunkt des ganzen. Basieren sie doch auf dem gegenseitigen Respekt und „Nicht-Respekt“ der Beteiligten vor dem anderen.

    Nehmen wir die Szene in der unser braver und seeliger Schmied strandet und dann auf den Sarazenenherrn und seinen Diener trifft.

    Es gibt mehrere solche Szenen – stets mit anderen Charakteren.

    Klar wurde hier kein Epos geschaffen, ebenso wenig wie historische Schlachten und auch die Fakten sind nicht historientreu – aber so dermaßen schlecht ist dieser Film nicht.

    Gladiator ist epischer, machtvoller und vor allem charismatischer (was aber auch am guten Russel liegt). Er ist tiefgründiger und er stellt den Meilenstein für jeden Film dar in dem ein Römer auch nur über die Mauer lugt.

    Jedoch hat Königreich der himmel keinerlei vergleichbare Punkte. Die Story ist vollkommen anders geartet, der Ablauf durch ganz andere Storyelemente vollkommen abweichend und die Grundintention des Films eine vollkommen andere.
    Aber ich vergleiche auch gerne Smarties mit Erdnüssen.

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