Fraktus Kritik

Fraktus FilmkritikVon Westbam und Scooter über Marusha und Blixa Bargeld bis hin zu Dieter Meier von der Schweizer Synthie-Pop-Formation Yello: Die Electronic- und Pop-Szene ist sich einig – Fraktus (gespielt von Heinz Strunk, Rocko Schamoni und Jacques Palminger aka Studio Braun) haben Techno erfunden und vieles im Bereich der elektronischen Musik vorweggenommen. Sie galten als Pioniere aber der ganz große kommerzielle Erfolg blieb ihnen stets verwehrt. Kurz vor dem Durchbruch gingen sie getrennte Wege und verloren sich vor über 25 Jahren aus den Augen. Was ist aus den drei Vollblut-Musikern von Fraktus geworden? Wie verdienen sie heute ihr Geld? Ist vielleicht sogar ein Comeback möglich? Die Dokumentation „Fraktus – Das letzte Kapitel der Musikgeschichte“ spürt die drei in alle Winde verstreuten Musiker auf. Auf Ibiza, in Brunsbüttel und in Hamburg findet Manager und Musikproduzent Roger Dettner (Devid Striesow) die ehemaligen Techno-Urväter. Ihm gelingt das Unfassbare: Dettner gelingt es mit einem Trick, Fraktus wieder zusammen-zubringen und das Feuer neu zu entfachen – zu stark und verlockend ist die Sehnsucht nach Erfolg.

„Fraktus – Das letzte Kapitel der Musikgeschichte“ zählt zu den gelungensten und witzigsten deutschen Komödien der letzten Zeit. Als Musik-Dokumentarfilm angelegt, gelingt es dem Film durch Authentizität und Glaubwürdigkeit, den Mythos über die fiktionale Band Fraktus aufleben zu lassen und darüber hinaus ein unwiderstehliches Gag-Feuerwerk zu zünden. Der Film wurde von dem erfahrenen Regisseur Lars Jessen inszeniert („Am Tag als Bobby Ewing starb“, „Hochzeitspolka“). Die Hauptrollen werden von dem legendären Hamburger Trio Studio Braun gespielt, bestehend aus Heinz Strunk, Rocko Schamoni und Jacques Palminger. Die Künstlergruppe Studio Braun ist eine wichtige Größe der Hamburger Kultur-Szene und wurde vor allem durch ihre absurden Telefonstreiche bekannt. Für die Dreharbeiten gastierten Studio Braun als Fraktus auch auf dem Melt! Festival 2011, um das Comeback-Konzert ihrer fiktiven Band aufzunehmen.

Das Bemerkenswerteste an den Film ist wohl, wie es den Machern gelang, das Bild einer Band entstehen zu lassen, die in Wirklichkeit nie existierte und reine Fiktion ist. Bereits nach wenigen Minuten fragt man sich, wieso man von dieser Band – die im Film als Mit-Erfinder der elektronischen Popmusik gefeiert werden – noch nie etwas gehört hat, bis einem nach und nach dämmert, dass es sich bei Fraktus ja um eine reine Erfindung handelt. Wie die angeblichen Errungenschaften und musikalischen Großtaten der Band hier mit der tatsächlichen Musikgeschichte verworben wurden, ist stimmig, authentisch und schlichtweg beeindruckend: Vom Auftritt in der legendären Musiksendung „Formel Eins“ über die Gestaltung der Konzert-Flyer und Plattencover bis hin zu den verwackelten Filmaufnahmen vom letzten Konzert der Band in originalgetreuer Achtziger-Jahre-Optik: Es entsteht nach und nach der Eindruck, dass es diese Formation tatsächlich gegeben hat.

Hinzu kommen die unzähligen Statements und Kommentare von „echten“ Größen des Musik-Business, die den Mythos untermauern und (eigentlich) keinen Zweifel an der Glaubwürdigkeit aufkommen lassen: Jan Delay, Stephan Remmler von Trio, Marusha, Westbam oder Blixa Bargeld von den Einstürzenden Neubauten – sie bestätigen in Interviews die immense Bedeutung und den gewaltigen Einfluss von Fraktus für ihre eigene Arbeit und die Entwicklung der Techno-Szene. Und über allem schwebt der typische, unnachahmlich trockene Witz des Studio Braun. Voll schwarzem Humor und geschliffenem Wortwitz entwerfen die drei Mitglieder der Komiker-Truppe die Geschichte dieser Band. Heinz Strunk, Rocko Schamoni und Jacques Palminger passen dabei zu ihren Rollen wie die Faust aufs Auge. Rocko Schamoni glänzt als tollpatschiger, leicht zurückgebliebener Sänger Dirk Eberhard „Dickie“ Schubert, der mittlerweile ein heruntergekommenes Internet-Café führt. Jacques Palminger liefert als verschlossener, hochemotionaler Soundtüftler und Keyboarder Bernd Wand eine ebenso hinreißende Performance und komische Vorstellung wie Heinz Strunk als Arschgeweih-tragender Tattoo-Proll Torsten Bage, der in den vergangene Jahren ein Vermögen als erfolgreicher Ballermann-Techno-Produzent auf Ibiza verdiente. Die Harmonie zwischen den drei Mitgliedern stimmt eigentlich zu keiner Zeit ihres Aufeinandertreffens, was dem geplanten Comeback-Auftritt, der unaufhaltsam immer näher rückt, zusätzlich Zündstoff verleiht.

Fazit: Der typisch trockene Humor und geschliffene Wortwitz von Heinz Strunk, Rocko Schamoni und Jacques Palminger (Studio Braun) vereinen sich mit einer beeindruckend glaubwürdigen Optik und Detailfülle zu einer der stärksten deutschen Komödien der letzten Zeit.

Diese Filmkritik schrieb unser Redakteur Björn Schneider.


Darsteller:

  • Devid Striesow
  • Heinz Strunk
  • Rocko Schamoni
  • Jacques Palminger
  • Piet Fuchs
  • Anna Bederke
  • Hannes Hellmann
  • Felix Goeser
  • Kenny-David Baehr
  • Blixa Bargeld
  • H.P. Baxxter
  • Steve Blame

Regie:
Lars Jessen

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