Es Kritik

Es Filmkritik

Von außen wirkt Derry wie das Paradebeispiel einer idyllischen, friedlichen Kleinstadt Amerikas. Aber der Schein trügt: Kinder verschwinden auf geheimnisvolle Weise und zurück bleiben oft nur zerfetzte Kleidung oder abgetrennte Körperteile. Was zunächst niemand ahnt ist, dass in der Kanalisation der Stadt ein grausames Wesen sein Unheil treibt und alle 27 Jahre nach Blutopfern giert. 1989 ist es wieder soweit: die Freunde Uris (Wyatt Oleff), Richie (Finn Wolfhard) , Mike (Chosen Jacobs), Bill (Jaden Lieberher), Beverly (Sophia Lillis), Eddie (Jack Dylan Grazer) und Ben (Jeremy Ray Taylor) sehen unheimliche Gestalten und widerliche Kreaturen, hinter denen das böse Wesen aus der Kanalisation steckt. Außerdem verschwindet ein Kind nach dem anderen. Die Freunde nennen die Kreatur, die u.a. in Gestalt des furchteinflößenden Clowns Pennywise erscheint, „Es“. Nur sie können Es sehen, das in Form ihrer schlimmsten Alpträume erscheint. Obwohl der „Club der Verlierer“, wie sich die Jugendlichen selbst nennen, heillos unterlegen scheint, nimmt er den Kampf gegen Es auf.

„Es“ ist die zweite Verfilmung eines der bekanntesten Romane von Horrorliteratur-Papst Stephen King. Erstmals erschien das Buch 1986. Eine erste filmische Adaption gab es 1990, damals schlüpfte „Rocky Horror Picture Show“-Star Tim Curry in die Rolle des diabolischen Clowns Pennywise. Die Neuverfilmung wurde verantwortet von dem argentinischen Regisseur Andrés Muschietti, dem 2013 mit dem Horrorfilm „Mama“ ein Welterfolg gelang. „Es“ wurde in verschiedenen Städten in den USA und Kanada gedreht, darunter in Bangor und Toronto. Für den Film stand Muschietti ein Budget von 35 Millionen Dollar zur Verfügung. Den Pennywise verkörpert hier der 27-jähirge schwedische Schauspieler Bill Skarsgård, den man aus Filmen wie „Atomic Blonde“ und „Die Bestimmung“ kennt.


Vieles, was die erste Verfilmung vor 27 Jahren falsch machte, macht das Remake anders, mehr noch: um Längen besser. Zunächst aber erweist Regisseur Muschietti der Erstverfilmung eine Würdigung und Reminiszenz, wenn er die Eröffnungssequenz um das Ableben des jungen Georgie, fast genauso aussehen lässt wie jene von 1990. Auch, wenn die kurze Szene mit dem ersten Auftritt von Pennywise – wenn er zwischen zum Trocknen aufgespannter Bettlaken kurz aufblitzt – hier nicht zu sehen ist. Nach jener, mittlerweile fast schon ikonischen Eröffnung um den kleinen Georgie, der im strömenden Regen seinem Papierboot hinterherjagt, unterscheidet sich das neue „Es“ vom alten „Es“ gewaltig.

Eine der gelungensten Neuerungen: der aufpolierte, moderne und an heutige Sehgewohnheiten angepasste Look. Sah im ersten Film (der fürs TV gedreht wurde) noch vieles äußerst antiquiert, verstaubt und schlicht zweitklassig aus, so überzeugt das Remake mit großartigen Masken, atmosphärischem Setting und gestochen scharfen Bildern. Und: mit unzähligen, liebevollen Details und glaubhaft-authentischen Kulissen, die den Zuschauer in die Zeit der Handlung zurückversetzen. Und das sind hier die späten 80er-Jahre. Dies ist eine weitere Änderung im Vergleich zum 1990er-Film, der noch in den mittleren 50er-Jahren angesiedelt war.

Muschietti bereitet es diebische Freude, versteckte Verweise und liebenswerte Anspielungen auf die (Pop-) Kultur jener Zeit, einzubauen. Diese verleihen dem Film einen gewaltigen, nostalgischen Charme. Das beginnt etwa bei den Postern von 80er-Jahre-Filmklassikern, die in so manch einem Jugendzimmer der Protagonisten hängen. In einer anderen Szene im Freien, ist im Hintergrund ein Kino zu sehen, das gerade zwei Kult-Werke des Jahres 1989 im Programm zeigt: „Nightmare on Elm Street 5“ und „Batman“. Zwischendurch ertönt – an dramaturgisch sinnvollen Stellen – die Musik jener Zeit. Wer allerdings mit der bunten, schrillen Popmusik von Künstlern wie Boy George, Madonna, Wham! oder Duran Duran rechnet, liegt weit daneben. In „Es“ gibt es großartige, teils fast vergessene Lieder von dunklen, melancholischen (Gothic-) Rockbands zu hören, u.a. von Interpreten wie The Cure und The Cult.

Die Jungdarsteller sowie Pennywise Bill Skarsgard machen ihre Sache ausgezeichnet. Die Schauspieler agieren – mit Ausnahme freilich von Skarsgard als Horror-Clown – angenehm zurückhaltend und schaffen es, die typischen Ängste, Sorgen und inneren Seelenqualen von jungen Heranwachsenden glaubwürdig nach außen zu kehren. Das Dasein als Außenseiter, die Angst nicht mehr dazuzugehören, die erste Liebe, die Abhängigkeit von klammernden Eltern: das alles sind Themen, die King in seinem Roman eingebaut hat. Und sich zum Glück ebenso in der neuen Verfilmung wiederfinden. Denn „Es“ war eben schon immer auch Coming-of-Age-Drama um eine Gruppe von sympathischen „Verlierern“.

Und zum Glück inszeniert Muschietti seinen Film zudem weitaus düsterer, lauter (die Sound-Effekte gehen teils durch Mark und Bein) und vor allem blutiger. Die Sehgewohnheiten haben sich in den letzten 27 Jahren merklich geändert, weshalb man Jugendlichen im Kino heute weit mehr und Drastischeres zumuten kann. Von solchen unerbittlichen Momenten gibt es im Film eine ganze Reihe. Im Gedächtnis könnte in erster Linie der rasant inszenierte, radikale Schlusskampf bleiben. Und nicht zuletzt auch eine besonders barbarische, ausufernde Blutdusche im Bad eines der „Verlierer“.

Fazit: An heutige, moderne Sehgewohnheiten angepasste und damit runderneuerte filmische Auffrischung des Stephen-King-Klassikers. Die mit viel Zeitkolorit ausgestattete Mischung aus Horror und Coming-of-Age, funktioniert in erster Linie aufgrund seiner tollen Darsteller, des gestiegenen Blutanteils sowie der daraus resultierenden, unheilvoll-drastischen (Psycho-)Horror-Sequenzen.

Bewertung 8/10

Diese Filmkritik schrieb unser Redakteur Björn Schneider.

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