Cloverfield

Cloverfield KritikWas 1999 mit „Blair Witch Project“ begann, ist inzwischen kaum noch aus Hollywood wegzudenken: Virale Marketingkampagnen, die Millionen von Filmfans lange vor dem Kinostart des beworbenen Filmes beschäftigen. 2007 sprang Erfolgsproduzent J. J. Abrams („Lost“) auf den munter durch die digitale Internetwelt ruckelnden Zug auf und hielt monatelang unzählige Foren, Videoportale und Blogs in Atem, ehe Anfang 2008 „Cloverfield“ endlich in den Kinos Einzug hielt.
Dass es sich um einen Monsterfilm handeln würde, war bereits vorab klar. Angesichts der dürftig gestreuten Informationen zu dem Streifen war jedoch unklar, ob es sich lediglich um einen künstlichen Hype oder einen Film mit Substanz handeln würde.
Believe oder don’t believe the Hype? Dieser Frage wollen wir uns ohne jegliche Geheimkrämerei in dieser Kritik widmen.

New York, New York!
Karrieremann Rob (Michael Stahl-David) wird seine Heimatstadt New York verlassen, um künftig in Japan seine Cheeseburger zu verdienen. Aus diesem Grund veranstalten seine Freunde eine Abschiedsparty, um ihm alles Gute zu wünschen. Robs Bruder Jason (Mike Vogel) soll mit seiner Digicam die Party aufzeichnen, stürzt sich jedoch stattdessen lieber ins Gewühl und überträgt die Aufgabe seinem wenig begeisterten Freund Hud (T.J. Miller).

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© Paramount Pictures

Nach diversem Beziehungsgeplänkel, das Hud beiläufig auf Film festhält, erschüttert plötzlich ein Erdstoß die Stadt. Viele Leute flüchten auf die Straßen, da sie zunächst ein Erdbeben befürchten. Doch rasch zeigt sich die Ursache des Erdstoßes: Etwas Furchtbares ist über den „Big Apple“ hereingebrochen – ein neuer Terroranschlag vielleicht? Für diese Vermutung sprechen einige Explosionen, in Folge derer der Kopf der Freiheitsstatue wie eine gigantische Bowlingkugel über die Straßen rollt.

Aber allmählich wird klar, dass es keine menschlichen Terroristen sind, die die Stadt bedrohen, sondern eine riesige, unbekannte Kreatur, die ziemlich übelgelaunt aus dem Meer emporgestiegen ist. Bei der panischen Flucht wird Jason getötet – der fassungslose Rob sieht nur noch eine Aufgabe: Er muss seine beste Freundin Beth (Odette Yustman) retten. Bei dieser wenig erfolgversprechenden Mission wird er von drei Freunden begleitet, unter anderem Hud, der nunmehr unfreiwillig zum Filmer des monströsen Terrors avanciert und schon bald seine erste Begegnung mit dem Monster überstehen muss …

Shake it, Baby!
Was an „Cloverfield“ formal sofort ins Auge sticht, ist die Kameraführung. Der gesamte Film wird aus der Perspektive einer Digicam präsentiert, was in mitunter chaotischen Schnitten und „Wackelkamera“-Führung ausartet. Von manchen wurde dieses Konzept – das natürlich keineswegs neu ist – als innovativ betrachtet, von anderen hingegen verabscheut. In US-Kinos wurde sogar davor gewarnt, dass die Rezeption des Filmes zu Übelkeit und Schwindelgefühlen führen könne.

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© Paramount Pictures

Was auf der großen Leinwand durchaus zu leichten Schwindelgefühlen ausufern kann, ist auf einem handelsüblichen Fernseher jedoch halb so schlimm und dadurch weniger intensiv. Wie so manche anderen Filme leidet „Cloverfield“ somit an dem Problem, nur auf der Leinwand die volle Wirkung zu entfalten. Das „realistische Flair“ ist zudem die größte Stärke des Films, wenigstens in jenen Szenen, die eindringlich und mitreißend sind. Dazu gleich mehr.

American Godzilla II?
Bedingt durch die geheimniskrämerische Kampagne war im Vorfeld heftig diskutiert worden, welches Monster denn New York zertrampeln würde. Nicht wenige vertraten die Ansicht, es würde sich um eine Art inoffiziellen Nachfolger zu Emmerichs misslungenen „Godzilla“ handeln. Besonders hartnäckig hielten sich die Gerüchte, „Cloverfield“ wäre die erste große Hollywood-Hommage an H. P. Lovecraft und das gigantische Ungetüm würde sich als die legendäre Wesenheit Cthulhu entpuppen – eine Phantasiefigur, die wohl die bekannteste Schöpfung Lovecrafts darstellt. Da der entfernt an einen Tintenfisch erinnernde Cthulhu in einer auf dem Meeresgrund versunkenen Stadt hausen soll, klangen diese Gerüchte durchaus plausibel.

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© Paramount Pictures

Letztendlich drückt sich „Cloverfield“ jedoch um die drängende Frage, welcher Natur das zerstörerische Monster entspringt: Ist es eine schreckliche Mutation? Eine vom Militär gezüchtete biologische Waffe? Ein urzeitliches Ungetüm, das nach Millionen Jahren Winterschlaf sozusagen Geschmack an New York gefunden hat?
Ebenso unscharf bleibt das physische Konzept hinter der Kreatur: Selbst in den wenigen Sekunden der Fokussierung auf seinen Körper verwischt die Wackelpudding-Kamera aufschlussreiche Eindrücke. Dies sorgt letztendlich für Verwirrung, da sowohl das Äußere, als auch die Größe der Kreatur zu variieren scheinen.

Dennoch lässt sich eine gewisse Verwandtschaft zu Japans Nationalmonster nicht abstreiten: Beide Kreaturen entsteigen dem Meer, zertrampeln die jeweils größte Stadt des Landes und sind augenscheinlich immun gegen jegliche Waffensysteme.

Mitten drin, statt nur dabei
Seine größte Stärke spielt „Cloverfield“ dann aus, wenn die Protagonisten zwischen die Fronten geraten. Die wohl intensivste und mitreißendste Szene des Filmes entspinnt sich aus einem – letztlich sinnlosen – Angriff des Militärs auf das Monster. Das Donnern der Geschütze, die Schreie der Soldaten, die Detonationen und die Verzweiflung: All dies versetzt den Zuschauer kurzzeitig in die Rolle des „Kameramannes“, der wider Willen in das Kampfgeschehen hineingestolpert ist.
Obwohl auch hierbei die aus ähnlichen Filmen gewohnte Totale auf das Geschehen ausbleibt, zieht die Szenerie geradezu hypnotisch in den Bann und gemahnt an Bilder aus realen Kriegsschauplätzen. In diesem Punkt macht „Cloverfield“ alles richtig und bietet dem Rezipienten tatsächlich großes Kino.

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© Paramount Pictures

Leider sind diese Momente überaus rar gesät, wohingegen die weniger interessanten Szenen überwiegen. Natürlich mag dies beabsichtigt sein, um dem Film seinen „realistischen Touch“ zu verleihen. Aber angesichts der Kürze des Streifens (ca. 85 Minuten) überwiegt der Eindruck, die Produzenten hätten sich mehr mit der zugegebenermaßen cleveren Marketingkampagne, als dem beworbenen Film selbst auseinandergesetzt.

Und diese Vermutung mündet in der größten Schwäche des Films: Die drängenden Fragen des Zuschauers werden weder beantwortet, noch auch nur angerissen. Wenngleich das Monster der eigentliche Hauptdarsteller sein sollte, erfährt man über seine Natur rein gar nichts. Gleiches gilt für jene „Gäste“, die es nach New York einschleppt. „Cloverfield“ räkelt sich genüsslich in der Weigerung, zumindest rudimentäre Antworten zu geben und verharrt auf seiner Position, jegliche Deutung dem Zuschauer zu überlassen. Was ansatzweise durchaus Sinn ergibt und sich angenehm von jenen Filmen abhebt, die das Publikum mit Informationen überhäufen, läuft hier jedoch völlig aus dem Ruder. Denn: Ein guter Plot lebt nicht davon, einfach nur Fragen aufzuwerfen, sondern beantwortet zumindest die meisten davon. „Cloverfield“ verweigert sich dem völlig und kreiert eine Ebene reiner Spekulation, die sich wie ein dichter Nebel über das Geschehen legt und es auf diese Weise noch unschärfer macht, als es ohnehin bereits ist.

Blasse Charaktere

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© Paramount Pictures

Auch in einem anderen wichtigen Punkt zieht sich „Cloverfield“ den Boden unter den eigenen Füßen weg: Gerade in einem solchen Film wäre eine einfühlsame Charakterisierung extrem wichtig, um mit den Protagonisten mitfiebern zu können. Doch außer den Namen der Figuren erfährt man praktisch überhaupt nichts von ihnen. Deshalb fällt das – genrebedingt – „unlogische“ Verhalten natürlich umso mehr auf und erweist sich als unkluger Schachzug der Produzenten.

Mehr noch: Die redundanten „Lauf!“-Schreie und Fluchtsequenzen beginnen unweigerlich zu nerven, weil dem Zuschauer die Filmfiguren gleichgültig sind. Auch wenn sich „Cloverfield“ bewusst von üblichen Genrekonventionen abheben möchte: Jegliche Verweigerung von Informationen, Andeutungen, Empathie und ähnlichem erschweren und verunmöglichen den Zugang zum Film.

Viel Lärm um Nichts
Schade, denn das Konzept wäre eigentlich sehr vielversprechend gewesen und hätte Stoff für einen fesselnden Monsterstreifen geliefert. Doch so interessant die Grundidee und die für einen relativ kostengünstig erstellten Film überraschend hohen Schauwerte auch sind: Das Endergebnis ist ernüchternd und kann den enormen Erwartungen, die geweckt wurden, nicht gerecht werden. Ob der angesichts der Einspielergebnisse unvermeidliche „Cloverfield 2“ diesen Erwartungen mehr entsprechen kann, steht in den Sternen, respektive im Drehbuch.


Darsteller

  • Michael Stahl-David … Rob Hawkins
  • Odette Yustman … Beth McIntyre
  • Mike Vogel … Jason „J.J.“ Hawkins
  • Lizzy Caplan … Marlena Diamond
  • T. J. Miller … Hudson „Hud“ Platt
  • Jessica Lucas … Lily Ford

Regie

Matt Reeves

Produktionsland, Jahr
USA, 2008

Cloverfield Trailer

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3 Kommentare

  1. Ich weiß nicht, wieso jeder mehr über den Ursprung des Monsters wissen will. Für den Film und die Spannung ist es doch völlig unwichtig. Im Gegenteil, mir ist es so lieber, wie eine langweilige Alibierklärung wie z.B. ein alberne Vertrahlung durch Atombombentests oder Meteoriteneinschlägen. Seit „Das Ding aus einer anderen Welt“ haben wir schon tausende von Erklärungen für unerwünschten Besuch vorgesetzt bekommen. Ich brauche nicht noch eine weitere Permutation.

    Mich wundert, wieso Lost ein Erfolg wurde. Hier wurden immer mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet. Das war mir persönlich zu wenig inhaltliche Erlösung und ich habe mich nach 4 Folgen ausgeklinkt. Dass sich jeder bei Cloverfield daran stört, verstehe ich nicht.

    Und ein offenes Ende, wie man allerorst liest, hatte der Film auch nicht.

  2. Ich fand den Streifen spannend, gerade wegen der Handkamera. Und das Monster ist doch Nebensache. Es geht darum, wie Spannung aufgebaut wird und das ist den Machern sehr gut gelungen. Abgesehen von der ewig langen Einleitung und den Mangel an interessanten Schauspielern. Aber die verschwinden eh nach und nach von der Bildfläche. Ein zweites mal kann man ihn aber nicht ansehen. Der Film lebt ausschließlich von den Überraschungsmomenten.

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