Aufbruch zum Mond Kritik

Aufbruch zum Mond Kritik

Der 20. Juli 1969 ging in die Geschichte ein als jener Tag, an dem mit Neil Armstrong (Ryan Gosling) erstmals ein Mensch den Mond betrat. „Aufbruch zum Mond“ schildert den harten, steinigen Weg bis zur erfolgreichen Mission der Apollo 11 und wagt einen Blick ins Privatleben des berühmten Astronauten. Seit dem Tod der 2-jährigen Tochter einige Jahre zuvor, wünscht sich dessen Frau Janet (Claire Foy) nichts sehnlicher als ein normales Leben an der Seite ihres Mannes. Dieser ist aber bereits in seiner Zeit als Testpilot für die NASA-Vorläuferbehörde NACA enormen Strapazen und Gefahren ausgesetzt. Durch Zufall wird er im November 1967 als Ersatzkommandant des dritten bemannten Apollo-Flugs nominiert. In den folgenden knapp zwei Jahren steht das Mondlandetraining im Mittelpunkt, bei dem die Astronauten und alle Beteiligten gehörig unter Druck stehen: Denn mitten im Kalten Krieg entbrennt ein Wettlauf mit der Sowjetunion. Welcher Nation glückt als erster die Mondlandung? Die Erwartungen eines ganzen Landes lasten auf den Schultern der Crew…

„Aufbruch zum Mond“ basiert auf der autorisierten Biografie „First Man: The Life of Neil A. Armstrong“, die 2005 von James R. Hansen veröffentlicht wurde. Inszeniert hat den biographischen Geschichtsfilm der erst 33-jährige Regisseur und Drehbuchautor Damien Chazelle. Chazelle und Hauptdarsteller Gosling kannten sich bereits von der Arbeit am Oscar-prämierten Erfolgsfilm „La La Land“ (2016). Auch Kameramann Linus Sandgren, der in der jüngeren Vergangenheit an erfolgreichen Produktionen wie „American Hustle“ oder „Joy“ mitwirkte, war bereits bei „La La Land“ für die Bilder verantwortlich. „Aufbruch zum Mond“ wurde mit einem Budget von rund 60 Millionen Dollar in Atlanta, Georgia gedreht.


„Aufbruch zum Mond“ ist ein ganz und gar außergewöhnlicher Big-Budget-Film made in Hollywood. Das liegt zum einen an der inszenatorischen Herangehensweise von Chazelle, der sein Weltraum-Märchen nicht in edle Hochglanzaufnahmen kleidet sondern sich völlig einem dokumentarischen Ansatz verschreibt. Man sieht dem Film einerseits seine Effekte nicht an, was ihn unter anderem von thematisch verwandten Werken wie „Gravity“ oder „Sunshine“ unterscheidet. „Aufbruch zum Mond“ ergeht sich in keinem CGI-Gewitter und das erdet ihn, macht ihn glaubhafter. Des Weiteren setzt der Filmemacher auf verwackelte Bilder mit Doku-Touch. Durch den Einsatz der nervösen, unruhigen Handkamera wird ein ungemein hohes Maß an Unmittelbarkeit erzeugt, die den Zuschauer mittenhinein ins Geschehen manövriert.

Dieser Ansatz erweist sich vor allem in den Szenen, die Armstrong und seine beiden Kollegen Buzz Aldrin und Edward Higgins beim Mondlandungstraining zeigen, als dringlich und klug. Die Kamera ist stets nur wenige Zentimeter von den Gesichtern der Drei entfernt, wenn sie wenige Monate vor dem Start ihrer Mission in einem Simulator nochmals alle Szenarien durchspielen. Die unangenehme, belastende Atmosphäre innerhalb des Simulators ist förmlich spürbar und der Eindruck der bedrohlichen Enge geht unmittelbar auf den Betrachter über. Es scheppert, wackelt, flirrt und schwankt unentwegt und so stark, dass sich allein beim Zusehen vom sicheren Kinosessel aus durchaus Schwindel und ein flaues Gefühl im Magen einstellen können. Damit beweist Chazelle: Es bedarf nicht immer bombastischer Bilderwelten und spektakulärer Animationen, um Beklemmung und emotionale Erregungszustände hervorzurufen. Weniger ist manchmal mehr. Der minimalistische Ansatz des Films macht sich auf ganzer Linie bezahlt.

Das betrifft nicht zuletzt die Verwendung der Musik und Soundeffekte. Wiederum verzichtet „Aufbruch zum Mond“ auf schwülstiges Pathos und auf Orchester-Bombast bei der musikalischen Untermalung sondern setzt seine zarte Instrumentalbegleitung sehr sparsam und gezielt ein. Größere Bedeutung kommt ohnehin den Sounds zu. Hier bediente sich Chazelle eines Tricks. Er griff bei den Klängen teils auf Original-Aufnahmen zurück, die seit nunmehr fast fünfzig Jahren im NASA-Archiv schlummern. So reichert er einige der Trainingssequenzen wie auch die Szene der Mondlandung mit echten Tönen bzw. Geräuschen von damals an: originales Rauschen, Scheppern und Summen, aber ebenso das authentische Räuspern und Atmen der Astronauten. Wahrhaftiger geht es nicht.

Und zuletzt sorgt Ryan Gosling mit seiner vermutlich stärksten Leistung seit dem Thriller „Only god forgives“ (2013) dafür, dass „Aufbruch zum Mond“ auch darstellerisch zum Volltreffer wird. Mit welcher Inbrunst er den schwer zu fassenden, emotionalen Eisklotz spielt (Armstrongs reserviert-zurückhaltende Reaktion als er vom Tod einiger Astronauten-Kollegen erfährt, ist bezeichnend) ist phänomenal. Dies sollte ihm die nächste Oscar-Nominierung einbringen.

Fazit: Kraftvolle und unsentimentale Verfilmung eines Jahrhundertereignisses, mit kontrollierter Konzentration erzählt und einem einnehmenden Ryan Gosling in der Hauptrolle. Das gelungenste Weltraum-Epos seit „Interstellar“.


Bewertung: 10/10

Diese Filmkritik schrieb unser Redakteur Björn Schneider.

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Ein Kommentar

  1. „Gravity“ fand ich nicht schlechter. Vor allem die Effekte waren atemberaubend. Dafür ist das Armstrong-Biopic wesentlich näher am Leben dran und erinnert in vielen Szenen eher an eine Raumfahrt-Doku auf Discovery Channel o.ä.

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